Gesellschaftliche Öffnung

"Und das in Saudi-Arabien!"

Saudische Frauen auf der Tribüne.
Erstmals wurden Frauen in Saudi-Arabien in ein Sportstadion gelassen - aus Anlass des Nationalfeiertags. © AFP / Fayez Nureldine
Christoph Schwennicke und Carsten Kühntopp im Gespräch mit Anke Schaefer · 25.10.2017
Frauen am Steuer, ein moderater Islam – die Pläne des saudischen Kronprinzen für eine gesellschaftliche Öffnung seines Landes wecken bei vielen Hoffnung. "Ich denke, dass Mohammed bin Salman das tatsächlich ernst meint", sagt unser Korrespondent Carsten Kühntopp.
Steht Saudi-Arabien gesellschaftliches Tauwetter bevor? Jedenfalls weckte der Auftritt von Kronprinz Mohammed bin Salman bei einer Investmentkonferenz am Dienstag in Riad bei vielen entsprechende Hoffnungen. In diesem Rahmen stellte der saudische Thronfolger auch das Projekt "Neom" vor, eine futuristische Megastadt am Roten Meer, deren Bau 500 Milliarden Dollar kosten und deren Fläche größer als Mecklenburg-Vorpommern sein soll.
Neom ist Teil eines Kozepts "Vision 2030", bei dem es nicht nur um die wirtschaftliche Öffnung des Landes, sondern auch um die der Gesellschaft gehe, sagt unser Korrespondent Carsten Kühntopp. "Wir wissen jetzt, wie das aussehen soll. Das hat er [der Kronprinz] ganz klar gesagt."

Ein moderater Islam kann wohl nur als Graswurzelbewegung entstehen

Christoph Schwennicke, Chefredakteur des Magazins "Cicero", äußerte sich positiv zu den Reformbestrebungen Mohammed bin Salmans: "Ausgelöst ist es bei dem Kronprinzen auch durch die Erkenntnis, das mit dem Öl geht vorbei. Aber dass es jetzt auch die Tendenz hat oder in die Richtung geht, lasst uns einen moderateren Islam hinkriegen, ist bemerkenswert." Angesichts der dezentralen Organisation des Islams sei das allerdings nicht einfach, sondern wahrscheinlich nur über eine Art Graswurzelbewegung zu bewerkstelligen: "Wenn ich seine Rede richtig verstanden habe, dann setzt es ja genau da an, also, er setzt nicht bei den geistigen Führern, sondern bei den Gläubigen selbst an, um da etwas hinzukriegen."

Es geht um mehr als nur den Führerschein

Zur gesellschaftlichen Öffnung gehört auch, dass Saudi-Arabien Frauen das Autofahren erlauben will. Dabei gehe es aber um viel mehr als um die Frage, wer einen Führerschein bekommt, betont unser Korrespondent Carsten Kühntopp. "Der Kronprinz weiß, dass das Land nur dann eine Zukunft hat, wenn es sich von der Abhängigkeit vom Öl löst. Das bedeutet, dass andere Wirtschaftsbereiche zu stärken sind, das bedeutet auch, Frauen müssen fortan arbeiten. In vielen Familien geht es ohnehin nicht mehr anders, weil der Ölpreis so sehr gesunken ist."
Wie die futuristische Mega-Stadt Neom einmal aussehen werde, sei schwer zu sagen, meint Kühntopp, bisher sei dort nicht mehr als eine Wüstenlandschaft. Aber: "Als gestern auf der Investment-Konferenz der Imagefilm gezeigt wurde für diese Stadt (…) hat man schon mal projiziert, wie es dann aussehen wird. Und mir fiel auf, dass eigentlich nur noch eine der Frauen, die in diesem Imagefilm zu sehen waren, Kopftuch getragen hat. Und das in Saudi-Arabien!"
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