Geschwister-Scholl-Preis für Ahmet Altan

Eine Auszeichnung als Druckmittel

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Der türkische Journalist und Schriftsteller Ahmet Altan spricht nach seiner Freilassung am 4. November 2019 mit Journalisten.
Der türkische Journalist und Schriftsteller Ahmet Altan spricht nach seiner Freilassung am 4. November 2019 mit Journalisten. © AFP / BULENT KILIC
Christian Schlötzer im Gespräch mit Vladimir Balzer · 25.11.2019
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Der türkische Autor Ahmet Altan ist in Abwesenheit mit dem Geschwister-Scholl-Preis ausgezeichnet worden. Derzeit sitzt er wieder im Gefängnis. Die Auszeichnung solle helfen, Druck auf Ankara auszuüben, sagt Laudatorin Christiane Schlötzer.
Der türkische Schriftsteller Ahmet Altan gilt als Kritiker von Staatschef Erdogan. Nach dem Putschversuch von 2016 wurde er verhaftet und zu lebenslanger Haft verurteilt. Nachdem ihn ein türkisches Gericht Anfang November freiließ, wurde er kürzlich erneut in der Türkei verhaftet.
Auch wenn Altan in Abwesenheit mit dem Geschwister-Scholl-Preis in München ausgezeichnet worden ist und sich vermutlich niemand aus der Regierung Erdogan konkret dafür interessiere, sei die Auszeichnung ein wichtiges Zeichen, sagte Christiane Schlötzer im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur. Die Autorin hat die Laudatio auf Altan gehalten.

Internationaler Druck wirkt

"Dass Achmet Altan freigelassen wurde, hatte schon ein bisschen mit dem internationalen Druck zu tun." Dass er nach der Freilassung gleich wieder inhaftiert wurde, habe mit einem Machtkampf in der türkischen Justiz zu tun. Verschiedene Fraktionen kämpften gegeneinander, so Schlötzer.
"Ich glaube, dass die Freilassung fast schon ein Wunsch der Regierung war, nachdem es so viel Druck gab."
Die beste Strategie für Aufmerksamkeit für ihn und andere Inhaftierte sei, dass man immer wieder öffentlich daran erinnere, dass diese Menschen - Akademiker, Journalisten und Unternehmer - im Gefängnis sitzen. "Aufmerksamkeit auf dieses Rechtssystem, in dem das Recht verbogen wird - Pressefreiheit, die nicht existiert."
Alle Urteile seien immer politische Entscheidungen und die Gerichte seien nicht wirklich unabhängig in der Türkei, betont Schlötzer. Interessant sei allerdings das im Fall Altan die obersten Gerichte für Freilassung plädiert hätten und die unteren Gerichte für seine erneute Verhaftung gesorgt hätten.
"Da ist ein Machtkampf in Gange. Die unteren Gerichte korrigieren die oberen, was ja eigentlich gar nicht geht. Aber so passiert es im Moment, mehrfach. Es ist nicht der einzige Fall."

Freiheit der Gedanken

Erstaunlich sei Ahmet Altans Optimismus. Der Autor könne auch auf sein eigenes Schicksal mit Ironie und Distanz schauen, sagt Schlötzer. "Er sagt: 'Mit meiner Fantasie kann ich durch Wände gehen. Ich war eigentlich nie im Gefängnis.' Die Literatur hilft ihm. Das ist eine Freiheit, die ihm niemand nehmen kann."
(mle)
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