Geschichte eines Symbols

Rezensiert von Georg W. Oesterdiekhoff · 26.01.2007
Das Hakenkreuz ist eines der ältesten Symbole der Menschheit. Es findet sich bereits auf 14.000 Jahre alten Darstellungen in Ägypten. Lorenz Jäger geht in seinem Buch "Das Hakenkreuz" der Geschichte dieses Zeichens nach und klärt, wie aus einem Symbol für Lebenskraft und Fruchtbarkeit ein Symbol für Terror und Massenmord wurde.
Das Hakenkreuz wird auch der, die oder das Swastika genannt. Das Wort stammt aus dem Sanskrit und bezeichnet "Glücksbringer". Der Kern der symbolischen Bedeutung der Swastika liegt im Sonnenrad und verweist auf Licht, Leben und Fruchtbarkeit. Die ethnologische Forschung hat gezeigt, dass archaische Kulturen die Sonne als Person verstehen, die dem Kosmos Lebenskraft verleiht. Gleichzeitig können Menschen an dieser Kraft teilhaben und selbst die Sonne im Sinne einer mystischen Partizipation verkörpern. Als Kinder der Sonne sind Menschen selbst sonnenhaft. Es ist dieselbe Lebenskraft und Fruchtbarkeit, die sich in Kosmos und menschlichen Belangen auswirkt. Die Swastika ist eines der ältesten Symbole der Menschheit und findet sich schon vor 14.000 Jahren in einer ägyptischen Darstellung. Sie ist auf allen Kontinenten außer Australien, jedoch für Neuseeland und Ozeanien, nachgewiesen.

Lorenz Jäger konzentriert sich darauf, Diskurse, Interpretationen und Rezeptionen darzustellen, die in den Zirkeln um Heinrich Schliemann, Alfred Schuler, Ludwig Klages, Stefan George, der Thule-Gesellschaft, Adolf Hitler und anderen Personen und Gruppen verbreitet waren. Jedoch nur zwei Kapitel widmet der Autor explizit der nationalsozialistischen Rezeption und Karriere des Symbols. Ein Kapitel, in dem Theorien der Symbolik im Allgemeinen, Theorien und Forschungen zu symbolischen Bedeutungen des Hakenkreuzes im Besonderen und zu seiner geografischen Verbreitung und geschichtlichen Entwicklung in archaischen Kulturen vorgestellt und diskutiert werden, fehlt völlig.

Lorenz Jäger hebt die Rolle von Heinrich Schliemann hervor, auf den die Karriere der Swastika Ende des 19. Jahrhunderts zurückgehen soll. Schliemann hatte das Symbol in Troja gefunden und in weiten Kreisen bekannt gemacht. Das Hakenkreuz avancierte Ende des 19. Jahrhunderts in rechtsgerichteten Kreisen zum Symbol der Weltanschauung und Religion der nordischen Rasse. Es wurde zum Symbol ihrer Lebenskraft und sehr schnell zum Symbol des Antisemitismus. Das Buch von Jäger konzentriert sich nun darauf, diese konservativen, reaktionären und antisemitischen Diskurse, die insbesondere von 1900 bis 1945 in einflussreichen Kreisen stattfanden, vorzustellen. So sehen Schuler und Klages in dem Symbol ein vorchristliches Zeichen antiker ekstatischer Lebensführung, die sie wiederaufleben lassen wollen. Strindberg und viele andere interpretieren es als Symbol des Rassenkampfes gegen Genverschlechterung durch so genannte niedere Rassen. Rosenberg sieht im Hakenkreuz die vorchristliche germanische Kultur verkörpert, die sich im Nationalsozialismus wieder auf ihre Ursprünge besinnen muss, um den Rassenkampf gewinnen zu können.

"So war die Lage um 1900: Man hatte eine Vorstellung vom Rassenkampf als Geschichtsgesetz, man hatte eine arische Rasse – und ein Symbol, ein Feldzeichen, das man dieser zuschreiben konnte, unabhängig übrigens von der Ableitung seiner Bedeutung im Einzelnen. Die Elemente lagen bereit, sie mussten nur noch zusammenkommen."

Jäger zeigt, wie in diesen unterschiedlichen diskursiven, literarischen und politischen Zirkeln seit 1900 das Hakenkreuz als rechtsgerichtetes Symbol endgültig etabliert war. Seit 1900 steht das Hakenkreuz für Germanentum und Antisemitismus, seit 1917 zusätzlich als Symbol gegen den Bolschewismus. Die kommunistischen Räte in Deutschland 1919 und die sowjetischen Truppen in Finnland 1919/1920 werden im Zeichen der Swastika bekämpft. Seit 1919 steht das Hakenkreuz demzufolge im Kampf mit dem kommunistischen Symbol, mit dem Sowjetstern.

Adolf Hitler hat in seinem Buch "Mein Kampf" dargelegt, wie das Hakenkreuz Symbol des Nationalsozialismus wurde. Es waren nach Jäger nicht in erster Linie metaphysische Gründe wie bei Alfred Rosenberg, sondern pragmatische und propagandistische Gründe, die Hitler bewogen haben, das Hakenkreuz als Fahnensymbol der nationalsozialistischen Bewegung auszuwählen und es so 1920 in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Hitler wollte bewusst nicht an die Fahnen des Wilhelminischen Reiches und der Weimarer Republik anknüpfen, sondern das radikal Neue seiner Bewegung entsprechend symbolisieren.

"So war das Symbol über Jahrhunderte in einem Schlaf befangen, aus dem es nun allerdings jäh erwachen sollte. Gerade weil keine bisherige politische Kombination, keine Dynastie und keine Staatslehre mit dem Hakenkreuz dauerhaft verbunden war, weil es weiter zurückreichte als alle anderen Symbole, war es unverbraucht und konnte zum Zeichen des ganz Neuen werden."

Jedoch kann man meines Erachtens Hitlers Entscheidung für das Hakenkreuz nicht als eine rein technische sehen. Ohne die metaphysische Vorverbindung, ohne den rechtsgerichteten Archaismus des Symbols hätte er es wohl kaum als Symbol des Nationalsozialismus ausgewählt. Seit September 1935 wird das Hakenkreuz zur Reichs-, National- und Handelsflagge des Reiches. Aber auch nach 1945 ist die Swastika als Symbol nicht ganz verschwunden. In Finnland, Island und Japan wird sie heute noch für staatstragende Zwecke genutzt.

"Japanische Stadtpläne weisen bis heute die Tempelbezirke durch Hakenkreuze aus. Mindestens einmal pro Jahr kommt es in den Leserbriefspalten der ‚Japan Times’ zu klagenden Einsendungen amerikanischer Touristen, die ihr Unverständnis angesichts der offenen Verwendung von ‚Nazi-Symbolik’ bekunden."

Die Falun Gong Bewegung in China, die die alte religiöse Tradition gegen den Kommunismus aufgeboten hat, steht unter dem Zeichen der Swastika.

"Diese neobuddhistische und taoistisch geprägte Organisation, die in den neunziger Jahren als ernsthafte ideologische Konkurrenz der Kommunistischen Partei Chinas auftrat, bedient sich des buddhistischen Hakenkreuzes in ihrem Emblem. Noch einmal standen der revolutionär-humanistische Stern und die Swastika einander gegenüber… Die Gruppe wurde für die Kommunisten zum gefährlichsten Feind seit langem."

Wenn das Hakenkreuz in Asien auch noch eine gewisse Kontinuität pflegen kann, so sieht Jäger zumindest in Europa das endgültige Aus des archaischen Symbols als unwiderruflich an, wenn er im letzten Satz seines Buches schreibt:

"Außerhalb dieser asiatischen Glaubensgemeinschaften und jenseits von kleinen, marginalisierten Gruppen ist die Geschichte des Hakenkreuzes in Europa zu Ende."

Lorenz Jäger: Das Hakenkreuz
Zeichen im Weltbürgerkrieg - Eine Kulturgeschichte

Karolinger Verlag, Wien u. Leipzig 2006
Lorenz Jäger: "Das Hakenkreuz" (Coverausschnitt)
Lorenz Jäger: "Das Hakenkreuz" (Coverausschnitt)© Karolinger Verlag