Geschäfte mit den Holocaustleugnern

Von Dieter Wulf · 23.07.2010
Deutschland unterhält mit dem Iran seit Jahrzehnten enge wirtschaftliche Beziehungen. Der Politikwissenschaftler Matthias Küntzel hat das Verhältnis zwischen den beiden Ländern untersucht.
Matthias Küntzel: "Ich hab dazu ein kleines Zitat mitgebracht von Hannah Arendt: 'Wäre ich kein Jude, sondern gehörte irgendeinem anderen europäischen Volke an, mir würden sich vor Angst die Haare auf dem Kopf sträuben, sobald einem Juden ein Haar gekrümmt wird.'

Wenn es nur einigermaßen rational auf dieser Welt zuginge, müssten sich in 192 Regierungen, die in den Vereinten Nationen vertreten, sind die Haare auf dem Kopf sträuben, wenn Ahmadinedschad und seinesgleichen dem einzigen jüdischen Staat auf dieser Welt mit Vernichtung drohen."

Seit Jahrzehnten werden im Iran die Menschenrechte mit Füßen getreten. Im letzten Jahr wurden die Wahlen gefälscht, die Opposition wird brutal verfolgt. Auch dass gefoltert wird, ist nachweislich bekannt. Und nun greift das Regime, das seit fünf Jahren systematisch den Holocaust leugnet und die Vernichtung Israels fordert, auch nach der Atombombe. Genau mit diesem Land, dem Iran, unterhält Deutschland seit Jahrzehnten die bei Weitem engsten wirtschaftlichen Beziehungen aller westlichen Staaten. Das war für Matthias Küntzel der Ausgang einer umfangreichen Recherche:

"Wie kann das sein, dass wir die Nachkommen der Haupttäter des Holocaust mit dem Land der heutigen Holocaustleugner so enge wirtschaftliche Beziehungen unterhalten und sein privilegiertes Verhältnis unterhalten. Wie kann das sein? Wie kann so eine Außenpolitik möglich sein vor dem Hintergrund des Bekenntnisses 'wir hätten von der Geschichte gelernt'?".

Die Ergebnisse seiner Recherchen veröffentliche der Politologe vor einigen Monaten in dem Buch "Die Deutschen und der Iran". Ein ganz besonderes, sehr intensives Verhältnis, das bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht, aber das in der allgemeinen deutschen Öffentlichkeit fast völlig unbekannt ist.

"Die Tatsache, dass es ein wirklich sehr spezielles Verhältnis seit über hundert Jahren gibt - seit über hundert Jahren -, diese Tatsache ist in Deutschland so gut wie gar nicht bekannt. Wenn Sie zum Beispiel bei Wikipedia, dieser Enzyklopädie im Internet, mal auf Englisch angeben 'German Iranian relationship', finden Sie viele Seiten Text darüber. Wenn Sie das auf Französisch mal machen, dann finden Sie auch in Frankreich viel Text über die deutsch-iranischen Beziehungen.

Wenn Sie dasselbe auf Deutsch versuchen, finden Sie kein Stichwort. Das heißt, das Bewusstsein darüber, dass es diese speziellen Beziehungen gibt, ist gar nicht vorhanden."

Und dieses spezielle Verhältnis bedeutet eben auch intensivste Wirtschaftsbeziehungen. Mehrere Tausend deutsche Firmen sind im Irangeschäft engagiert. Alleine 2009 lieferten deutsche Firmen Waren an den Iran im Wert von über 3,7 Milliarden Euro. Und während ansonsten überall aufgrund der Wirtschaftskrise die Exportzahlen zurückgingen, verzeichneten die deutschen Maschinenbauer 2009 im Iranhandel sogar einen Zuwachs von 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Und das trotz der nuklearen Ambitionen des Iran und trotz der offen und immer wieder erneuerten Androhung, Israel auslöschen zu wollen.

Dabei sei ein Iran mit Atomwaffen bei Weitem nicht nur eine Bedrohung für Israel, betonte der Abrüstungsexperte von der Stiftung Wissenschaft und Politik, Oliver Thränert:

"Es besteht die Gefahr, dass es zu einer nuklearen Aufrüstung im gesamten Nahen und Mittleren Osten kommt und wenn dieses passiert, bedeutet es, dass wir einen Rüstungswettlauf, einen nuklearen Rüstungswettlauf bekommen in einer Region, die voll ist mit allen möglichen verschiedenen Konflikten.

In einer Region, wo nukleares Lernen - wie bei Sowjets und Amerikanern nach der Kubakrise stattgefunden hat - sehr unwahrscheinlich ist. Niemand glaubt an rote Telefone, die in einer Krise benutzt werden können zwischen Israel und Iran."

So bedrohlich dies auch klingt, wahrscheinlich könne man den Griff Irans nach der Atombombe schon jetzt nicht mehr verhindern, meinte Oliver Thränert:

"Wenn der diplomatische Weg, den man jetzt über sechs, sieben Jahre versucht hat, absehbar nicht zu einem Erfolg führt. Wenn absehbar ist, dass Sanktionen nicht zu einem Erfolg führen. Dann bleiben am Ende des Tages nur noch zwei Möglichkeiten. Entweder man akzeptiert, dass so wie Iran die Atomentwicklung vorantreiben wíll und versucht politische Gegenstrategien oder man geht militärisch gegen dieses Atomprogramm vor."

Militärisch vorzugehen sei extrem gefährlich, warnte der Wissenschaftler. Eigentlich bleibe da nur noch, sich mit Raketenabwehrsystemen auszustatten. Das aber bedeute doch nur, dass die Weltgemeinschaft sich längst mit dem Terrorregime Iran arrangiert habe, konterte Matthias Küntzel. Dabei hätte gerade Deutschland und die deutsche Wirtschaft den Schlüssel in der Hand, um den Iran wirklich unter Druck zu setzen.