Gerüstet für den Cyber-War

Israels zukünftige Cyberhelden

Zahlenkolonnen laufen auf einem Computerbildschirm.
Israel ist Vorreiter bei der Entwicklung von Apps und Software - und in der Cyberabwehr. © dpa / Alexey Malgavko
Von Lissy Kaufmann · 08.09.2017
Israel, die Start-up-Nation, ist Vorreiter bei der Entwicklung von Apps und Software - und in der Cyberabwehr. Das liegt auch an der konsequenten Nachwuchsförderung. Armee und High-Tech-Firmen arbeiten hier produktiv zusammen.
Ein Donnerstagabend in einem modernen Bürogebäude in Tel Aviv. Hier sitzt die israelische Hightech-Firma Checkpoint, die Software für Computersicherheit herstellt. Was hier nach einer Büroparty klingt, ist in Wirklichkeit eine Cybernight für Jugendliche aus ganz Israel, die sogenannte "Magshimim Ultimate Challenge".
220 Jugendliche sitzen in Sechser-Teams an Tischen vor ihren Laptops. Einige von ihnen tragen – je nach Team – bunte Plastikhüte oder einheitliche T-Shirts. Von sieben Uhr abends bis 5 Uhr 30 in der Früh werden die jungen Computerexperten verschiedene Aufgaben lösen und dabei ihre Programmierkenntnisse einsetzen. Einer von ihnen ist der 18-jährige Ido Zur.
"Es ist sehr aufregend, es ist das Highlight des Jahres. Wir kommen aus dem ganzen Land und die Herausforderungen heute Abend sind spannend und drehen sich um die Themen, die wir behandelt haben. Wirklich aufregend."
Ido und die anderen Jugendlichen sind allesamt Teilnehmer von Magshimim, einem außerschulischen Programm, in dem Jugendliche aus ganz Israel in die Welt der Bits und Bytes eintauchen und programmieren lernen.

Fun und Landesverteidigung

Das Programm wurde vor einigen Jahren vom Verteidigungsministerium und von der Rashi-Stiftung ins Leben gerufen. Verschiedene Einrichtungen wie das Büro des Premierministers unterstützen das Projekt. Ziel ist es, den Cybernachwuchs zu fördern, erklärt Ofir Ben Yair, der für die Schülerinnen und Schüler aus dem Zentrum des Landes und Jerusalem zuständig ist:
"Weltweit fehlen unheimlich viele Cyberexperten, auch in Israel. Doch Israel ist da schon einen Schritt weiter. Wir sind nicht nur gut in Sachen Cyber, sondern auch in Sachen Ausbildung. Wir sind unheimlich stolz darauf, dass wir den Jugendlichen im Alter von 16,17,18 Jahren dieses Wissen mitgeben können. Denn die Cyberwelt, das Programmieren, Computer, das alles ist eine Sprache. Und je jünger man ist, desto einfach fällt einem das Sprachenlernen."
Die Schülerinnen und Schüler beginnen im Alter von 15 Jahren, am Programm teilzunehmen. Vertreter von Magshimim stellen das Programm vor – und zwar in Schulen im ganzen Land, auch in eher kleineren Orten im Norden und im Süden.

Zielgruppe: Mädchen und Jugendliche aus der Peripherie

Ofir Ben Yair: "In unserem Programm sind auch Jugendliche aus der Peripherie und solche, die nur geringen Zugang zu Technologie haben. Also der Teil der Bevölkerung, der eher seltener Computerwissenschaften und programmieren lernt. Nicht, dass sie nicht gut wären, es sind gute Schüler, aber dieses Gebiet ist ihnen eher fremd. Und wir wollen auch diesen Leuten die Chance geben, bei uns zu lernen."
Auch Mädchen sollen gefördert werden. Denn die, so sagt Ofir Ben Yair, seien sehr gute Programmiererinnen. Doch derzeit machen sie nur rund 30 Prozent der Teilnehmer aus. Magshimim versuche deshalb, vor allem Mädchen zu ermutigen, mitzumachen und sie im Programm zu stärken. Eine von ihnen ist die 18-jährige Bar Adar aus Ashdod. Als sie vor drei Jahren einstieg, hatte sie vom Programmieren keine Ahnung, dafür aber ein großes Vorbild.
"Als ich 14 Jahre alt war, habe ich die Serie 24 (twentyfour) angeschaut, und im Mittelpunkt dieser Serie steht ein Computergenie. Ich fand es unheimlich spannend, wie er mit seinem Computer bedeutungsvolle Dinge gemeistert hat. So begann ich, mich für dieses Fach zu interessieren. Und dann kam der Vertreter von Magshimim in unsere Schule, es war, als ob jemand ein Licht anknipste. Und so habe ich angefangen, dieses Feld zu erkunden."

Armee, Uni, Start-up gründen

Sie begann, an zwei Tagen in der Woche nach der Schule Kurse zu besuchen. Hausaufgaben und einige Projekte kamen dazu. Und während ihre Freunde in den Sommerferien mehrere Woche frei hatten, traf sie sich mit den anderen Teilnehmern im Magshimim-Sommercamp, kam der Cyberwelt immer näher und verstand immer besser, wie Computer funktionieren und was es heißt, Systeme zu programmieren. Heute ist sie sich sicher, dass sie später auch in diesem Bereich arbeiten möchte.
Bar Adar: "In der Armee werde ich in einer Nachrichtendienst-Einheit dienen. Nach der Armee möchte ich gerne in der Hightech-Industrie arbeiten, hier oder sonst wo in der Welt. Und ich möchte das auch an der Uni studieren, dann kann ich mich weiterentwickeln, vielleicht auch ein Start-up gründen."
Und auch die anderen Teilnehmer sehen in "Magshimim" eine Vorbereitung auf die Zeit nach der Schule. Der 18-jährige Ido Zur aus Afula zum Beispiel.
"Ich hoffe, dass ich auch in der Armee in diesem Bereich arbeiten werde und auch danach in dieser Industrie unterkommen und dort eine führende Rolle einnehme."

Spaß, Kaffee und hart arbeiten

Tatsächlich sind an diesem Abend auch Vertreter der Armee da. Schließlich hat das Verteidigungsministerium das Programm mitgegründet. Auch Herzi Halevi ist gekommen, der Chef der Abteilung für militärische Aufklärung, genannt Aman. In einer kurzen Pause erzählt er den Jugendlichen, welche Herausforderung die Cyberwelt für die Sicherheit darstellt – und das Aman eine großartige Abteilung für den Armeedienst sei. Doch auch wenn die Armee Hightechnachwuchs benötigt: Magshimim ist kein Vorbereitungskurs für die Armee, betont Ofir Ben Yair.
"In der Armee gibt es ganz spezifische Kurse, je nachdem, was die Armee eben braucht, das ist je nach Einheit anders. Natürlich wird ihnen das Grundwissen helfen, das sie bei uns gelernt haben. Das hilft immer. Aber wir sind kein Vorbereitungskurs für die Armee."
Und an diesem Abend soll es auch nicht darum gehen, einen Platz für den Armeedienst zu finden, den haben die meisten der 18-Jährigen schon. Die Magshimim Ultimate Challenge soll vor allem Spaß machen. Und ganz nebenbei lernen die Jugendlichen noch, in Teams zu arbeiten, hartnäckig und unermüdlich, um bis zum Morgengrauen die Rätsel und Aufgaben zu lösen. Wie sie es schaffen, so lange wach und fit zu bleiben? Bar Adar und ihr Team haben sich vorbereitet:
"Wir haben uns vorher ausgeruht und außerdem gibt es ja auch Kaffee", sagt die 18-Jährige. "Und diese Form der Vorbereitung kann sicher auch später, in der Armee und im Beruf, ganz hilfreich sein."
Mehr zum Thema