"Ein hochproblematisches Buch"
Mithu Sanyal im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 25.09.2018
Vergewaltigung sei keine Gewalt, sondern nur schlechter Sex: Das ist eine der Thesen, die die umstrittene Feministin Germaine Greer in ihrem Essay "On Rape" verbreitet. Die Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal nimmt das Buch auseinander.
Eines möchte Mithu Sanyal vorweg bekennen: Sie schätze Greer sehr, denn sie sei "unglaublich erfrischend" und habe keine Angst, Dinge auszusprechen, von denen sie bereits wisse, dass niemand ihr zustimmen werde. Was allerdings "On Rape" betreffe, so sei das Buch – vorsichtig ausgedrückt – "wirklich hochproblematisch".
Geschlechterrollen wie aus den 50ern
So behaupte Greer, Vergewaltigungen könnten nur Männer Frauen antun, "was nicht nur falsch, sondern auch sehr schädlich ist", wie Sanyal ergänzt. Greer gehe sogar noch einen Schritt weiter und erkläre, dass bei "Heterosex" die Vergewaltigung und nicht einvernehmlicher Sex die Norm sei.
Greer reproduziere damit den Mythos des Mannes, der immer wolle und der Frau, die es nur ihm zuliebe mache oder um des lieben Friedens willen. "Das sind sexuelle Geschlechterrollen aus den Fünfzigerjahren, die hier ungefragt wiederholt werden", kritisiert Sanyal, Autorin des Buches "Vergewaltigung – Aspekte eines Verbrechens".
Greer hätte ihr Buch "On Bad Sex" nennen sollen
Zu Greers These, Vergewaltigung sei keine Gewalt, sondern nur schlechter Sex, sagte Sanyal, dass in Deutschland de jure bis 2016 bei einem Prozess Gewalt nachgewiesen werden musste. Erst seit dieser Strafrechtsreform gelte: "Nein heißt Nein".
Daraus folge aber noch lange nicht, dass Vergewaltigung schlechter Sex sei: "Natürlich gibt es große Unterschiede zwischen schlechtem Sex und sexuellen Verbrechen." In Greers Buch gehe es aber an vielen Stellen um schlechten Sex. "Da hätte sie das Buch vielleicht lieber 'On Bad Sex' nennen sollen und nicht 'On Rape'. Nur hätte sich das dann wahrscheinlich nicht so gut verkauft", so Sanyal. (bth)