Gerhardt setzt auf Merkel statt Beck

Moderation: Jörg Degenhardt |
Wolfgang Gerhardt setzt für die Bundestagswahl 2009 auf eine schwarz-gelbe Koalition. Die Wählerschaft seiner Partei erwarte die Liberalen eher an der Seite von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als an der Seite des SPD-Vorsitzenden Kurt Beck, sagte der frühere FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzende.
Jörg Degenhardt: Ampel, Schwampel oder Rot-Rot-Grün, werden Dreierbündnisse in Fünf-Parteien-Parlamenten zum Modell der Zukunft? Gerade die jüngste Wahl in Hessen hat es deutlich gemacht: Die beiden großen Parteien brauchen künftig zum Regieren zwei kleine Partner, wenn sie eine Große Koalition vermeiden wollen. Noch steht die Ampel in Wiesbaden auf Rot, das Werben von Frau Ypsilanti für ein Bündnis aus SPD, Grünen und FDP lässt Letztere scheinbar gänzlich kalt, noch jedenfalls. Können sich die Parteien neuen Bündnissen auf Dauer verschließen, was gewinnen, was verlieren sie dabei? Darüber möchte ich mit Wolfgang Gerhardt reden. Der Hesse war Partei- und Fraktionschef der Liberalen und ist jetzt Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung. Guten Morgen, Herr Gerhardt!

Wolfgang Gerhardt: Hallo, guten Morgen, Herr Degenhardt!

Degenhardt: Bleiben wir gleich in Ihrem Bundesland, in Hessen. In Darmstadt, Offenbach und Kassel gibt es Ampelkoalitionen aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen, die erstaunlich reibungslos funktionieren. Die Landeshauptstadt Wiesbaden wird von einer Jamaika-Koalition oder von einer schwarzen Ampel, von einer Schwampel kann man auch sagen, aus CDU, FDP und Grünen regiert. Warum sind Sie immer noch dagegen, es auch mal auf Landesebene zu probieren?

Gerhardt: Wir haben angeboten, unser Spitzenkandidat Jörg-Uwe Hahn, dass wir mit den Grünen sprechen wollen, ob es eine Konstellation CDU/FDP/Grüne geben kann. Aber auch das hängt ja davon ab, dass man nicht nur Sitze zusammenzählt, sondern hängt davon ab, welche Politik man denn machen kann.

Degenhardt: Das heißt, in Richtung SPD sind Sie da weniger offen?

Gerhardt: Man muss es ganz einfach sagen, dass es nicht um die Frage Offenheit geht. Die SPD hat ja nun eine Entwicklung mit Herrn Beck genommen, die sie in die linke Richtung drängt, das wird ja doch gar nicht zu leugnen sein, das ist völlig klar. Das ist ja keine SPD, die zur Mitte strebt. Und Frau Ypsilanti hat einen ausgesprochenen Wahlkampf sogar mit überwiegend Themen geführt wie ihn die Linke in Hessen auch geführt hat.

Degenhardt: Aber Entschuldigung, Herr Gerhardt, das verstehe ich nicht ganz. Es heißt immer, die SPD soll sich um die Wähler am linken Rand kümmern, um die Linkspartei nicht stärker zu machen, das heißt, sie muss doch dann auch nach links rücken und sie einsammeln?

Gerhardt: Ich halte diese Empfehlung, die Frau Merkel der SPD gegeben hat, für glatt falsch. Die SPD muss einen Weg antreten, der sie in die Mitte führt. Sie läuft aber jetzt den Themen der Linken hinterher, deshalb müssen wir aber nicht der SPD hinterherlaufen.

Degenhardt: Noch mal, die Wähler sind flexibel, sie entscheiden sich heute für diese und bei der nächsten Wahl schon für eine andere Partei. Heißt das nicht auch, dass die Parteien selbst beweglicher werden müssen?

Gerhardt: Nein, dann würden wir ja beliebig. Wir müssen schon sagen, was wir politisch wollen. Die FDP hat in Hessen ein fulminantes Wahlergebnis erzielt, aber mit ihren Themen auch, die marktwirtschaftlich orientiert sind, das ist die SPD nicht mit Frau Ypsilanti. Die den Flughafen bejaht als den Arbeitsplatzfaktor und Wachstumsfaktor in Hessen, das ist Frau Ypsilanti nach ihrer Überzeugung nicht. Wir glauben auch nicht, dass die Energieversorgung, das meint ja auch Herr Clement, so gesichert werden kann, wie das Frau Ypsilanti meint. Also man kann ja viel über Konstellationen reden, ich verstehe auch, dass das für Medienlandschaften ganz spannend ist, aber für die Wähler zählt auch ein Stück Glaubwürdigkeit und Festhalten an eigenen politischen Zielen.

Degenhardt: Das ist klar, und natürlich hat jede Partei auch ihren Wunschpartner, das sagt sie ja auch im Wahlkampf. Aber muss es nicht auch so etwas wie einen Plan B geben? Oder habe ich Sie so verstanden, Herr Gerhardt, der Plan B für Hessen sähe so aus, dass Sie sich durchaus etwas vorstellen könnten, gemeinsam mit Union und mit Grünen?

Gerhardt: Das hatten wir gesagt, das haben wir immer noch als eine Vorstellung, die realistisch erscheint. Das hängt aber nun von den Grünen ab. Es geht ja nicht nur die Forderung an die FDP, die Grünen müssen ja auch überlegen, wie sie sich in einer solchen Konstellation verhalten.

Degenhardt: Es gibt Beobachter, die meinen, Guido Westerwelle, also der Parteichef Ihrer Partei, der FDP, habe die Liberalen dahin geführt, dass sie sich zu keiner anderen Koalition als mit der CDU mehr in der Lage sähen?

Gerhardt: Wir können uns immer mit demokratischen Parteien unterhalten, aber die Richtung muss dann eben stimmen. Es gab eine sozialliberale Koalition mit Willy Brandt, es gab sie mit Helmut Schmidt, da war aber die SPD nicht auf dem Wege, einer linken Partei hinterherzulaufen. Wir hatten große Einvernehmenspakete in der Deutschlandpolitik. Das ging auf eine sehr solide Sicherheitspolitik hinaus. Das war stimmig. Aber das ist heute eben anders. Die SPD hat einen Weg wirklich eher nach links angetreten. Sie vertritt eine alte Arbeitsmarktpolitik, sie bewegt sich nicht in den sozialen Sicherungssystemen. Und ich möchte die Kommentare in deutschen Zeitungen nicht lesen, wenn die FDP wieder als Umfallerpartei bezeichnet wird und diese ältliche Politik der SPD dann auch mit zu vertreten hat. Das kommt wirklich nicht infrage.

Degenhardt: Dann schauen wir doch gleich mal in Ihren potenziellen Bündnispartner, in die Partei hinein, in die Union. Da erleben wir derzeit einen Richtungsstreit. CSU-Vize Seehofer warnte gestern, mit der Reduzierung auf Wirtschaftsthemen allein seien keine Mehrheiten zu gewinnen, da hatte er schon wahrscheinlich die Bundestagswahlen im Blick gehabt. Und er setzte noch eins drauf, die eigentlichen Reformverhinderer unserer Zeit, das sind seiner Meinung nach die neoliberalen Radikalreformer. Fühlen Sie sich da angesprochen?

Gerhardt: Nein, gar nicht, weil Herr Seehofer wahrscheinlich im Geschichtsunterricht gefehlt hat. Die Neoliberalen waren gerade die, die eine Marktwirtschaft mit Spielregeln haben wollten. Aber es ist eben einfacher und bequemer zu diffamieren, anstatt sich wirklich auch historischen Wahrheiten zu stellen. Wir sind eine innovative Partei, wir erschöpfen uns nicht in Marktwirtschaft. Wenn Herr Seehofer andere Vorstellungen einer Wirtschaftsordnung hat, müsste er sie benennen. Die Union hat zweifellos auch diese Positionen ältlicher Politik wie bei Herrn Seehofer und nutzt alle Möglichkeiten zu Angriffen gegen die FDP. Aber es gibt eben auch in der Union, sie haben leider gegenwärtig und finden ihre Stimme nicht, ein großes Potenzial von Menschen, die in unsere Richtung gehen wollen. Mit denen brauchen wir ein Bündnis. Die sehen, dass sie in einer Großen Koalition ja eher unterliegen.

Degenhardt: Was heißt das nun für Ihre Partei und für den Bundestagswahlkampf 2009, klare Avancen an die Union, dass Sie von vornherein sagen, nur mit dieser Partei und mit sonst keiner? Und zum Zweiten inhaltlich, Sie setzen im Gegensatz zu anderen auf Wirtschaftsthemen.

Gerhardt: Nein, ich setze auch auf Wirtschaftsthemen, aber nicht allein. Es muss mir nur jemand mal sagen, ob Deutschland aus der größten Katastrophe seiner Geschichte ohne Leistungsbereitschaft, ohne marktwirtschaftliche Ordnung und ohne freiheitliches Politikangebot herausgekommen wäre. Diese Überheblichkeit gegenüber Marktwirtschaft! Man kann sich ja in aller Welt die Systeme ansehen, die nicht marktwirtschaftlich sind. Dort entwickelt sich im Grunde unkontrollierte wirtschaftliche und politische Macht. Wir setzen auf Bildungspolitik. Wir haben eine gewaltige Aufgabe vor uns, nicht mehr allein bei Schulen, schon nicht zu viel Potenzial an Kindern verlieren zwischen Geburt und Beginn des Schulbesuchs. Das ist für die FDP ein ganz entscheidendes Thema. Wir gehen in kulturpolitische Dimensionen, wir sind international orientiert.

Degenhardt: Und Sie setzen auf eine klare Koalitionsaussage zugunsten der CDU?

Gerhardt: Wir wollen in die nächste Bundestagswahl gehen, und das wird sicher so sein, dass ein Parteitag die wesentlichen Themen beschließt und dann auch eine Richtungsanzeige gibt. Einmal ganz platt gesagt: Ich kann mir nicht vorstellen, dass die FDP gegenwärtig Herrn Beck folgen will, und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass eine Kanzlerin Angela Merkel, mit der die Union sicher in den nächsten Wahlkampf geht, von uns dann etwas zur Seite gerückt wird. Ich erwarte von einer Wählerschaft der FDP, wie wir sie gegenwärtig haben und wie wir sie auch gewinnen können, eher, dass sie uns an der Seite von Frau Merkel sehen will als an der Seite von Herrn Beck.