Gerasimos Bekas: "Alle Guten waren tot"

Eine fränkisch-griechische Irrfahrt

Buchcover "Alle Guten waren tot" von Gerasimos Bekas
"Alle Guten waren tot" verbindet die heutige Lebenswelten in Griechenland und Deutschland mit düsteren Kapiteln der Vergangenheit. © rowohlt / picture alliance / ANE
Von Rainer Moritz · 17.01.2019
In seinem Debütroman "Alle Guten waren tot" führt Gerasimos Bekas den Leser aus der Gegenwart zurück in die Vergangenheit, bis zu den NS-Gräueltaten in Griechenland. Dass er das bei allem Ernst mit Witz tut, macht den Roman allemal lesenswert.
Dafür gibt es keine Originalitätspunkte: Der Debütroman des in Griechenland und in Franken aufgewachsenen Gerasimos Bekas setzt in einem der beliebtesten Schauplätze der deutschen Gegenwartsliteratur ein: in einem Altenpflegeheim. Dort, in Würzburg, geht Bekas' Protagonist, der junge "Deutschgrieche" Aris Kommenos-Stein, seiner Arbeit als Pfleger nach.
Übergroßes Engagement legt er dabei nicht an den Tag, stattdessen ordert er gern Guinness im Sonderangebot, denkt darüber nach, ob ihn Krankenschwester Sibel mit ihren aparten erotischen Vorlieben nicht überfordert, und schlüpft unter, im Haus seiner Eltern Helmut und Gitte. Wo und wann er von diesen angenommen wurde und was es mit seiner Herkunft auf sich hat, ist einer der zentralen Erzählstränge dieses erfrischenden Romans.

Abenteuerliche Erkundung

Der Zufall – in Gestalt der 89-jährigen Heiminsassin Frau Xenaki – führt dazu, dass Aris in sein Geburtsland aufbricht, um einen geheimnisvollen Koffer, der das Erbe für Frau Xenakis Enkelin enthalten soll, aufzuspüren. Bekas nutzt diese Mission für eine abenteurerreiche Erkundung des gegenwärtigen, von Schulden, Elend und Bauernschläue geprägten Griechenlands. Da es Aris schon Probleme bereitet, seinen ersten Mittelsmann, den Kiosk-Betreiber Stelios, ausfindig zu machen, ist er auf die Unterstützung des durchgedrehten Taxifahrers Sakis angewiesen – was die Sache nicht unkomplizierter macht.
So setzt sich der Roman aus einer Vielzahl eigenwilliger Figuren zusammen, die versuchen, als unfreiwillige Lebenskünstler sich durch das allenthalben spürbare gesellschaftliche Chaos zu winden. Das ist gewitzt erzählt, besticht durch pointierte Dialoge, lässt Wolfgang Schäuble nicht unerwähnt und benennt das architektonische Grauen Athens schonungslos.
Der Omonia-Platz an der gleichnamigen Metro-Station wirkt so "wie eine Tiefgarage, über der eine gigantische Betonmischmaschine ausgelaufen war", von dem in den Boden eingebrannten Taubenkot ganz zu schweigen.

Gegenwart und Vergangenheit sind verwoben

Aris’ Rundreise führt schließlich zu Frau Xenakis Koffer, der natürlich nicht das Erwartete enthält. Nach und nach enthüllt sich zudem, wie Aris an seine deutschen Eltern kam. Diese machten sich als politisch Gutgewillte in den 1970er-Jahren nach Griechenland auf, um das Unrecht, das die Nazis den Einheimischen angetan hatten, wiedergutzumachen. Mit diesem Teil der griechischen Geschichte hat dann der zweite, 1943 einsetzende Erzählstrang zu tun. Aus Angst vor den deutschen Soldaten flieht der junge Stylianos aus seinem Dorf und will auf dem Berg Athos untertauchen. Er gelangt jedoch nur in das kleine Kloster Megaspiläon und entkommt dessen Zerstörung durch die Wehrmacht wiederum nur knapp.
Mit Megaspiläon ist ein symbolträchtiger Ort der Nazi-Invasion benannt, und Aris' Name deutet auf einen weiteren hin: auf das Dorf Kommeno in der Region Epirus, wo die Deutschen am 16. August 1943 über 300 Einwohner, darunter viele Jugendliche und Kleinkinder, ermordeten.
Wie es Gerasimos Bekas gelingt, seine mutige Erzählkonstruktion zusammenzuhalten und am Ende kunstvoll die Stränge von Gegenwart und Vergangenheit aufeinander zulaufen zu lassen, das ist aller Ehren wert. Und dass er das bei allem Ernst mit Witz tut, macht seinen Roman allemal lesenswert.

Gerasimos Bekas: Alle Guten waren tot
Roman
Rowohlt, Reinbek 2018
256 Seiten, 20 Euro

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