Genomforschung

Hefe wird künstlich

Von Michael Lange · 28.03.2014
Seit einigen Jahren bemühen sich Forscher darum, das Genom der Hefe synthetisch nachzubauen. Jetzt stellen die Wissenschaftler in "Science" die erste Etappe auf dem Weg zur künstliche Hefe vor: das Chromosom 3.
Mit dieser Hefe könnte man auch Brot backen oder Bier brauen. Aber dafür wäre sie zu kostbar. Denn die Hefe von der Johns-Hopkins-University in Baltimore besitzt ein Chromosom, das vollständig im Labor zusammen gesetzt wurde. Base für Base, also Buchstabe für Buchstabe. Insgesamt 270.000 genetische Bausteine. Das künstliche Chromosom trägt die Nummer drei und ist nur eines von vielen, erklärt Jutta Heim. Sie forscht mit Hefe beim Schweizer Biotechnologie-Unternehmen Evolva.
"Die Hefe hat im Grunde genommen 16 Chromosomen, und sie kann die wesentlichen Reaktionen einer komplizierter gestalteten Zelle ausführen, wie die einer Herzmuskelzelle oder einer Nervenzelle."
Die Hefe ist ein einzelliger Pilz und als Eukaryot besitzt sie wie Pflanzen, Tiere oder Menschen einen Zellkern. Darin befinden sich mit Proteinen verpackt – viele unter dem Mikroskop sichtbare Chromosomen – wie beim Menschen. Genetisch gesehen ist die Hefe mit dem Menschen enger verwandt als mit den Bakterien.
Deshalb wählte Jef Boeke die Hefe als Versuchsobjekt, um - wie die Wissenschaftszeitschrift Science schreibt - den Mount Everest der synthetischen Biologie zu erklimmen.
"Wir bauen keine Eins-zu-eins-Kopie der natürlichen Hefe, sondern eine leicht veränderte Version – gewissermaßen eine überarbeitete Version."
Das künstliche Chromosom drei ist eines der kleinsten Hefe-Chromosomen. Nun ist es das erste, das fertig wurde. Dabei fällt auf, dass das im Labor synthetisierte Chromosom etwas kleiner ist als sein natürliches Vorbild.
"Wir können die Hefe fortlaufend verändern, während sie sich vermehrt. Dabei haben wir einzelne Bereiche aus dem Hefechromosom entfernt, und das Erbgut wurde immer kleiner. So wollen wir das Erbgut der Hefe minimieren."
Der Hefe fehlen einige unnötige Sequenzen, aber auch solche, die ihr das Überleben in der Umwelt erleichtern oder erst ermöglichen. Ihre Leistungsstärke zeigt sie nur im Innern eines Fermenters oder Bioreaktors. Sie soll unter kontrollierten Bedingungen einfach, schnell und sauber verschiedene Produkte produzieren, wie Medikamente, Nahrungsergänzungsmittel oder Kosmetika.
An das künstlich zusammen gebaute Erbmaterial sollen sich verschiedene Gene aus Pflanzen oder Tieren koppeln lassen. Jef Boeke bezeichnet seine Konstruktion deshalb als Designer-Chromosom. Biotechnologen können es relativ einfach und kreativ verändern. Denn die einzelnen Komponenten lassen sich immer wieder aufs Neue mischen oder umrühren, wie Jef Boeke sagt.
"Durch Rühren können aus einem Genom viele verschiedene Erbgutvarianten hervorgehen. Wir planen 5000 Stellen in das Hefe-Erbgut einzusetzen, an denen wir Erbmoleküle verschieben und neu verknüpfen können. So entsteht eine extrem hohe Zahl von Kombinationsmöglichkeiten."
Wie ein Kartenspiel sollen sich die Gene der Hefe mischen lassen. Dazu haben Jef Boeke und seine Mitarbeiter bereits 98 Gene mit Erkennungssequenzen flankiert. Solche Markierungen sollen sich später über das ganze Hefe-Erbgut erstrecken. Durch ständiges Mischen könnte eine Art Evolution im Zeitraffer ablaufen.
Bis dahin müssen jedoch noch 15 weitere Hefe-Chromosomen im Labor zusammen gebaut werden. Das sind 20 Millionen Erbgut-Bausteine. Das Chromosom Nummer drei mit seinen 270.000 Bausteinen ist da nur ein Anfang. Es macht gerade einmal 1,5 Prozent des gesamten Hefe-Erbguts aus.
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