"Geißel des Sports"
Der Vorsitzende der Nationalen Anti-Doping Agentur (NADA), Armin Baumert, rief zu mehr Einsatz im Kampf gegen leistungsfördernde Mittel auf. Man sei zwar den Tätern auf der Spur, habe sie aber noch nicht eingeholt, sagte Baumert. Der Anti-Doping-Einsatz müsse global geführt werden.
Hanns Ostermann: Er war felsenfest davon überzeugt: in Peking wird gedopt was das Zeug hält. Gemeint ist einer der renommiertesten deutschen Fachleute auf diesem Gebiet: Professor Werner Franke aus Heidelberg. Was er heute denkt, weiß ich nicht. Fakt ist aber: die Dopinglawine blieb aus. Da wurden zwar einige überführt und bestraft und bei nicht wenigen Leistungen rieb man sich die Augen. Trotzdem: ob das Reich der Mitte auch das Reich der Mittel war, das ist derzeit eine offene Frage. Wir wollen gleich mit Armin Baumert sprechen, dem Vorsitzenden der Nationalen Anti-Doping-Agentur.
Wir haben es hier also mit einem weltweiten Problem zu tun. Immerhin: auch ein deutscher Sportler war dabei. – Am Telefon von Deutschlandradio Kultur begrüße ich Armin Baumert, Vorsitzender der Nationalen Anti-Doping-Agentur. Guten Morgen, Herr Baumert!
Armin Baumert: Schönen guten Morgen, Herr Ostermann.
Ostermann: Christian Ahlmann wird die Entscheidung anfechten, sagte er. Er fühlt sich nicht als Dopingsünder, denn auch zuvor habe er diese Salbe gebraucht und sei da nicht aufgeflogen. Haben Sie schon mit ihm geredet?
Baumert: Nein, natürlich nicht. Er hat ja nach dem ersten Tag, wo er sozusagen geoutet wurde, sich dezent zurückgezogen und hat gestern wohl in Marl bei einer eigenen Pressekonferenz mit anwaltlicher Hilfe einen Text verlesen. Das deutet alles darauf hin, dass er sich sehr wohl präpariert für diese juristische Auseinandersetzung.
Ostermann: Die Frage ist ja, um bei diesem Beispiel zu bleiben, Herr Baumert: Stellt dieser Reiter nicht auch Ihrer Arbeit ein schlechtes Zeugnis aus, denn lückenlos klappt die Kontrolle doch offensichtlich auch bei uns nicht.
Baumert: In diesem Fall könnte ich behaupten, dass wir beinahe eine weiße Weste haben, denn für Pferdedoping sind wir, die Nationale Anti-Doping-Agentur, nicht zuständig, das heißt auch nicht für die Kontrollen. Wir kontrollieren die Athletinnen und Athleten und da können wir behaupten und auch nachweisen, dass wir in Deutschland als eine von ungefähr nur 100 Agenturen, die national Trainingskontrollen in der Welt durchführen, bei einer Teilnehmerzahl von 204 Nationen in Peking, im Vorfeld in den letzten acht Wochen, in der hoch sensiblen Trainingsphase also, in der Vorbereitung auf Peking alle deutschen Olympioniken ein- bis siebenmal zusätzlich noch unangemeldet kontrolliert haben – darunter auch 23 olympische Reiter. Aber die Pferde kontrollieren wir wie gesagt nicht. Das ist in der Zuständigkeit des Verbandes und des internationalen Verbandes.
Ostermann: Das heißt, da müsste man doch jetzt nachbessern, um derartige Missstände zu beseitigen?
Baumert: Sicherlich. Die Offiziellen – das haben alle Zuschauer am Fernseher und auch im Hörfunk ja gemerkt – sind sehr verunsichert. Sie sprechen von einem Supergau für den Pferdesport. Wenn sie das so analysieren und so erkennen – das hätte eigentlich schon vor vier Jahren in Athen so sein müssen -, dann müssen Konsequenzen gezogen werden. Man muss an die Hintermänner auch beim Pferdesport heran. Das heißt nicht unbedingt der Reiter. Der trägt natürlich die Verantwortung nach vorne. Er wird sanktioniert. Aber es ist doch wohl klar, dass der Reiter selbst mit seinem Umfeld von Pferdepflegern angefangen, von Tierärzten und von Dealern umgeben ist. Wenn man weiß, dass Pferdesport gleich Pferdehandel international bedeutet, dann weiß man, dass die Gefahren täglich dort lauern.
Ostermann: Sie haben die Hintermänner angesprochen. In der Leichtathletik, im Schwimmen, im Radsport wird gedopt, was das Zeug hält. Davon ist jedenfalls ein Dealer überzeugt, der jetzt als Kronzeuge der US-Justiz zur Verfügung steht. Sind die Sünder, Herr Baumert, nicht um ein Vielfaches weiter als die Fahnder, die Kontrolleure, die Analytik?
Baumert: Das ist deutlich geworden. Herr Thevis und andere Experten, die wir in Deutschland haben, weisen ja immer wieder darauf hin. Wir kontrollieren auf die erkannten Substanzen und auf die damit verbundenen Analysemethoden. Das ist unser momentaner Status. Und wenn man weiß, dass dieser Angel Heredia aus Mexiko, ein überführter Dopingdealer, davon spricht, dass die Substanzen dann in feinsten Dosierungen getunt sozusagen auf den Mann, auf die Frau in wirklich mafiosen Strukturen in den Laboratorien, die im Hinterzimmer irgendwo existieren, dass dort die Feinarbeit im Doping geschaffen wird, dann weiß man, dass wir zwar auf der Spur dieser Täter sind, aber sie noch lange nicht eingeholt haben.
Ostermann: Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie aus Peking?
Baumert: Die Schlussfolgerungen müssen, wenn man sich wirklich auf den Anti-Doping-Kampf weltweit kapriziert – und ich glaube, das ist das Ziel, das muss das Ziel sein -, mit Geduld geführt werden. Wir sind in Deutschland ein gutes Stück vorangekommen. Ich hatte vorhin die Zahlen genannt, die wir unseren deutschen Athleten im täglichen unangemeldeten Kontrollprozess auch zumuten und auch zumuten dürfen, denn die Athleten wollen es so. Sie wollen einen sauberen Sport. Zumindest die deutschen Athleten sind davon überzeugt, es wird keine Umkehr mehr geben. Von daher müssen wir in Europa, in Westeuropa zumindest Allianzen bilden. Wir werden unmittelbar jetzt nach Peking für den nächsten Olympia-Zyklus mit dem deutschsprachigen Raum und auch in Westeuropa diese Allianzen bilden. Aber ich betone noch einmal: Die Welt, die globale Einflusssphäre sozusagen auch für diese Geißel des Sports, ist noch nicht überzeugt davon, jedenfalls noch nicht restlos. Der Verdacht bleibt und die momentanen Olympiasieger und Platzierten muss man alle so empfinden, dass ihr Erfolg ohne Gewähr sozusagen beobachtet wird. Wir haben eine Hoffnung, dass die Proben, die jetzt acht Jahre aufgehoben werden, wirklich so aufgehoben werden, dass sie einer Analytik Stand halten. Ich sage nur, die Temperaturschwankungen können schon eine Probe zerstören. Da muss man fein darauf achten. Das muss das IOC schaffen mit der WADA zusammen, mit der World Anti-Doping-Agency, dass diese Proben wirklich dann auch dem Stand halten, was die Analytik vielleicht nachholt und aufholt. Da wird es mit Sicherheit noch einige Überraschungen geben.
Ostermann: Wenn man das nicht wüsste, das mit den Temperaturschwankungen, ich muss ganz offen sagen: man würde über das IOC oder die WADA, die Welt-Anti-Doping-Agentur, ja nur noch den Kopf schütteln. – Ein Wort aber noch zu dem, was Sie beeinflussen können, was Deutschland beispielsweise betrifft. Investiert die Wirtschaft genug in diesen Bereich, denn die Wirtschaft ist ja im Spitzen-, im Hochleistungssport ein Partner des Spitzensports?
Baumert: Auch dort hat die deutsche NADA jetzt gerade im letzten Jahr, sage ich mal, nicht nur in den Startlöchern gesessen und gebettelt und um Almosen gebeten, sondern wir treten an mit der ganz klaren Option: Wenn der Anti-Doping-Kampf eine ökonomische Basis haben muss, dann darf nicht nur der Staat mit öffentlichen Geldern, nicht nur die Sportverbände mit ihren Möglichkeiten dahinter stehen in der Finanzierung. Dann muss auch die Wirtschaft ganz anders antreten. Momentan ist das noch zu wenig in der Kasse der NADA, um im operativen Tagesgeschäft eine solide Basis zu haben, um vor allen Dingen jetzt in den unangemeldeten Trainingskontrollen eine Quantität und vor allen Dingen eine Qualität zu erreichen, die wirklich dann die Aufholjagd günstiger gestaltet als bisher.
Ostermann: Herr Baumert, danke für das Gespräch.
Baumert: Bitte sehr, Herr Ostermann.
Ostermann: Armin Baumert war das, der Vorsitzende der Nationalen Anti-Doping-Agentur.
Das gesamte Gespräch mit Armin Baumert können Sie bis zum 25. Januar 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio
Wir haben es hier also mit einem weltweiten Problem zu tun. Immerhin: auch ein deutscher Sportler war dabei. – Am Telefon von Deutschlandradio Kultur begrüße ich Armin Baumert, Vorsitzender der Nationalen Anti-Doping-Agentur. Guten Morgen, Herr Baumert!
Armin Baumert: Schönen guten Morgen, Herr Ostermann.
Ostermann: Christian Ahlmann wird die Entscheidung anfechten, sagte er. Er fühlt sich nicht als Dopingsünder, denn auch zuvor habe er diese Salbe gebraucht und sei da nicht aufgeflogen. Haben Sie schon mit ihm geredet?
Baumert: Nein, natürlich nicht. Er hat ja nach dem ersten Tag, wo er sozusagen geoutet wurde, sich dezent zurückgezogen und hat gestern wohl in Marl bei einer eigenen Pressekonferenz mit anwaltlicher Hilfe einen Text verlesen. Das deutet alles darauf hin, dass er sich sehr wohl präpariert für diese juristische Auseinandersetzung.
Ostermann: Die Frage ist ja, um bei diesem Beispiel zu bleiben, Herr Baumert: Stellt dieser Reiter nicht auch Ihrer Arbeit ein schlechtes Zeugnis aus, denn lückenlos klappt die Kontrolle doch offensichtlich auch bei uns nicht.
Baumert: In diesem Fall könnte ich behaupten, dass wir beinahe eine weiße Weste haben, denn für Pferdedoping sind wir, die Nationale Anti-Doping-Agentur, nicht zuständig, das heißt auch nicht für die Kontrollen. Wir kontrollieren die Athletinnen und Athleten und da können wir behaupten und auch nachweisen, dass wir in Deutschland als eine von ungefähr nur 100 Agenturen, die national Trainingskontrollen in der Welt durchführen, bei einer Teilnehmerzahl von 204 Nationen in Peking, im Vorfeld in den letzten acht Wochen, in der hoch sensiblen Trainingsphase also, in der Vorbereitung auf Peking alle deutschen Olympioniken ein- bis siebenmal zusätzlich noch unangemeldet kontrolliert haben – darunter auch 23 olympische Reiter. Aber die Pferde kontrollieren wir wie gesagt nicht. Das ist in der Zuständigkeit des Verbandes und des internationalen Verbandes.
Ostermann: Das heißt, da müsste man doch jetzt nachbessern, um derartige Missstände zu beseitigen?
Baumert: Sicherlich. Die Offiziellen – das haben alle Zuschauer am Fernseher und auch im Hörfunk ja gemerkt – sind sehr verunsichert. Sie sprechen von einem Supergau für den Pferdesport. Wenn sie das so analysieren und so erkennen – das hätte eigentlich schon vor vier Jahren in Athen so sein müssen -, dann müssen Konsequenzen gezogen werden. Man muss an die Hintermänner auch beim Pferdesport heran. Das heißt nicht unbedingt der Reiter. Der trägt natürlich die Verantwortung nach vorne. Er wird sanktioniert. Aber es ist doch wohl klar, dass der Reiter selbst mit seinem Umfeld von Pferdepflegern angefangen, von Tierärzten und von Dealern umgeben ist. Wenn man weiß, dass Pferdesport gleich Pferdehandel international bedeutet, dann weiß man, dass die Gefahren täglich dort lauern.
Ostermann: Sie haben die Hintermänner angesprochen. In der Leichtathletik, im Schwimmen, im Radsport wird gedopt, was das Zeug hält. Davon ist jedenfalls ein Dealer überzeugt, der jetzt als Kronzeuge der US-Justiz zur Verfügung steht. Sind die Sünder, Herr Baumert, nicht um ein Vielfaches weiter als die Fahnder, die Kontrolleure, die Analytik?
Baumert: Das ist deutlich geworden. Herr Thevis und andere Experten, die wir in Deutschland haben, weisen ja immer wieder darauf hin. Wir kontrollieren auf die erkannten Substanzen und auf die damit verbundenen Analysemethoden. Das ist unser momentaner Status. Und wenn man weiß, dass dieser Angel Heredia aus Mexiko, ein überführter Dopingdealer, davon spricht, dass die Substanzen dann in feinsten Dosierungen getunt sozusagen auf den Mann, auf die Frau in wirklich mafiosen Strukturen in den Laboratorien, die im Hinterzimmer irgendwo existieren, dass dort die Feinarbeit im Doping geschaffen wird, dann weiß man, dass wir zwar auf der Spur dieser Täter sind, aber sie noch lange nicht eingeholt haben.
Ostermann: Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie aus Peking?
Baumert: Die Schlussfolgerungen müssen, wenn man sich wirklich auf den Anti-Doping-Kampf weltweit kapriziert – und ich glaube, das ist das Ziel, das muss das Ziel sein -, mit Geduld geführt werden. Wir sind in Deutschland ein gutes Stück vorangekommen. Ich hatte vorhin die Zahlen genannt, die wir unseren deutschen Athleten im täglichen unangemeldeten Kontrollprozess auch zumuten und auch zumuten dürfen, denn die Athleten wollen es so. Sie wollen einen sauberen Sport. Zumindest die deutschen Athleten sind davon überzeugt, es wird keine Umkehr mehr geben. Von daher müssen wir in Europa, in Westeuropa zumindest Allianzen bilden. Wir werden unmittelbar jetzt nach Peking für den nächsten Olympia-Zyklus mit dem deutschsprachigen Raum und auch in Westeuropa diese Allianzen bilden. Aber ich betone noch einmal: Die Welt, die globale Einflusssphäre sozusagen auch für diese Geißel des Sports, ist noch nicht überzeugt davon, jedenfalls noch nicht restlos. Der Verdacht bleibt und die momentanen Olympiasieger und Platzierten muss man alle so empfinden, dass ihr Erfolg ohne Gewähr sozusagen beobachtet wird. Wir haben eine Hoffnung, dass die Proben, die jetzt acht Jahre aufgehoben werden, wirklich so aufgehoben werden, dass sie einer Analytik Stand halten. Ich sage nur, die Temperaturschwankungen können schon eine Probe zerstören. Da muss man fein darauf achten. Das muss das IOC schaffen mit der WADA zusammen, mit der World Anti-Doping-Agency, dass diese Proben wirklich dann auch dem Stand halten, was die Analytik vielleicht nachholt und aufholt. Da wird es mit Sicherheit noch einige Überraschungen geben.
Ostermann: Wenn man das nicht wüsste, das mit den Temperaturschwankungen, ich muss ganz offen sagen: man würde über das IOC oder die WADA, die Welt-Anti-Doping-Agentur, ja nur noch den Kopf schütteln. – Ein Wort aber noch zu dem, was Sie beeinflussen können, was Deutschland beispielsweise betrifft. Investiert die Wirtschaft genug in diesen Bereich, denn die Wirtschaft ist ja im Spitzen-, im Hochleistungssport ein Partner des Spitzensports?
Baumert: Auch dort hat die deutsche NADA jetzt gerade im letzten Jahr, sage ich mal, nicht nur in den Startlöchern gesessen und gebettelt und um Almosen gebeten, sondern wir treten an mit der ganz klaren Option: Wenn der Anti-Doping-Kampf eine ökonomische Basis haben muss, dann darf nicht nur der Staat mit öffentlichen Geldern, nicht nur die Sportverbände mit ihren Möglichkeiten dahinter stehen in der Finanzierung. Dann muss auch die Wirtschaft ganz anders antreten. Momentan ist das noch zu wenig in der Kasse der NADA, um im operativen Tagesgeschäft eine solide Basis zu haben, um vor allen Dingen jetzt in den unangemeldeten Trainingskontrollen eine Quantität und vor allen Dingen eine Qualität zu erreichen, die wirklich dann die Aufholjagd günstiger gestaltet als bisher.
Ostermann: Herr Baumert, danke für das Gespräch.
Baumert: Bitte sehr, Herr Ostermann.
Ostermann: Armin Baumert war das, der Vorsitzende der Nationalen Anti-Doping-Agentur.
Das gesamte Gespräch mit Armin Baumert können Sie bis zum 25. Januar 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio