Geheimnisse im ewigen Eis

30.06.2009
Elfmal hat der Geologe Norbert W. Roland die Antarktis bereist. In seinem neuen Sachbuch "Antarktis. Forschung im ewigen Eis" beschreibt er aktuelle Entdeckungen von Südpolarforschern - und hebt die Bedeutung des Kontinents für die Entwicklung des Weltklimas hervor.
Wann genau die Antarktis zum ersten Mal von Menschen betreten wurde, ist ungewiss. Aber es waren Walfänger und Robbenjäger, die die Entdeckung des bis daher unbekannten Kontinents im Süden aus kommerziellen Gründen im 18. Jahrhundert vorantrieben. Antarktika, Kontinent der Superlative: Dort gibt es die tiefsten Temperaturen, das dickste Eis, das größte Süßwasserreservoir, die lebensfeindlichste Umwelt und heute das praktisch größte Naturschutzgebiet der Erde.

Mit "Antarktis. Forschung im ewigen Eis" liefert Norbert W. Roland aus erster Hand eine umfassende Übersicht und Materialsammlung zu den wichtigsten Hintergründen des weißen Südkontinents. Als Leiter der Abteilung "Polargeologie" der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe war er selbst elfmal auf Expeditionen am Südpol unterwegs.

Norbert W. Roland betrachtet die Antarktis aus verschiedenen Perspektiven: Als logistische Herausforderung bei der Erkundung, die mit widrigen Bedingungen zu kämpfen hat, als potenzielles Rohstofflager, als Quelle für Erdbeben und Vulkanismus, als von zentraler Bedeutung für das Weltklima, aber auch als Lebensraum sehr weniger angepasster Tier- und Pflanzenarten.

Viele geologische Hinweise zeigen, dass der siebte Kontinent einstmals das Herzstück Gondwanas war, eines Superkontinents, der bis vor 160 Millionen Jahren eine Einheit aus Südamerika, Afrika, Indien, Australien, Neuseeland und der heutigen Antarktis bildete. Durch tektonische Verschiebungen der großen Kontinentalplatten brach Gondwana im Verlauf von 130 Millionen Jahren auseinander. Erst nach der Isolierung von den übrigen Landmassen begann die Antarktis vor zirka 35 Millionen Jahren, vollständig zu vereisen. Saurierfunde und Kohleflöze zeugen davon, dass es dort einmal grüner und wärmer war.

Heute ähneln die Bedingungen dort eher dem Mars. Extreme Kälte, ein stellenweise fast fünf Kilometer dicker Eispanzer und eine unzugängliche Küste lassen jeden Gedanken an eine Bergung möglicher Rohstoffe unwirtschaftlich erscheinen. Dafür hält der vergletscherte Kontinent für die Forschung noch überraschende Entdeckungen bereit. Das Eis hat dort mehr Meteoritenfunde als irgendwo sonst auf der Welt konserviert, und kilometertief unter dem weißen Panzer wurden flüssige Seen entdeckt, die vermutlich seit mindestens einer Million Jahre vom Licht und der übrigen Atmosphäre abgeschlossen sind.

Die reich bebilderte wissenschaftliche Fachpublikation führt komprimiert und nüchtern in die aktuellen Erkenntnisse verschiedener Aspekte der Südpolarforschung ein. Bei den mitunter etwas isoliert nebeneinander stehenden Kapiteln vermisst der Laie manchmal ein zentrales Glossar und vor allem einen gut zugänglichen Zeitstrahl für die verschiedenen Erdzeitalter, mit denen Norbert Roland ein wenig zu selbstverständlich hantiert.

Dennoch gelingt es ihm, einen bleibenden Eindruck von dem Zusammenspiel zu hinterlassen, mit dem Geo-, Bio-, Atmo- und Hydrosphäre in der Antarktis aufeinander einwirken und voneinander abhängen. Dadurch wird eindrucksvoll deutlich, welche Bedeutung dem siebten Kontinent auch für die weitere Entwicklung des Weltklimas zukommt. Er reagiert nicht nur sensibel auf Veränderungen - das vollständige Abschmelzen seiner Gletscher würde den Meeresspiegel auch global um über 60 Meter ansteigen lassen.

Besprochen von Gerrit Stratmann

Norbert W. Roland: Antarktis. Forschung im ewigen Eis
Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2009
346 Seiten, 39.95 Euro