Geheimagent fürs dritte Jahrtausend

09.10.2013
Er trinkt den Wodka Martini noch immer gerührt und braucht seinen Sex. William Boyd legt mit "Solo" einen klassischen – aber nagelneuen – Bond-Roman vor, der zwar keine hochtrabenden literarischen Ambitionen zeigt, doch den legendären Kinohelden als Romanfigur reanimiert.
Als James-Bond-Erfinder Ian Fleming, der seinen Geheimagenten zwölfmal zum Romanhelden gemacht hatte, 1964 früh verstarb, rückten die Verfilmungen der Serie und ihre Hauptdarsteller zusehends ins Zentrum. Die Drehbücher und deren Romanvorlagen spielten dagegen eine untergeordnete Rolle.

Das könnte sich nun ändern, da sich Flemings Erben entschlossen, James Bond als literarische Figur zu reanimieren und mit dem Engländer William Boyd einen Hochkaräter als Autor zu verpflichten.

Boyd, selbst Autor erfolgreicher Spannungsromane ("Ruhelos", "Einfache Gewitter"), konnte sich mit den Nachlasshütern Flemings offenbar auf eine gemeinsame Linie verständigen und legt mit "Solo" einen typischen James-Bond-Roman vor, ohne auf eigene Akzentuierungen zu verzichten. Was die biografischen Fakten angeht, orientierte sich Boyd an den Angaben Flemings, die er in "Man lebt nur zweimal" fixierte.

Demnach wurde 007 im Jahr 1924 geboren, doch Boyd setzt seinen Hauptakteur nicht als tattrigen Greis den Geheimdienstsperrfeuern aus. Stattdessen sehen wir ihn als vitalen Mittvierziger im Jahr 1969, ausgestattet mit vertrauten Eigenschaften. Bond bleibt seinem Wodka Martini (geschüttelt, nicht gerührt) treu, hat ein Faible für ausgefallene Autos, raucht, liebt Champagner, zitiert T. S. Eliot und beginnt den Tag, wenn möglich, mit Rührei.

Auch seine Libido bleibt unangetastet: Kaum spürt er ein "Aufzucken animalischen Begehrens in den Lenden", sucht er die Nähe attraktiver Frauen – in diesem Fall der üppigen Schauspieler Bryce Fitzjohn und der schlanken Doppelagentin Aleesha alias Blessing.

Heikle Mission im fiktiven westafrikanischen Staat Zanzarim
Letztere begleitet Bond anfangs auch auf seiner neuen, höchst heiklen Mission. Im (fiktiven) westafrikanischen Staat Zanzarim, einer vormaligen britischen Kolonie, tobt der Bürgerkrieg. Im Süden des Staates hat die Republik Dahum, angeführt von Brigadegeneral Solomon Adeka, die Unabhängigkeit erklärt und verteidigt diesen Status mit allen Mitteln, unterstützt von obskuren europäischen Unternehmern.

Bonds Aufgabe, den brutalen Bürgerkrieg zu beenden und den General auszuschalten, hat mit den Ölvorkommen in Dahum zu tun. Boyd orientiert sich bei der Schilderung des Elends am Bürgerkrieg in Biafra in den 1960er Jahren und schwächt den Zynismus seines Helden merklich ab: Dieser zeigt sich von den sterbenden Kindern, denen er auf der Flucht vor seinen Widersachern begegnet, tief beeindruckt, erweist sich als genialer Schlachtenstratege und pflegt einen beinahe sensiblen Umgang mit dem weiblichen Geschlecht. Selbst ein James Bond muss sich anpassen.

Nachdem er sich von einer schweren Verletzung erholt hat, beschließt er – nicht im Sinne seiner Vorgesetzten – die verwickelten Hintergründe auf eigene Faust, solo, zu beleuchten. Der Showdown stellt, wie es sich gehört, alle vermeintlichen (Handlungs-)Gewissheiten in Frage.

William Boyd hat eine spannende, solide James-Bond-Fortsetzung geschrieben, die zwar keine hochtrabenden literarischen Ambitionen zeigt, doch damit einen legendären Kinohelden als Romanfigur reanimiert. Mission erfüllt.

Besprochen von Rainer Moritz

William Boyd: Solo - Ein James-Bond-Roman
Aus dem Englischen von Patricia Klobusiczky
Berlin Verlag, Berlin 2013
365 Seiten, 19,99 Euro