Gegner der Pandemie-Regelungen

Mit Corona schlägt die Stunde der Verschwörungstheorien

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Schwarzgekleidet mit Pestmaske gegen die Maßnahmen in der Coronakrise: ein Mann am 1. Mai 2020 in der Kölner Innenstadt.
Versklavung der Bürger durch Coronamaßnahmen? Viele Verschwörungstheoretiker glauben daran. © picture alliance / Geisler-Fotopress
Bernd Harder im Gespräch mit Ute Welty · 02.05.2020
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Die Maßnahmen gegen das Coronavirus bringen rechte wie linke Verschwörungstheoretiker dazu, gemeinsam auf die Straße zu gehen. Kritische Wachsamkeit sei gut, nicht aber "Pseudoskepsis", sagt Journalist Bernd Harder.
Kontaktsperre, Reiseverbot, Betreuungsnotstand in Familien mit Kindern, dramatische Rezession – Corona macht der Gesellschaft sehr zu schaffen. Und in dieser Zeit, in der Politiker auf Grundlage der wissenschaftlichen Erkenntnisse von Virologen und anderen medizinischen Experten bestehende Maßnahmen immer weiter verlängern, schlägt die große Stunde der Verschwörungstheoretiker.
Radikale Impfgegner demonstrieren Seite an Seite mit G5-Kritikern, linken Intellektuellen und rechten YouTubern bei sogenannten "Hygienedemos". Der Journalist Bernd Harder, Sprecher der "Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V." (GWUP), setzt sich seit Jahren im GWUP-Blog mit verschiedensten Verschwörungstheorien auseinander.

Ein neues Phänomen

Er sieht im einträchtigen Demonstrieren gegen die Coronramaßnahmen "ein neues Phänomen". Man könne es als "eine Art Querfront" bezeichnen, sagt er: "Da marschieren Leute von ganz links bis ganz rechts. Und der große gemeinsame Faktor, der sie alle eint, ist der Glaube an die ganz große Verschwörung." Etwa dass der Staat die umstrittene Mobilfunktechnologie G5 etablieren wolle, um seine Bürger zu überwachen und eine Diktatur zu etablieren. Oder dass die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus nur ein Ablenkungsmanöver seien, während im Hintergrund die Versklavung der Bevölkerung vorbereitet werde.
Dass es derzeit Kritik gebe, sei absolut nachvollziehbar, sagt Harder, denn: "Politiker treffen weitreichende Entscheidungen auf der Basis relativ geringer Informationen." Und diese Informationen müssten teils innerhalb kurzer Zeit wieder relativiert werden. Aber: "Es gibt einen Unterschied zwischen kritischer Wachsamkeit und destruktiver Pseudoskepsis."

Bill Gates und die Pandemie

In Letztere steigern sich Verschwörungstheoretiker geradezu hysterisch hinein. Da wird Microsoft-Gründer Bill Gates, dessen Stiftung viel Geld für die Erforschung von Impfstoffen gibt und der schon seit etlichen Jahren vor der Gefahr einer Pandemie warnt, plötzlich selbst zum Urheber der weltumspannenden Coronaepidemie. Denn wer von einer Krise profitiere, so die Logik der Verschwörungstheoretiker, müsse sie natürlich zuvor selbst verursacht haben, sag Harder, der sich in seinem Buch "Verschwörungstheorien: Ursachen - Gefahren - Strategien" mit dem Phänomen beschäftigt hat.
Und so gesehen sei es auch kein Widerspruch, dass Impfgegner, die ja gerade erleben, welche Folgen es hat, wenn die Bevölkerung nicht geimpft ist, weiterhin ihre Linie verfolgten. Nun mit dem Argument, die Coronaepidemie werde aufgebauscht, um dadurch einen allgemeinen Impfzwang durchzusetzen und so die Grundrechte auszuhebeln.
Harder: "Es ist die Mischung aus Macht- und Kontrollverlust, die die Menschen anfällig für solche Verschwörungstheorien macht."

Bernd Harder: "Verschwörungstheorien: Ursachen - Gefahren - Strategien"
Alibri Verlag 2018, 165 Seiten, 10 Euro

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