Gegen das voreilige Handeln

22.08.2013
Wir sollten warten können und wenig tun, das Wenige aber mit durchschlagender Wirkung - so fasst der Autor Holm Friebe seine "Steinstrategie" zusammen. Anders als viele Manager, Politiker und Anleger, die aus seiner Sicht meist den Aktionismus bevorzugen.
Es ist ein umsatzstarkes Segment: das populäre Strategie-Sachbuch, das Orientierung für die Bewältigung des immer komplexeren Alltags und den Dschungel des unübersichtlichen beruflichen Vorankommens verspricht. Nun hat auch Holm Friebe, bekannt als Gründer der Zentralen Intelligenz Agentur in Berlin-Mitte, einen Ratgeber geschrieben, der sich als Gegengift wider das "voreilige Handeln" und den "konfusen Hyperaktivismus" versteht. Nach dem "Pinguin-Prinzip" und der "Kakerlaken-Strategie" nun also die "Stein-Strategie" als Lehre von "Kunst nicht zu handeln". Handelt es sich um die Kunst einer Parodie?

"Von Steinen lernen, heißt liegen lernen", hat Robert Gernhardt gekalauert. Friebe stellt aber klar, dass er keine Rechtfertigungsschrift für Faulpelze und Prokrastinierer im Sinn hat. Warten können, wenig tun, das Wenige aber mit durchschlagender Wirkung – so fasst er die Sache zusammen. Manager, Politiker und Anleger dagegen ziehen meist den Aktionismus dem Abwarten vor.

Situationen des Drucks, der Anspannung, der Krise müssen in Handeln überführt werden. Wer nur abwartet, steht im Zweifelsfall dumm da. Wer etwas tut, hat am Ende wenigstens etwas getan, und wenn es nur ein plakativer Schnellschuss war.

Hype-Hysterie und Change-Management als Dauerzustand: Der Sound des permanenten Vollalarms frisst sich ins Bewusstsein vieler Menschen. Dazu kommt die Prognosen-Paranoia, in die uns wichtigtuerische Experten versetzen, deren Szenarien meist wenig mit der Zukunft zu tun haben, sondern fixe Ideen der Gegenwart fortschreiben. "Wenn man immer darauf setzt, dass sich nichts ändert, fährt man im Schnitt besser", weiß der Verfasser des Stein-Prinzips und plädiert angenehm für Gelassenheit und gegen die Manie des Allerneuesten.

Von "steter Tropfen höhlt den Stein" bis "Like a Rolling Stone" – der Volksmund kennt viele steinerne Spruchweisheiten, in denen aber eher mit Steinen etwas geschieht als dass sie selbst Impulsgeber wären. Steine sind eben steindumm, und wenn die Kolosse einen Hang hinunterrumsen, dann lässt sich diesem Vorgang, bei dem alles platt gemacht wird, was ihren physikalisch vorgeschriebenen Weg kreuzt, kaum ein feiner lebensphilosophischer Mehrwert abgewinnen.

Deshalb wirkt die Stein-Metapher bei Friebe auf Dauer ein wenig gezwungen. Mal wird sie bedenklich aufgeweicht, mal grob zurechtgehämmert, um ihr Ratgeber-Sinnigkeit abzutrotzen. "Steine denken in langen Zeiträumen" – das klingt ein bisschen geblödelt. "Steine sind optimal angepasst an ihre natürliche Umgebung" – die Theorie der Adaption passt nun mal nur auf Lebewesen.

Davon abgesehen, ist dies ein kluges, amüsantes Buch. Man möchte viel daraus zitieren, etwa diesen schönen Satz: "Die Zukunft ist längst hier, sie ist nur noch nicht gleichmäßig verteilt." Nur ist das wieder nicht von Holm Friebe, sondern von William Gibson, und so ist es mit den meisten bemerkenswerten Sätzen dieses Bändchens.

Lesefrüchte werden in jedem Kapitel ausgestellt, Friebe hat die Kulturgeschichte nach Steinernem durchsiebt, und zitatweise wird man mit vielen interessanten Theorien oder deren Wikipedia-Essenz vertraut gemacht, von Luhmann bis zur Spieltheorie, von den "Schwarzen Schwänen" des Zufallsforschers Nassim Nicholas Taleb bis zu Cyril Northcote Parkinsons Formeln des Bürokratiewachstums. Dies Buch ist kein großer Wurf, aber es trifft ins Schwarze, bietet Anregung und Entspannung gleichermaßen.

Besprochen von Wolfgang Schneider

Holm Friebe: Die Stein-Strategie. Von der Kunst nicht zu handeln
Hanser Verlag, München 2013
214 Seiten, 14,90 Euro
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