Gefühlsechte Aquarelle vom Pop-Zombie und singenden Sataniker

Von Michael Köhler · 27.06.2007
Der selbsternannte Anti-Christ und Sexgott Marilyn Manson überwindet Kunstkrisen mit Malen. Der 38-jährige Brian Hugh Warner stellt jetzt in Köln Aquarelle aus. Der Maler, der auch Musik macht, sich Alptraum Amerikas nennt und sich nebenbei für Mode und Kosmetik interessiert, malt Bilder, die sich "Übermensch, oder Deutsche Kämpferin" nennen.
Auch ein Fürst der Dunkelheit braucht Licht zum Malen, wenn er besinnlich wird. Wie er zum Aquarell kam, ließ er andächtig lauschende Medienleute heute Abend in Köln wissen.

Die ersten Bilder hat er mit schmutzigem Wasser aus einer Schale gemacht, die waren grau und dunkel, dann hat er ein Wasserfarben-Kästchen für Kinder bekommen, jetzt sind es Aquarelle , die nicht lang leben, aber länger als er.

Die großformatigen Aquarelle sind leicht, dünn transparent, nicht dick aufgetragen, die Themen dafür umso fetter. Ein transsexueller Hitler, nackt mit Busen, immer wieder riesige Kindergesichter, verletzt, zerschossen, misshandelt. Format mindestens 50 mal 70 Zentimeter.

Die Ausstellung heißt "Le Fleur du Mal". Manson hat sich Baudelaires Titel ausgeliehen für ein Bild, das ins Booklet einer CD passt, aber nicht an die Wand. Aus steinigem Boden erwachsen zwei blumenähnliche Gebilde, Rosen vielleicht. Statt knospiger Blütenköpfe sind es blutrote Totenschädel. Galeristin Brigitte Schenk geht das ans Herz.

Die Muter geisteskrank, die Scheidung von Muse, Model und Strip-Künstlerin Dita von Teese letztes Jahr, Sorgerechtsstreit um die gemeinsamen Haustiere, da war er so im Arsch, dass nur eine Freundin ihm helfen konnte, die sagte, "hier ist ein Schlachtermesser, steche mich ab." - Dies war Mansons Verfassung. Zum Glück malt er seit sieben Jahren.

Der selbsternannte Anti-Christ und Sexgott Marilyn Manson überwindet Kunstkrisen mit Malen. Glücklich solle man also über das neue Album sein, das gerade herauskam "Eat Me Drink Me". Da finden sich Titel wie "if I was your Vampire, The Red Carpet Grave oder Puttin Holes in Happiness”

Ein bisschen ist es so, wie sich Klein-Fritzchen die Welt des Gothic vorstellt.
Unterarmtätowierungen, Siegelringe, totenbleiches Gesicht, grell geschminkte blutleere , Wolfs-Glas-Augen. Und natürlich schwarz, Jede Farbe darf es sein, Hauptsache schwarz. …

Aber machen wir nicht den Fehler und verwechseln gleich Werk und Person. Also noch mal von vorn. Der 38-jährige Brian Hugh Warner, der sich Marilyn Manson nennt, stellt in der Kölner Galerie Brigitte Schenk Aquarelle aus. Der Maler, der auch Musik macht, sich den Alptraum Amerikas nennt und sich nebenbei für Mode und Kosmetik interessiert malt Bilder, die sich "Übermensch, oder Deutsche Kämpferin" nennen.

Gut, deutschen Expressionismus mag er und Egon Schiele nennt er als Einfluss, der kommt zwar nicht aus Berlin, sondern war Wiener Moderne, aber so genau nehmen wir es nicht.
Da gibt es ein Christus-Gesicht mit Dornenkrone, toten Augen als hätte Manson nur in den Spiegel geschaut, mit rot blutendem Mund, nur das ganze dreimal. Drei Nasen, drei Münder, weit entfernt von christlicher Ikonografie, eher psychiatrische Pop-Ikonografie. Das könnten durchaus auch Vorstudien von Hermann Nitsch oder Arnulf Rainer sein. Und so sollte man drauf schauen, nicht als Bilder eines Sängers mit schwerer Kindheit, sondern als Bilder.

Schließlich sollte man über ähnliche Rock’n Roller wie den malenden Udo Lindenberg oder Wolfgang Niedecken auch besser schweigen. Es sind farbige Anmerkungen zum selbstdarstellerischen Gesamtkunstwerk Manson.

Glamourös und sexy muss es sein. Das ist das Gesetz des Pop, und wenn noch ein Schuss Vulgarität und Heiligkeit, Gruselschock und Antichrist hinzukommen, dann sind Madonna und Marylin gar nicht so weit auseinander, nur tanzen kann Madonna besser und Marilyn Manson malt gar nicht so schlecht. Im Selbsttherapiekusrs einer Landesheilanstalt würde er einen der vorderen Plätze belegen: nichts als Gewalt, offene Leiber, Missbrauch und Leblosigkeit, glücklose Existenzen

Im Südosten Amerikas treffen Voodoo und radikal christliche Rechte aufeinander, so auch in den Namen von Pop-Ikonen und Serienmördern wie Marilyn Manson und Daisy Berkowitz.

Will man also dem Bösen und grotesk Furchterregenden von Manson, seinen Aquarellen und ihm selber etwas Gutes abgewinnen, dann ist es diese Gleichzeitigkeit von Gutem und Bösem, Gewalt und Geschlecht. Kulturkritisches sucht man vergeblich, warum auch?

Als Andy Warhol mal in einer Schaffenskrise war, soll ein Freund geraten haben, er solle malen, was er am liebsten hat. So sind die Serigraphien von Dollarscheinen entstanden.

Vor fünf Jaheren hat Marilyn Manson schon gemalt und in Los Angeles ausgestellt, was er am liebsten hat : Leichen. Bisher haben Bilder gesagt, was kein Lied konnte, jetzt gehen beide, Musik und Malerei, zusammen.

Gefühlsechte Aquarelle vom Pop-Rock-Schock-Zombie und singenden Sataniker gehören jetzt auch zum Kunstbetrieb. Na dann Gute Nacht!