Gediegen bis langweilig

Rezensiert von Bernhard Doppler · 03.01.2009
20 Jahre nach Thomas Bernhards Tod führt das Wiener Burgtheater einige seiner Stücke wieder neu auf, wie um ihren Wert noch einmal zu überprüfen. Die große Rolle, die Bernhard in den 80ern spielte, ist inzwischen abgeschwächt. Und sein "Der Schein trügt" wurde behutsam wie ein Klassiker inszeniert, was ein wenig in Langeweile ausartet.
Als Thomas Bernhard im Februar 1989 starb, war er ganz plötzlich allgemein als großer österreichischer Dichter akzeptiert und in die Literaturgeschichte eingemeindet worden; die Kampagnen, die gegen ihn als "Staatsfeind" wegen seines Stückes "Heldenplatz" noch im Herbst 1988 mit großer Schärfe geführt worden waren, waren plötzlich vergessen.

20 Jahre nach Bernhards Tod scheint das Burgtheater nun den Wert seiner Dramen wieder einmal neu zu überprüfen. Das generelle Aufführungsverbot, das Bernhard testamentarisch für Österreich verfügte, hat das Burgtheater inzwischen schon mehrfach aufgehoben. Doch die große Rolle, die Thomas Bernhard auch durch seine vielen Nachahmer im Theater der 80er Jahre spielte, ist inzwischen deutlich abgeschwächt; auch scheinen sich Thomas Bernhards Prosawerke - auch in Bearbeitungen für das Theater - literarisch gewichtiger als seine Bühnenwerke zu erweisen.

Die Inszenierung von "Der Schein trügt" von Nicolas Brieger erweist sich als äußerst pietätvoll gegenüber dem Text, ja sieht ihn als Partitur, bei dem die Zeitangaben genau umgesetzt werden und dem Publikum mitgeteilt werden (10 Minuten, 15 Minuten später...).

Die Konfrontation zweier alter Brüder, der eine ein ehemaliger Schauspieler, der andere ein ehemaliger Artist, die sich zwei Mal in der Woche treffen, zeigt Thomas Bernhard als Meister der Ambivalenz: Geschwisterliebe und gleichzeitig Geschwisterrivalität, Aggression und gleichzeitig Zuneigung, Zusammenkommenwollen und gleichzeitig aus dem Weg Gehen. Ein Text voller Zärtlichkeit, aber auch clownesker Komik. Der Schauspieler Robert weist auf eine Möglichkeit, das greise Brüderpaar zu spielen, hin: 80-Jährige und ihre Gebrechen habe er, Robert, nur als junger Schauspieler, perfekt nur bis zu seinem 35. Lebensjahr spielen können.

In Nicolas Briegers Inszenierung geht man nicht so weit, sondern setzt zwei hochprofessionelle ältere Komödianten ein: Martin Schwab und Michael König, wobei König, vielleicht weil er nicht durch die Thomas-Bernhard-Tradition belastet ist, komödiantischer wirkt.

So wie Bernhard manche Stücke Schauspielern zugeschrieben hat, Minetti, Dene, Voss, Ritter - so scheinen sie nämlich nur verbunden mit deren Aura zu funktionieren. Die Rolle des ehemaligen Artisten, des Schuhfetischisten Karl war eine der großen Rollen Bernhard Minettis - und gegen dessen Aura scheint auch noch Martin Schwab vor allem in seinem ersten großen Monolog zu kämpfen. In einer anderen Uraufführungsinszenierung, die noch vor kurzem gezeigt wurde, in Peymanns "Theatermacher" war Schwab 65-jährig noch immer Sohn - jener Theatermacher-Generation.

So ist es eine sehr gediegene, ernsthafte, auch hin und wieder ein wenig langweilende Klassikerinszenierung geworden, die allerdings weder die unheimliche Präsenz der Uraufführung herstellen kann, noch Thomas Bernhards Brüder-Duo einen neuen Zugriff zumutet.

Der Schein trügt
von Thomas Bernhard

Regie: Nicolas Brieger
Bühne: Mathias Fischer-Dieskau
Kostüme: Andrea Schmidt-Futterer
Dramaturgie: Britta Kampert