Gedenkort

Rosa Parks wohnt jetzt im Wedding

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Die Bürgerrechtlerin Rosa Parks (Bild vom 28. November 1999) © picture-alliance/ dpa/dpaweb/Martina Hellmann
Von Gerd Brendel · 21.03.2017
Das Haus der 2005 verstorbenen afroamerikanischen Bürgerrechtlerin Rosa Parks steht bald in Berlin-Wedding. Der Künstler Ryan Mendoza baut es dort wieder auf. Wie gelangt US-amerikanische Geschichte in einen Berliner Vorgarten?
Ryan Mendoza steht vor dem kleinen einstöckigen Holzhaus, das Rosa Parks mit 13 Neffen und Nichten ein paar Jahre in Detroit bewohnte - die Rosa Parks , die mit ihrer Weigerung ihren Platz im Bus für einen Weißen zu räumen, die Bürgerrechtsbewegung in den USA auslöste. Jetzt steht es in einem Hinterhof in Berlin-Wedding, Holzlatte für Holzlatte hat es Ryan Mendoza in Detroit in seinen Einzelteile zerlegt, nach Berlin verschifft und hier zwischen seinem Atelier und seinem Wohnbungalow wieder aufgebaut. Wie kam es dazu?
"Das leer stehende Haus stand auf einer Abrissliste, Glücklicherweise konnte es Rosa Parks Nichte Rhia McCauley für 500 Dollar zurückkaufen, aber sie konnte niemand finden, der sich um die Ruine kümmern wollte, bis sie mich als Letzten fragte."
Der Bus, in dem sich die US-amerikanische Bürgerrechtlerin Rosa Parks weigerte, ihren Platz für einen Weißen zu räumen, wird in ihrer Heimatstadt Detroit im Charles Wright Museum of African American History ausgestellt.
Der Bus, in dem sich die US-amerikanische Bürgerrechtlerin Rosa Parks weigerte, ihren Platz für einen Weißen zu räumen, wird in ihrer Heimatstadt Detroit im Charles Wright Museum of African American History ausgestellt.© picture alliance / dpa / epa / Jeff Kowalsky

Künstler will sich mit eigener Identität auseinandersetzen

Ryan Mendoza ist kein Unbekannter in Detroit. Schon im letzten Jahr hatte er ein zum Abriss vorgemerktes Holzhaus im runtergekommenen Brightmore-Viertel auseinandergenommen, um es zur ART Rotterdam als Kunstinstallation namens "White House" wieder aufzubauen. Die Aktion löste heftige Kontroversen aus: Profilierte sich hier ein weißer Künstler auf Kosten der verarmten schwarzen Bewohner des Viertels? Dabei dokumentierte Mendoza in seinem wieder aufgebauten "weißen Haus" die Geschichte seiner Bewohner. Für ihn, den Künstler, der seit fast 20 Jahren in Europa lebt, war die Haus-Aktion der Versuch, sich mit seiner eigenen US-amerikanischen Identität auseinanderzusetzen.
Mit Parks Haus hat er sich dazu jetzt ein Stück amerikanischer Geschichte in seinen Vorgarten geholt. Aber die Tür mit dem falschen Türklopfer bleibt verschlossen. Die Vorhänge hinter den Fenstern sind zugezogen. Aber vielleicht könnte man durch die Hintertür hineinschauen? Nichts zu machen. Das Haus bleibt versiegelt. Dabei bergen die hölzernen Wände buchstäblich nichts, außer Erinnerungen. Das Haus steht leer wie ein prunkvolles Reliquar, dem die heiligen Knochen längst abhanden gekommen sind, wie das Allerheiligste des letzten Tempels in Jerusalem.
Mendoza: "Warum man es nicht betreten kann? Dem Haus wurde so lange Gewalt angetan, es war verlassen, ausgeplündert und jetzt kommt es mir darauf an, ihm wieder seine Würde zu geben."

Soundcollage aus alten Fernsehshows

Auch am 8. April, dem offiziellen Besuchstag, müssen die Besucher draußen bleiben
"Aber es wird eine Klanginstallation geben und die Lichter werden an sein, so als ob, das Haus wieder zum Leben erwacht ist."
Das, was die Besucher am 8. April zu hören bekommen, ist eine Soundcollage aus alten Fernsehshows der 50er, die vielleicht Rosa Parks und ihre Familie hier gesehen hat und die für Mendoza zeigen, dass irgendetwas an dieser Gesellschaft zutiefst falsch war.
"Irgendwas Unheimlich-Ungesundes spricht aus diesen ganzen Fernsehfilmen."
Wenn wir schon nicht Rosa Parks Wohnzimmer besuchen können, Mendozas Wohnzimmer steht dem Besucher offen. Ein riesiger Kasten aus Beton und den Überresten eines alten Schuppens. In der Mitte des Raums stehen E-Gitarren, an den hohen Wänden großformatige Fotos. In der Küche hängt ein Bild vom halbfertigen Rosa-Parks Haus. Die Entscheidung, das Haus nach Europa zu verfrachten, war nicht Mendozas erste Wahl:
"Ich habe an Michelle Obama geschrieben, die 'New York Times' hat über das Haus geschrieben. Aber ich habe keine einzige Kultureinrichtung gefunden, die sich für das Haus interessiert hätte."
Mit einer Ausnahme: Als Mendoza das Haus schon auf eigene Kosten nach Berlin verschifft hatte - die Containerladungen finanzierte er mit dem Verkauf seiner Bilder -, meldete sich die amerikanische Busfirma bei ihm:
"Eine Zeitlang schien Greyhound interessiert. Ich dachte toll: Die bezahlen ein paar Millionen, die direkt an die gemeinnützige Rosa Parks Stiftung gehen und Greyhound tut was für sein Image, aber dann haben sie herausgefunden, dass das Busunternehmen, mit dem Rosa Parks gefahren ist, gar nicht Greyhound gehört hat. Und obwohl es natürlich auch Rassentrennung in Greyhound-Bussen gab, wollten sie mit einem Mal nicht mehr. Das ist typisch: Amerika gehört seine eigenen Vergangenheit nicht, Amerika versteckt seine eigene Vergangenheit."
Eine Vergangenheit, die auch Teil Mendozas Identität ist.
"Was mir das Rosa-Parks-Haus als weißem Mann bedeutet? Ohne diese Symbole, für die Wendepunkte in der Geschichte, würde ich mich durch nichts von meinen weißen rassistischen Vorfahren unterscheiden, für die Rassentrennung und Sklaverei in Ordnung war."
Mit seiner Aktion erinnert Mendoza an ein Kapitel amerikanischer Geschichte, für dass die neue Regierung in Washington wenig mehr als Desinteresse übrig hat. Gehört das wiederaufgebaute Haus aber nicht gerade deswegen nach Amerika?
"Natürlich sollte es in Amerika stehen. Aber ich weiß nicht, ob ich die Amerikaner so wütend machen kann, dass sie das Haus zurückwollen. Ich wünschte mir, es wäre eine Art Geisel, aber dafür müsste es jemand geben, der bereit wäre, Lösegeld zu zahlen."
In ein paar Wochen wird Mendoza das Haus wieder in seine Einzelteile zerlegen und einlagern - bis ja bis vielleicht doch noch jemand aus seiner alten Heimat bereit ist, Lösegeld zu zahlen, "Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen", hat der spanisch-amerikanische Philosoph George Santayana gesagt, auch ein "Ex-Pat" wie Mendoza. Eine Warnung, die immer aktueller wird, nicht nur in den USA.

Das Rosa Parks Haus kann am 8. April 2017 in Berlin der Wriezener Straße 18 besichtigt werden. Zeitgleich zeigt die Berliner Galerie Camera Works Fotoarbeiten von Ryan Mendoza und am Abend des gleichen Tages zeigt das Kino Babylon in Berlin Mitte "The White House Documentary", einen Dokumentarfilm über Mendoza mit anschließender Diskussion mit dem Künstler und Rhea McCauley, Rosa Parks Nichte.

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