Gedenken an Opfer des NSU

Kampf um die Erinnerung

08:51 Minuten
Auch Kanzlerin Angela Merkel besuchte am 4.November in Zwickau den Gedenkort für NSU-Opfer. Sie und die Oberbürgermeisterin von Zwickau, Pia Findeiss, legen Blumen nieder
Auch Kanzlerin Angela Merkel besuchte am 4.November in Zwickau den Gedenkort für NSU-Opfer. © www.imago-images.de
Esther Dischereit im Gespräch mit Andrea Gerk · 04.11.2019
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In Zwickau und Chemnitz fanden am Wochenende Gedenkverstaltungen für die Opfer des NSU statt. Solche Erinnerungen seien wichtig, weil das Wissen um die rassistischen Morde schnell verschwinden würde, sagt die Schriftstellerin Esther Dischereit.
Die Zeremonie in Zwickau zur Erinnerung an die Ermordeten habe sie als ernst gemeint und ernsthaft empfunden, sagt Esther Dischereit im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur. Die Schriftstellerin beschäftigt sich schon lange mit dem NSU und hat an vielen Sitzungen des Untersuchungsausschusses als Beobachterin teilgenommen.
Sie war auch am Wochenende bei den Gedenkfeiern in Zwickau und Chemnitz dabei. In diesen Städten hatten sich die NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Tschäpe versteckt gehalten.
Das Aktionsbündnis "Tribunal NSU Komplex auflösen" habe sich sehr große Mühe gegeben und hätte alle Teilnehmer des Tribunals zu den Orten des Geschehens gebracht. Dazu zähle auch die Wiese, wo einstmals das Haus gestanden hatte, wo das NSU-Trio lange lebte. Die Geschichtswerkstätten seien sehr aktiv und hätten viel mit jungen Leuten zur Aufklärung gemacht.
Aber es scheine, dass das Wissen um die Morde ohne diese Anstrengungen schnell wieder verschwinden würden und viele Menschen nicht wüssten, was der NSU ist.

Heuchlerische AfD-Aktionen

Dass die AfD sich an Gedenkveranstaltungen beteilige, sei mehr als heuchlerisch, findet Dischereit. "Typisch sind Aktionen, wie Kranzniederlegungen im KZ Buchenwald durch die AfD, währen Höcke – den man legal als Faschisten bezeichnen kann – dort Hausverbot hat."
Die symbolischen Aktionen durch die AfD sei eine Verhöhnung der Betroffenen, denn diese Partei habe überall als "Brandbeschleuniger" für die rechtsradikale Szene gewirkt. Auffallend sei gewesen, dass ein Vertreter des sächsischen Landtags und ein Richter den Feiern fern geblieben seien.

Viele private Initiativen gegen Rassismus

An der Zerstörung von Erinnerungsorten - wie das Absägen eines Baumes, der erst im Oktober für den im Jahr 2000 Ermordeten Enver Simsek gepflanzt worden war oder das Zerstören von Erinnerungsbänken - zeige sich, dass es Kämpfe um die Art der Erinnerung und die Erinnerungskultur gebe.
An vielen Orten gebe es lokale Initiativen, die sich um das Thema Erinnerung, Rassismus und die Tode, die im Zusammenhang mit dem NSU stattfanden und weiterhin stattfinden, kümmerten, sagt Dischereit:
"Sie verlangen in Zwickau, dass ein Dokumentationszentrum errichtet werden soll, das sich kontinuierlich mit diesen Fragen beschäftigen kann und auch einen Ort hat."
Die Zeremonie in Zwickau sei berührend gewesen, viele hunderte Zwickauer hätten teilgenommen: "Die haben dieses Bedürfnis sich dahinzustellen, sich zu zeigen. Einige Frauen haben gesagt, wir bekommen Todes-drohungen, weil wir uns für das Pflanzen dieser Bäume hier einsetzen. Diese Leute wissen ganz genau, warum sie da standen."
(mle)
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