Gedankensplitter und Dialogfetzen

Von Hartmut Krug · 07.01.2009
Vom Auto als mobilem, emotionalen, wirtschaftlichen und weniger vom ökologisch problematischen Objekt erzählt Regisseurin Gesinde Danckwart in ihrer Uraufführung. Von den drei Schauspielern der Inszenierung fühlt sich eine bereits, als sei sie selbst ein Auto, und präsentiert uns eine Schöpfungsgeschichte mit Absturz.
An diesem Abend soll das Theater nicht ein Theater, sondern eines dieser Verkaufs- und Produktionshäuser sein, in dem die Autoindustrie sich und ihre Produkte präsentiert. Also bekommt der Besucher einen Plan in die Hand gedrückt, auf dem der Eingangsbereich als "Welcomedesk", eine Seite der Garderobe als "Merchandise-Bereich" und die Bühne als "Showroom" ausgewiesen sind, während die Hinterbühne für die Fertigung und Präsentation vorgesehen ist.

Wie wichtig das Auto für die Volkswirtschaft ist, zeigt gerade die aktuelle Börsenkrise. Die Dramatikerin Gesine Danckwart hat errechnet, dass jeder siebte Arbeitsplatz in Deutschland vom Auto abhängig ist. Doch auch wenn von der Krise der Autoindustrie in den Ankündigungen ihres neuen Stückes mit dem einfachen Titel "Auto" viel die Rede ist, spielt sie in der Aufführung kaum eine Rolle.

Die drei Schauspieler, die auf die Bühne, also in den "Showroom" kommen, lesen von Zeitungsseiten nur ein paar Schlagzeilen ab, deren Folgerungen Stille und Stillstand sind. Ein Film hatte zuvor die Vorstellungen von unbegrenzter Mobilität versinnlicht, den die Menschen mit dem Auto verbinden. Eine immer schneller werdende Kamerafahrt zeigte eine Computerwelt, und der Weg führte aus dem Wasser über Feldwege und große Straßen bis in den Himmel, - natürlich stand am Ende dieser Schöpfungsgeschichte der Absturz.

Und damit hatte man auch gleich die schmale Aussage dieses Abends erfahren: Das Auto als Fetisch und Symbol für unbegrenzte Beweglichkeit ist vom Absturz bedroht. Deshalb setzt sich am Schluss, nachdem drei Autos in Originalgröße aus Pappe zusammengeschraubt worden sind, eines von ihnen nur in Bewegung, um in einem Crash auseinander zu fallen.

Zuvor aber haben uns drei Schauspieler viele Gedankensplitter und Anekdoten hingeschüttet, die vom Auto als mobiles, emotionales, wirtschaftliches und, das nur am Rande, als ökologisch problematisches Objekt erzählen. Dabei fühlt sich eine der drei bereits, als sei sie selbst ein Auto:

"Ich bin Auto und nicht Bus. Ich bin so selbstflex und mobil, wie nur. Ich bin zusammengesetzt und multinational. An mir hat eine ganze Zulieferindustrie ihr Bestes zusammengesetzt aus Mitteleuropa und deutschem Know-how. Ich bin noch nicht hybrid. Aber ich kann es jeden Augenblick werden. Ja, Elektro, Gas, Mais, Diesel."

Dann wird ein Spielzeugauto vor einem Foto am Bühnenrand bewegt, dabei gefilmt und ganz groß auf der Leinwand gezeigt, und Filmpassagen bebildern Sätze über Rennfahrerei und Steve McQueen. Was wir hören, ahnten wir schon: Der Mensch ist mit dem Auto so sehnsuchtsvoll wie krisenhaft verbunden.

Wie immer gibt es bei der Autorin Gesine Danckwart weder Psychologie noch Geschichten, sondern nur Gedankensplitter und Gerede über Realität. Doch die gewählte große Form, also der Versuch, das gesamte Haus zu bespielen, erschlägt die dünnen Texte für die schmale szenische Aktion vollends. Wenn die drei Präsentatoren auch noch Parallelen zwischen Auto- und Theaterproduktion behaupten und das Theater mit seinen einzelnen Bauteilen zum Autowerk erklären, wird der kaum anderthalb Stunden lange Abend zum Schmunzel-Kabarett.

Zwar habe ich den sogenannten journalistischen Autopapst Andreas Kessler in seinem Zimmer nicht besucht, aber ich habe den Erklärungen beim Zusammenbauen der Pappautos auf der Hinterbühne im Fertigungsraum mit Interesse gelauscht. Wirklich toll aber war eine absurde Führung durch das Theater, bei dem es zum Autowerk erklärt wurde: mit welchem Witz und mit welcher Geistesgegenwart hierbei die Schauspielerin Caroline Peters agierte, das immerhin war sehenswert.

Fazit: großer Aufwand, kleine Wirkung. Der Abend war von müder Nettigkeit statt von analytischer Genauigkeit, und gelegentlich war er sogar amüsant. Doch kaum glauben mag man, dass die Autorin für ihr Stück eifrig in Auto-Produktionsstätten recherchiert hat.

"Auto"
Inszenierung: Gesine Danckwart
Uraufführung im Hau 1
Hebbel am Ufer, Berlin