Gauck-Nachfolge

Unattraktives Staatsamt und ausgedünntes Personal

Bundespräsident Joachim Gauck schreitet durch einen großen Saal auf zwei Flügeltüren zu, mit dem Rücken zum Betrachter.
Die CDU musste feststellen: Es ist gar nicht so leicht, einen Nachfolger für das Amt des Bundespräsidenten zu finden. © dpa/Kay Nietfeld
Von Stephan Detjen · 14.11.2016
Am Ende haben Kanzlerin Merkel und Horst Seehofer dem SPD-Vorschlag für das Amt des Bundespräsidenten nun also zugestimmt. Und für Frank-Walter Steinmeier spricht auch einiges, so Stephan Detjen. Dafür, dass kein Gegenkandidat gefunden wurde, gebe es Gründe.
"Irgendjemand hat sich schon immer gefunden, der was werden will in Deutschland". Mit dieser lakonischen Lebensweisheit hat Angela Merkel einmal im Deutschlandfunk-Interview auf die Frage nach ihrer eigenen Nachfolge geantwortet.
Die Kanzlerin darf sich heute einmal mehr bestätigt fühlen, aber ganz anders, als Merkel sich das ausgemalt haben dürfte. In atemberaubender Offenheit mussten sie und Horst Seehofer heute eingestehen, niemanden gefunden zu haben, die oder der bereit gewesen wäre, für die Unionsparteien als Kandidatin oder Kandidat für das höchste deutsche Staatsamt anzutreten. Reihenweise haben präsidiable Persönlichkeiten der CDU Vorsitzenden in den vergangen Wochen Körbe gegeben.

Ist das höchste Staatsamt so unattraktiv?

Dass eine Kanzlerin den Job des Bundespräsidenten wie saures Bier zu Markte tragen muss, hat man in der Geschichte der Bundesrepublik auch noch nicht erlebt.
Ist das höchste Staatsamt so unattraktiv? Oder ist das politische Personal so ausgedünnt, dass Merkel am Ende nichts anderes blieb, als sich zur Freude von SPD-Chef Sigmar Gabriel bei den Sozialdemokraten zu bedienen?
An beidem ist etwas dran. Die Abstürze, die Horst Köhler und Christian Wulff im Amt des Bundespräsidenten erlebten, haben auf dramatische Weise illustriert, dass auch das Schloss Bellevue nicht als politisches Austragshäusel taugt. Daraus ergaben sich zugleich die Kriterien, die die Suche nach einer Nachfolge für Joachim Gauck zu einer politischen Rasterfahndung machten.
Der Kandidat musste vor allem jemand mit ausgewiesener politischer Erfahrung sein. Spätestens seit dem Ausgang der amerikanischen Präsidentschaftswahl wissen wir, dass man in diesen Zeiten besser auch das bis dahin Undenkbare mitdenkt.
Schon im ersten Amtsjahr wird es zu den Aufgaben des neuen Bundespräsidenten gehören, dem dann neu gewählten Bundestag einen Kanzler zur Wahl vorzuschlagen. Wenn es nach der Bundestagswahl 2017 zu unklaren Mehrheitsverhältnissen in Deutschland kommt, kann zu einer hochpolitischen Gratwanderung werden, was bislang stets als staatsnotarielle Formalie galt.
Menschen, die auch in solchen Situationen die Gewähr bieten, staatspolitisch klug und verantwortungsvoll zu handeln, sind rar gesät.

Steinmeier hat Erfahrung

Dass Frank Walter Steinmeier die Erfahrung ebenso wie die nötige Trittsicherheit auf dem politischen Parkett mich sich bringt, zweifelte heute selbst die Linkspartei nur im bemühten Ton einer oppositionellen Pflichtübung an.
Anders als Norbert Lammert im Amt des Bundestagspräsidenten hatte Frank Walter Steinmeier dagegen bisher keine vergleichbare Gelegenheit, sich als überparteilicher Politiker zu beweisen.
Entscheidend für die Eignung Steinmeiers aber ist, worauf Meinungsumfragen hindeuten, die ihn seit gut einem Jahr als beliebtesten Politiker des Landes ausweisen: Der Außenminister genießt auch in breiten Teilen der Bevölkerung ein besonderes Vertrauen. Das ist das größte Kapital, das ein Politiker in diesen Tagen in das höchste Staatsamt einbringen kann.
Mehr zum Thema