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Aktienflashmobs – die neue Macht am Finanzmarkt?

12:50 Minuten
Passanten laufen an einer GameStop-Filiale in New York City vorbei.
Amateur-Investoren ließen die Aktie der Einzelhandelskette GameStop in den vergangenen Wochen um 700 Prozent steigen. © AFP / Getty Images North America / Michael M. Santiago
Leonhard Dobusch im Interview mit Vera Linß und Martin Böttcher · 06.02.2021
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Tausende Kleinanleger haben sich im Netz organisiert und Aktien gekauft. Sie wollten den Kurs in die Höhe treiben – und hatten Erfolg. Schnell war von einer Demokratisierung der Märkte die Rede. Doch diese Erzählung ist zu simpel.
Es scheint eine neue Macht am Aktienmarkt zu geben: den Aktienflashmob. Dafür organisieren sich Kleinaktionäre über digitale Medien und handeln über kostengünstige Broker wie Robinhood oder Trade Republic.
Hat die Digitalisierung den Aktienhandel verändert und wenn ja, auf welche Weise? Darüber haben wir mit dem Wirtschaftswissenschaftler Leonhard Dobusch von der Universität Innsbruck gesprochen.

Weiterhin radikal ungleiche Machtverteilung

"Ich bin der Meinung, dass sich an der radikal ungleichen Machtverteilung durch so etwas wie diese neuen Markt-Apps nicht viel verändert hat", sagt Leonhard Dobusch über Robinhood. Denn die Trading-App bietet zwar Kleinaktionären günstige Bedingungen, um an der Börse zu handeln. Doch sie verdient vor allem auch dadurch Geld, dass sie das Anlegerverhalten auswertet, Trends ableitet und diese Daten dann wiederum an institutionelle Investoren verkauft.
"Man könnte also sagen, diejenigen, die diese kostenlosen Apps nutzen, bezahlen unmittelbar mit ihren Daten. Weil diese Daten, die sie bei der Nutzung preisgeben, führen dazu, dass sie dann letztlich mehr für Aktien zahlen, die sie kaufen", erklärt Dobusch.

Billige Aktien aufblasen

Die Ereignisse rund um die Gamstop-Aktie ordnet Dobusch der eigentlich illegalen Marktmanipulationsstrategie "Pump and Dump" zu. Dabei werden billige Aktien erst "aufgeblasen", also "gepumpt", indem Investoren über irreführende positive Aussagen oder verabredete Käufe den Wert erhöhen. Wenn dann die Investoren ihre Anteile verkaufen, also "dumpen", sinkt der Kurs – zurück bleiben wenige Gewinner, aber viele Verlierer.
Doch während bei "Pump and Dump" die Absprachen und Akquise im Geheimen verlaufen, sind die Foren, in denen über die Gamestop-Aktie gesprochen wurde, öffentlich einsehbar. Diese Öffentlichkeit macht es schwierig, die Geschehnisse um die Gamestop-Aktie als Marktmanipulation zu klassifizieren. "Wo ist der Unterschied, wenn Leute sich auf Reddit austauschen, zu zum Beispiel Börsensendungen im Fernsehen oder anderen öffentlichen Diskussionen rund um Börsenwerte und Börsenentwicklungen?", fragt Leonhard Dobusch.

Keine Streiter im Sinne einer gerechten Sache

"Ich finde, dass das Beispiel Gamestop und die Reddit-Foren auf neue Art und Weise Praktiken vor Augen führt, die an der Börse an der Tagesordnung stehen. Allerdings halt nicht unbedingt von Kleinanlegern. Das ist dann das Neue: dass hier bestimmte marktmanipulative Strategien auch von nicht sehr großen finanzstarken Investoren eingesetzt werden können."

Was ist mit der Gamestop-Aktie passiert und was hatte das Ganze mit dem Mythos von David gegen Goliath zu tun? Matthias Finger fasst die Hintergründe zusammen.
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Dennoch sieht Leonhard Dobusch in Apps wie Robinhood keine Streiter im Sinne einer gerechten oder demokratischen Sache, nur weil sie Kleinanlegern das Spekulieren vereinfache. Auch den Anlegern, die sich in Foren organisieren, könne man nicht automatisch antikapitalistische Züge zusprechen.

Spekulative Dynamiken ohne gesellschaftlichen Mehrwert

"Da geht's eher darum, dass die Leute glauben, sie sind die besseren Aktienhändler. Das macht sehr deutlich, dass wir es hier mit spekulativen Dynamiken zu tun haben, wo sehr fragwürdig ist, ob das irgendeinen gesellschaftlichen Mehrwert hat."
Einen Nutzen könnten die Vorfälle rund um die Gamestop-Aktie trotzdem gehabt haben – wenn wieder verstärkt über Finanzmarktregulierung gesprochen werden würde: "Was kann man tun, um Finanzmärkte wieder als Werkzeuge, als Dienstleister der realwirtschaftlichen Entwicklung zu etablieren und nicht als davon entkoppelte Spekulationswerkzeuge? Dann hat es auf jeden Fall etwas Gutes gehabt", sagt Leonhard Dobusch.
(nog)
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