Gallery Weekend in Berlin

Die Krise drückt auf die Party-Stimmung

Besucher betrachten am 02.05.2014 Kunstwerke der US-Künstlerin Dorothy Iannone in der Berlinischen Galerie in Berlin. Viele Berliner Galerien laden vom 2. bis 4. Mai beim "Gallery Weekend Berlin" zu einem Rundgang durch ihre Ausstellungen ein. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Das Interesse an zeitgenössischer Kunst beim Gallery Weekend ist ungebrochen. Doch die solventen Käufer brechen in der Wirtschaftskrise weg. © picture alliance/dpa/Bernd von Jutrczenka
Barbara Wiegand im Gespräch mit Liane von Billerbeck  · 29.04.2016
Ungewöhnliche Spinnen-Installationen, Skulpturen aus Zeitungspapier, viel Fotografie: Das Gallery Weekend in Berlin zeigt quicklebendige zeitgenössische Kunst. Allerdings trübe die anhaltende Wirtschaftskrise die Party-Stimmung auf dem Kunstmarkt, sagt Kunstkritikerin Barbara Wiegand.
Liane von Billerbeck: Vor elf Jahren hatten einige junge Galeristen in Berlin die Idee, mal was anders zu machen. Was anderes als eine normale Kunstmesse. Sie taten sich zusammen zum Gallery Weekend. Die Idee – so geht es manchmal – war ein voller Erfolg! Sammler kamen in die Stadt, inzwischen machen auch etliche Museen mit, Projekt- und andere Ausstellungsräume hängen sich dran. Heute nun wird das zwölfte Gallery Weekend eröffnet und meine Kollegin Barbara Wiegand hat sich vorab schon ein bisschen umgesehen. Deshalb zuerst die Frage: Was muss man denn gesehen haben, welche der 54 Galerien sollte man in den drei Tagen besuchen?

Plastiken aus Zeitungspapier

Barbara Wiegand: Also, ich muss gestehen, ich habe mir vorher natürlich auch einen kleinen Plan gemacht, denn alles schafft man irgendwie nicht, um dieses weite Spektrum natürlich auch abzudecken. Es gibt da irgendwie … Fotografie gibt es, Zeichnungen, ein bisschen Malerei auch, Installationen, Kunstaktionen und zunehmend auch in Berlin immer gut verkäufliche, etablierte, die frühen Expressionisten … Paula Modersohn-Becker ist dabei, es gibt Fotos des Turner-Preisträgers Wolfgang Tillmans.
Und es gibt auch so eine ganz tierische Installation, Tomás Saraceno bei Esther Schipper: Er lässt da eine Spinne, eine asiatische, schön gezeichnete Spinne ans Werk gehen. Und deren Vibrationen bei der Arbeit übertragen sich auf Lautsprecher, also, das geht dann wieder in den Raum, das wirbelt den Staub auf, der da naturgemäß liegt in diesem abgedunkelten Raum. Man sieht das auf einer Videoleinwand und bewegt auch selbst natürlich den Staub. Und die eigenen Bewegungen, diese Vibrationen, die übertragen sich wiederum auf die ja ansonsten taube und blinde Spinne. Und das ist so eine … Ich fand es wirklich eine kunstvolle Art der Kommunikation.
Ganz anders, auch ganz anders beeindruckend die kleinen Plastiken aus alten Zeitungen und Verpackungen, mit denen der amerikanische Künstler Michael Rakowitz sich bei Barbara Wien mit den Kulturgutverlusten im Irak beschäftigt: In einem 2007 begonnenen Projekt, das er immer weiter fortführt, zeigt er Replikationen der Kunst, die dort eben verloren ging aus dem Museum im Irak, die zerstört wurde, die teils bis heute verschwunden ist. Man redet da von immerhin von 7.000 Objekten wohl noch.
Die Installation der schwedischen Künstlerin Klara Liden ist am 30.04.2015 in der Galerie Neu in Berlin zu sehen. Vom 1. bis zum 3. Mai zeigen 47 teilnehmende Galerien beim 11. Gallery Weekend Berlin ihre Ausstellungen.
Ein Wochenende mit moderner Kunst: Besucherin beim Gallery Weekend, das seit elf Jahren in Berlin stattfindet.© picture alliance/dpa/Stephanie Pilick
von Billerbeck: Das ist eine Menge. Gibt es denn irgendwie Schwerpunkte oder irgendeinen Trend bei diesem Gallery Weekend, den Sie beobachtet haben?
Wiegand: Es gibt erstaunlich viel Fotografie zu sehen. Vielleicht weil ja auch … Die Galeristen reden immer so ein bisschen schnöde von Flachware, die ist leichter …
von Billerbeck: Schöner Ausdruck!
Wiegand: … zu verkaufen im Grunde genommen. Denn darum geht es natürlich an diesem Wochenende auch, um die Verkäufe muss es gehen gerade auch in Zeiten, in denen der Kunstmarkt ja auch so ein bisschen von der Krise mittlerweile auch gebeutelt ist, sieben Prozent weniger Umsatz meldet der Marktreport der niederländischen Kunstmesse TEFAF für das vergangene Jahr. Und da setzt man natürlich auch so ein bisschen auf Sicherheit.
Das zeigt sich auch daran, ich habe ja erwähnt, Paula Modersohn-Becker ist dabei, K. H. Hödicke, das sind so ein bisschen Nachkriegsmoderne, wo man sich verspricht, okay, das kriege ich sicherer verkauft. Aber man traut sich durchaus auch an ernste Politik heran, ich habe dieses Projekt erwähnt von Rakowitz, es gibt bei KOW, in der Galerie, wird erstmals in Deutschland gezeigt der in Irak geborene Hiwa K, und seine Videos von mittendrin im irakischen Frühling, das ist auch sehr beeindruckend, sehr nah dabei.
Und Tobias Zielony wird dort auch gezeigt, der hat Flüchtlinge in Berlin begleitet mit seiner Kamera, überschreitet damit ganz spannend die Grenze zwischen Aktivist und Künstler, ist manchmal ein bisschen verallgemeinernd in seinen Statements, aber es ist trotzdem toll, weil er wirklich ein Fotograf ist, der immer nah dabei ist und sehr beeindruckende Fotos macht.
von Billerbeck: Ich hätte ja gedacht, dass bei so einem Gallery Weekend es vor allen Dingen darum geht, Bilder und Skulpturen auszustellen und vor allem zu verkaufen. Nun haben Sie ja schon erzählt, dass es durchaus auch in der Kunstszene kriselt. Das heißt, manche mussten aufgeben, der Umsatz ist zurückgegangen. Gab es denn auch welche, die angefangen haben?

Berlin: "the place to be"

Wiegand: Es gab einige wenige, die auch angefangen haben bei den Galeristen. Das erstreckt sich allerdings mit dem Anfangen mehr auf die Sammler, da ist Berlin schon noch the place to be. Der Sammler Feuerle hat einen Hochbunker umgebaut am Halleschen Ufer hier in Berlin für relativ viel Geld, das ist auch sehr spannend vor allen Dingen von der Architektur. Er zeigt asiatische Kunst, neue zeitgenössische zeigt er dort.
Also von daher schon noch the place to be. Aber jenseits des Hypes scheint es mir also auch dort jetzt doch ernster zuzugehen. Also, man könnte jetzt wirtschaftlich sagen, es ist so eine gewisse Konsolidierung, man konzentriert sich wieder mehr auf die Inhalte, spricht auch mehr darüber, hatte ich den Eindruck. Früher war ja da viel Party und viel Hype mit am Gange, aber es ist auch nötig natürlich, weil die Finanzkrise natürlich eine Rolle spielt, gerade für den Mittelstand. Hier die meisten Galerien leben von mittelständischen Sammlern, die gehen schon zögerlicher mittlerweile ans Geld.
Und die großen Global Player, das sind nicht so viel in Berlin, das sind vielleicht 20 von 400 Galerien. Aber die bekommen natürlich zu spüren die Wachstumsschmälerung in China, dass es weniger Wachstum dort gibt in Russland, denn dort gab es früher viele Sammler. Ich glaube nicht, dass so viele hier mit den Panama Papers und den Kunsteinlagerungen in Zolllagern zu tun haben, also mit dieser Kunst, die mit dem Schwarzgeld dafür gekauft wird, aber dennoch, die Wirtschaftskrise bekommen sie schon deutlich zu spüren.

Der Kampf der Kunstreviere

von Billerbeck: Nun gibt es ja verschiedene Messen und ich habe gelesen, dass im nächsten Jahr die Art Cologne, die Deutsche Kunstmesse und das Artforum zusammenfallen. Kanibalisieren sich die nicht alle gegenseitig?
Wiegand: Das ist immer so ein bisschen so ein Kampf zwischen diesen Kunstrevieren gewesen, auch schon zu Zeiten, als es hier in Berlin auch noch eine Kunstmesse gab, das Artforum. Das scheint jetzt wieder ein bisschen belebt zu werden. Das ist schon pikant, denn es gibt natürlich auch viele Berliner Galeristen, die sind auf der Art Cologne, die hatte sich ja mittlerweile auch sehr gut neu aufgestellt, die sind dort auch präsent. Andererseits aber, wenn das jetzt auf den gleichen Termin fällt, zu Hause muss man natürlich präsent sein. Das heißt, sie werden da schon ein Problem haben.
Deswegen setzt man jetzt natürlich auch Zeichen, muss auch Zeichen setzen, muss sich auch gut aufstellen. Ich finde, für meine Begriffe, was ich gesehen habe, ist das ganz gut gelungen, man bekommt gute Qualität zu sehen. Und was natürlich gegenüber einer Messe auch an dieser Idee immer noch ein großer Vorteil ist, ob man nun dahingeht und kaufen kann oder auch nur sich informiert: Man kann in diese Galerie reingehen, in diesem normalen Umfeld, man geht mit dem Galeristen, man kann sich in Ruhe in einer persönlichen Atmosphäre unterhalten über Kunst, erlebt das hautnah direkt. Manchmal ist der Künstler auch da und das ist an so einem Format natürlich sehr, sehr spannend.
von Billerbeck: Barbara Wiegand mit ein paar Eindrücken über das heute eröffnete Gallery Weekend in Berlin. Danke Ihnen!
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