Galileo-Satelliten funken richtig

Von Dirk Asendorpf · 09.05.2012
Galileo, das europäische Gegenstück zum US- Satellitennavigationssystem GPS, hat vor allem mit Kostensteigerungen von sich reden gemacht. Doch jetzt kommt erstmals eine Erfolgsmeldung: Die ersten beiden im Oktober 2011 gestarteten Galileo-Satelliten sind voll funktionstauglich.
Zwei Wartungstechniker haben sich den Motor einer der gut zwei Dutzend gewaltigen Parabolantennen vorgenommen, die schneeweiß aus einem grünen Hochtal der Ardennen ragen. Redu, das benachbarte Dorf, hat keine 500 Einwohner; Brüssel und Luxemburg, die nächstgelegenen Großstädte, sind mit all ihren Mobilfunkmasten, Radiosendern und Radaranlagen mehr als 100 Kilometer entfernt.

Seit über 40 Jahren nutzt die europäische Raumfahrtagentur ESA die Funkstille der abgelegenen Basis für Funktionstests an Satelliten auf Umlaufbahn.

"Radiowellen lassen sich nun mal sehr leicht stören. Und wir haben hier sehr, sehr wenig Interferenzen von anderen Radioeinstrahlungen, und das ist natürlich ein wichtiger Punkt für uns, um die Signale so sauber wie möglich empfangen zu können und zu senden."

In den letzten Wochen haben sich Betriebsleiter Klaus Wasserberg, der einzige deutsche Mitarbeiter des Testzentrums, und seine belgischen Kollegen die ersten beiden, im Oktober 2011 gestarteten Satelliten des europäischen Galileo-Navigationssystems vorgenommen. Die größte Parabolantenne in Redu wurde eigens dafür errichtet, 140 Tonnen ist sie schwer.

"Die hat 20 Meter Durchmesser, da liegt auch ne gewisse Windlast drauf und die Windlast muss natürlich von den Fundamenten komplett abgefangen werden und natürlich auch von der kompletten Mechanik solch einer Antenne. Je genauer Sie auf den Satelliten zielen können, desto besser können Sie natürlich die Signale analysieren und eine desto bessere Empfangsleistung haben Sie natürlich auch. Wenige Millimeter Bewegung in der Antenne sind da schon zu viel."

Die in Redu empfangenen Funkwellen der Galileo-Satelliten haben tatsächlich die nötige scharfkantige Form gezeigt. Exakte Signale sind die Voraussetzung für exakte Navigation. Und sie sind nötig, damit sich die verschiedenen Systeme nicht gegenseitig stören. Galileo, das amerikanische GPS und das russische Glonass werden ihre Signale nämlich im gleichen Frequenzbereich ausstrahlen, damit sie von Navigationsgeräten gemeinsam genutzt werden können. Javier Benedicto, der technische Direktor des Galileo-Programms bei der ESA, ist zufrieden.

"Die Umlaufbahn-Tests sind jetzt abgeschlossen. Wir hoffen, dass wir die nächsten beiden Satelliten noch in diesem Jahr starten können. Bis dahin werden wir weitere Tests durchführen, um festzustellen, mit welcher Genauigkeit und Zuverlässigkeit die Signale auch in schwieriger Umgebung durchdringen - in Großstädten, innerhalb von Gebäuden und auch draußen in der Natur, wo das dichte Blätterdach von Alleebäumen die Signale vor allem im Frühling stark abschirmen kann."

Statt wie beim bisherigen GPS mit einer Abweichung von bis zu 20 Metern soll die Position bei der Kombination von GPS und Galileo-Signalen künftig bis auf einen Meter genau angezeigt werden. Und das auch in der Vertikalen. Erstmals könnte damit eine Navigation innerhalb von Gebäuden möglich werden. Denn aus der Höhenangabe kann das Empfangsgerät errechnen, in welchem Stockwerk es sich befindet. Noch ist es allerdings nicht so weit. Die Entwicklung von Galileo dauert wesentlich länger und wird deutlich teurer als erhofft. Nicht 2008, wie ursprünglich geplant, sondern frühestens 2015 wird Europas Satellitennavigationssystem in Betrieb gehen können und bis dahin nicht 3,4 Milliarden Euro, sondern mindestens 5,5 Milliarden Euro kosten. Neben langwierigen bürokratischen Verfahren und zähen Verhandlungen bei der Auftragsvergabe hätten auch technische Gründe dazu beigetragen, versichert Galileo-Direktor Benedicto.

"Unser System ist ja deutlich anspruchsvoller als GPS und Glonass. Wir haben sehr viel Zeit damit verbracht, unsere Signale exakt festzulegen. Und immer wenn wir daran etwas geändert haben, dann mussten wir unsere ganze Entwicklung darauf hin anpassen. So eine Mission erledigt man halt nicht an einem Tag."

Der Zutritt zum Kontrollraum des ESA-Testzentrums in Redu wird streng kontrolliert. Satellitennavigation ist ein Milliardenmarkt, Gefahr droht nicht nur durch Industriespionage, meint der Ingenieur Christian Lezy.

"Auch gegen Hackerangriffe müssen wir uns schützen. Wir haben es hier ja mit sensiblen Informationen zu tun. Wir empfangen die Satellitensignale, dann analysieren wir die Daten. Dafür haben wir dort den großen Bildschirm, auf dem wir in Echtzeit alle Messergebnisse sehen können. Bis zu 20 Leute arbeiten hier gleichzeitig - am Morgen, am Tag, am Abend und meistens in der Nacht."

Draußen vor der Tür müssen sich die Antennen während des Überflugs eines Galileo-Satelliten so mitdrehen, dass sie ihn stets voll im Visier haben. Diese Bewegung ist allerdings ausgesprochen langsam. Für eine volle Erdumrundung braucht ein Galileo-Satellit auf seiner 23.000 Kilometer hohen Umlaufbahn gut 14 Stunden, von Horizont zu Horizont können die Parabolspiegel in Redu ihn bis zu acht Stunden lang anpeilen.

"Dann sehen Sie zwar ein Blinklicht an der Antenne, die warnt, nun bewegt sich die Antenne, aber wirklich mit dem Auge wahrnehmen können Sie das nicht."