Galerist in Myanmar

Politik mit Kultur umkrempeln

Soldatinnen aus Myanmar bei einer Parade am Unabhängigkeitstag des Landes.
Soldatinnen aus Myanmar bei einer Parade am Unabhängigkeitstag des Landes © picture alliance / dpa
Von Johannes Nichelmann  · 12.01.2015
Myanmar, das frühere Birma, hat sich plötzlich geöffnet - nach über 50 Jahren Militärdiktatur. Zunächst herrschte Aufbruchstimmung in der Kulturszene, dann griff die Politik doch wieder autoritär durch. Der Galerist Aung Soe Min möchte trotzdem sein Land mit Kunst verändern.
Zwe Yan Naing: "Mit diesem Bild will ich die politischen Umstände und das Leben der Leute hier miteinander verbinden. Dafür brauchte ich ein Symbol. Und Aung San Suu Kyi passt dafür doch am Besten."
Der 30-jährige Künstler Zwe Yan Naing präsentiert dem Galeristen Aung Soe Min sein neustes Werk. Er hat das mannshohe Bild ausgerollt, hält es mit beiden Armen nach oben. Zu sehen ist die Friedensnobelpreisträgerin und Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi. In vielen bunten Farben, verflochten mit einem burmesischen Mädchen. Ikonenhaft. Der 44-jährige Aung Soe Min zieht an seiner Zigarette, betrachtet das Bild.
Aung Soe Min: "Großartig! Ja, also das ist Teil einer Serie, die er 2007 oder so angefangen hat. Es ist immer Aung San Suu Kyi darauf zu sehen. Zu dieser Zeit hat kein Künstler Aung San Suu Kyi für seine Arbeiten benutzt. Weil sie unter Arrest stand und die politische Situation insgesamt sehr schlecht war. Inzwischen läuft das etwas besser."
Seit acht Jahren arbeiten die beiden zusammen. Früher waren die Bilder dieser Serie echte Ladenhüter, jetzt verkaufen sie sich gut.
Die "Pansodan Gallery" ist zu einer der Adressen für politische Kunst geworden. Hohe unverputzte Wände, überall hängen abstrakte Gemälde. Realismus ist kaum zu finden. Gegründet 2008, noch zu Zeiten der Militärdiktatur. Der junge Künstler Zwe Yan Naing sagt, dass er ohne das alles hier vielleicht nicht mehr seiner Berufung nachgehen könnte. Er ist Aung Soe Min dankbar.
Zwe Yan Naing: "Hier in der Galerie kann ich das erste Mal in meinem Leben Künstler sein. Das gibt mir eine Menge Selbstbestätigung."
Die Galerie liegt an einer der Hauptverkehrsadern von Yangon, in der Pansodan Street. Hier tummeln sich viele fliegende Buchhändler. Durch sie hat Aung Soe Min – ein kleiner stämmiger Mann mit kurzen, lockigen schwarzen Haaren - die Welt in einer Zeit kennengelernt, in der Myanmar verschlossen war. Sie haben ihn auch dann lesen lassen, wenn er sich die Bücher nicht leisten konnte. Ihnen widmet der Galerist diesen Ort. Neun Ministerien zeichnen sich bis 2011 dafür zuständig, seine Ausstellungen und Veranstaltungen zu genehmigen. Ein Spießrutenlauf. Dennoch ziehen viele Künstler nach, Aung Soe Min verändert die Kulturwelt in Yangon.
Aung Soe Min: "Nachdem wir hier angefangen haben mit der Galerie sind viele nachgezogen. In den letzten sieben Jahren kamen hier in der Stadt dreißig neue Galerien dazu."
Unter dem Militärregime wurden Menschen mit seinen Interessen wenig toleriert. Aung Soe Min lernt einen Beruf, der gar nicht zu ihm passt.
Aung Soe Min: "Ja... mechanischer Ingenieur. Das ist so ein Fehler des Sozialismus, dass wir nicht viel Wahlfreiheit haben. Aber als ich in der Ingenieurs-Schule war hab ich trotzdem viel über Kunst gelernt. Malen, schreiben, Filme machen. Kreatives eben."
Mönche und Studenten demonstrierten gegen General Ne Win
Eine Etage über der Galerie lagert der größte Schatz von Aung Soe Min. Seit 15 Jahren sammelt er alles, was das kulturelle und politische Leben Myanmars dokumentiert. Von der britischen Kolonialzeit bis ins jetzt. Überall stapeln sich Bücher, Akten, Filmplakate, Fotos und gerahmte Bilder. Propagandamaterial von allen Seiten. Dinge, die von den staatlichen Einrichtungen längst zum Vergessen freigegeben wurden. Es riecht nach staubigem Papier. Ein Mitarbeiter, ein ehemaliger Buchhändler, ist dabei einige handgeschriebene Bände zu katalogisieren.
Aung Soe Min: "Mein Gefühl sagt mir, dass das hier sehr wichtig für die Zukunft von Birma ist. Gerade für Historiker. Die Behörden werden sich jetzt gerade nicht sonderlich dafür interessieren. Aber noch vor vielleicht zehn Jahren hätte ich davon niemandem erzählen dürfen. Die wollten hier keine intellektuelle Kultur. Das alles hier ist nicht sehr bekannt..."
Er bedauert, die Zeitdokumente nicht alle vor dem Zerfall retten zu können. Allein über 200.000 Fotos, teilweise von historischen Momenten. Sie lagern an drei verschiedenen Orten der Stadt, auch in der Privatwohnung von ihm und seiner Frau.
Aung Soe Min: "Das was Sie hier sehen ist von 1947, von einer Konferenz. Von dem historischsten Treffen verschiedener ethnischer Gruppen in Birma. Das ist eines der Originale. Das hier ist auch, wie Sie sehen, ein handgemachtes Flugblatt von 1988, dass damals verteilt wurde. Aus dem Untergrund."
1988 – Mönche und Studenten gehen gegen das Regime des grausamen Generals Ne Win auf die Straße. Die Demokratiebewegung wird blutig niedergeschlagen. Der 18-jährige Aung Soe Min ist damals Teil der Bewegung. Das hier soll jetzt sein Beitrag sein, Demokratie nach Myanmar zu bringen. Ein Lebensprojekt. Er will, dass irgendwann jeder kleine Ort sein eigenes Heimatmuseum hat. Denn nur, wenn die Menschen ihre eigene Geschichte verstünden, könnten sie Demokratie lernen. Seine Hoffnung ist groß, dass sich eines Tages doch noch alles ändert. Der 2011 angeschobene Reformprozess scheint gerade ins Stocken zu geraten. Die Aufbruchsstimmung im Land ist passé.
Aung Soe Min: "Meine Familie hat mich aufgegeben. Schon lange. Seit 1988."
Aber sie sind stolz auf sie, oder?
"Ich glaub schon. Meine Mutter hat mich immer unterstützt. Sie gehört auch zu den Intellektuellen in Birma. Sie verstehen mich alle sehr gut."
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