Gästelisten in Restaurants

Wann die Polizei die Daten nutzen darf

06:41 Minuten
Im Biergarten Paulaner am Nockherberg in München sind bei der Wiedereröffnung nach der Lockerung der Corona-Schutzmaßnahmen die Tische mit Nummern markiert.
Wiedereröffnung der Biergärten im Mai. Die Tischnummer geben Gäste an, wenn sie ihre Kontaktdaten in die Gästeliste eintragen. © picture alliance / Geisler-Fotopress / Steffi Adam
Michael Watzke im Gespräch mit André Hatting · 20.07.2020
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Im Kampf gegen das Coronavirus müssen Restaurantgäste Namen, Adresse und Telefonnummer in Listen eintragen, sowie den Zeitraum ihres Besuches. Nun hat die Polizei diese Daten auch genutzt. Das darf sie - aber nur in bestimmten Fällen.
Um die Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern, müssen Restaurantgäste Namen, Adresse und Telefonnummer sowie den Zeitraum ihres Besuches angeben, wenn sie einkehren. Mit den Daten sollen mögliche Infektionsherde schnell erkannt und Personen, die in der Nähe von Infizierten saßen, möglichst schnell erkannt und informiert werden.
Im Kleingedruckten heißt es auf den Formularen meist, die Daten würden vertraulich behandelt und nach 14 Tagen gelöscht.
In Bayern – und auch in anderen Bundesländern – waren diese persönlichen Daten von Restaurantbesuchen aber auch schon der Polizei bei Ermittlungen dienlich. Die Polizei in Bayern habe die Listen in mindestens zehn Fällen genutzt, berichtet unser Korrespondent Michael Watzke aus dem Freistaat. Auch aus Hamburg sei ihm ein Fall bekannt und auch in Nordrhein-Westfalen würde auf die Daten wohl zugegriffen.

Für die Strafverfolgung nutzbar

Frederick Richter, Vorstand der Stiftung Datenschutz, sagt, die Polizei dürfe diese Daten zwar nicht generell nutzen, aber unter bestimmten Bedingungen schon: "Es müssen konkrete Ermittlungen wegen Straftaten sein. Und wenn zum Beispiel eine Rechnung nicht bezahlt wird, dann sind wir ja noch im Zivilrecht. Wenn wir im Bereich der Strafverfolgung sind, dann heißt es, dass Behörden schon tätig sind, dass die Staatsanwaltschaft angeordnet hat, dass Daten durch die Polizei verwendet werden dürfen." Geregelt ist das im Bundesdatenschutzgesetz, in den Paragrafen 23 und 24.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat sich zu dieser Nutzung bekannt: In vielen Situationen sei es wichtig, diese Daten zu verwenden. Man dürfe das, und dann tue man das auch. Beispielsweise hat Herrmann einen Fall zitiert, in dem es um einen vermissten Wanderer ging, den man dann - mithilfe der Daten aus einem Restaurant - kontaktieren konnte.
Michael Kuffer, Innenexperte der CSU im Bundestag, vergleicht die Situation mit Nummernschildern am Auto. Wenn er ins Büro fahre, werde das Nummernschild gesehen. "Und dann weiß manE, erklärt er, "dass ich die Sonnenstraße heruntergefahren bin. Ähnlich ist es mit den Listen, wenn die unmittelbar zur Gefahrenabwehr benutzt werden. Warum nicht? Ich bitte an der Stelle wirklich, jetzt nicht überzuschnappen."

Forderung nach Bundesgesetz

Das Versprechen der Vertraulichkeit auf den Zetteln, die ausgefüllt werden müssen, schützt also nicht umfassend vor einer Nutzung durch die Polizei, auch wenn die meisten Gäste die Daten in dem Glauben gäben, dass nur das Gesundheitsamt die Daten verwende.
Katharina Schulze, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag, spricht von einem problematischen Spannungsverhältnis. "Auf der einen Seite die Verordnung für die Infektionsschutzmaßnahmen, die sagt, Daten gehen nur an die Gesundheitsämter. Und auf der anderen Seite haben wir das Strafgesetz, wo die Polizei darauf zugreifen kann", sagt Schulze. "Darum glaube ich, liegt die Lösung darin, dass wir eine bundesweit einheitliche Regelung haben. Transparenz und ein Begleitgesetz, das genau diese Fälle regelt, sodass alle wissen, was mit ihren Daten passiert."
Einige Datenschützer fordern entweder ein Begleitgesetz - wie die Grünen-Politikerin - oder gleich, dass die Polizei keinen Zugriff mehr haben solle, weil sonst die Menschen eben Max Mustermann eintragen, aus Angst, sonst von der Polizei zu hören. Andere Datenschützer sagen, man sollte das Ganze nicht so heiß kochen – es gehe letztlich um wenige Fälle in Bayern.

Eher Bedenken wegen Annäherungsversuchen

Wirtshausbesucher und Wirtshausbetreiber reagieren unterschiedlich. An der Ecke vor dem Deutschlandradio-Studio in München hätten Gäste eher die Bedenken geäußert, dass andere Kunden die eigene Telefonnummer sehen könnten, berichtet Michael Watzke: Dass sie also plötzlich von nachfolgenden Gästen aus Flirtgründen angerufen würden.
Und die Wirte haben einfach Angst, dass sie etwas falsch machen, so Watzke: "Die haben das Gefühl, sie müssen dafür sorgen. Sie sind dazu verpflichtet. Aber sie sind am Ende möglicherweise die Dummen, wenn etwas schiefgeht, wenn sie irgendwas falsch machen."
(mfu)
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