G20-Gipfel

"Wir haben eine Anarchie der Steuerpolitik"

Markus Henn im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 20.09.2014
Heute treffen sich die G20-Finanzminister, um über Maßnahmen gegen Steuerflucht zu beraten. Markus Henn vom Netzwerk Steuergerechtigkeit hat keine großen Erwartungen an das Treffen: Auch die Bundesregierung tue zu wenig.
Man müsse zwar zugestehen, dass Deutschland in Besteuerungsfragen unter Druck stehe, sagte Henn im Vorfeld des Treffens der G20-Finanzminister und Notenbank-Chefs. Dennoch halte er es für einen Skandal, dass Deutschland international nicht mehr Druck auf Steueroasen mache. Es sei "einfach undenkbar", dass Deutschland innerhalb der EU diesbezüglich keinen Druck auf Länder wie Irland oder die Niederlande ausübe, kritisierte der Koordinator des Netzwerks Steuergerechtigkeit. "Wir denken, Deutschland hätte das Gewicht, das zu untersagen. Und sie tun dort viel zu wenig und lassen das einfach gewähren."
Keine Lösung in der Frage der "Patentboxen"
Vom Treffen der G20-Finanzminister in Australien erwartet Henn sich keine weiteren Fortschritte. Vor allem bei den sogenannten Patentboxen hätten sich einige Staaten ganz offen gegen Lösungen gewehrt. "Dass Herr Schäuble das in Australien jetzt lösen möchte, halte ich für eine sehr unwahrscheinliche Sache."
Dahinter steht, dass Einnahmen aus Patentgebühren in bestimmten Ländern steuerbegünstigt sind, wenn das betreffende Patent in dem Land liegt. In Luxemburg beispielsweise seien 80 Prozent dieser Einnahmen steuerfrei. Wenn ein Unternehmen ein Patent gezielt in Luxemburg ansiedele, könne es damit "extrem viel Steuern sparen", so der Koordinator des Netzwerks Steuergerechtigkeit.
Globale Steuerpolitik sollte von der UNO koordiniert werden
Henn kritisierte außerdem, dass Ansätze einer internationalen Steuerpolitik von der OECD koordiniert würden. Diese berücksichtige die Interessen von Entwicklungsländern nicht genug. Insofern seien die Vereinten Nationen besser geeignet, eine global koordinierte Steuerpolitik voranzutreiben:
"Daraus könnte dann auch auf Dauer eine Art Weltsteuersystem oder -steuerbehörde in der langen Frist entstehen. Das wäre auf jeden Fall begrüßenswert, aber jetzt haben wir vielfach eine Anarchie der Steuerpolitik."
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