G20-Gipfel als Videokonferenz

"Virtuelle Treffen sind besser als nichts"

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Das Medienzentrum des G20-Gipfels
Das Medienzentrum in Riad arbeitet in Präsenz, aber das Gipfeltreffen wird nur virtuell stattfinden © picture-alliance/XinHua/Tu Yifan
Martin Kobler im Gespräch mit Ute Welty  · 21.11.2020
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Den G20-Gipfel im Videoformat abzuhalten, hält der Ex-Diplomat Martin Kobler keineswegs für Zeitverschwendung. Es sei wichtig, über die Pandemie und Klimaschutz zu sprechen sowie das Format in coronafreie Zeiten hinüberzuretten.
Der Kampf gegen die Coronapandemie ist das zentrale Thema des G20-Gipfels führender Wirtschaftsmächte, der heute als Videokonferenz unter Leitung Saudi-Arabiens beginnt. An den zweitägigen Beratungen werden Bundeskanzlerin Angela Merkel, der chinesische Staatschef Xi Jinping, Russlands Präsident Wladimir Putin und ein letztes Mal auch US-Präsident Donald Trump teilnehmen.
Eigentlich sollte der Gipfel ein Großereignis mit Tausenden Gästen in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad werden. Jetzt konferieren die Staats- und Regierungschefs nur etwa sechs Stunden per Video. Die sonst so wichtigen Gespräche unter vier Augen oder in kleinem Kreis am Rande fallen weg.

Reden über den Elefanten im Raum

"Im Fall von G20 finde ich, dass sich die Staats- und Regierungschefs treffen sollten", sagt der frühere Diplomat Martin Kobler. Die Videokonferenz sei da nicht das Mittel der Wahl. Schließlich gehe es dabei auch um die bilateralen Beziehungen zwischen den Staaten. Merkel sehe beispielsweise den mexikanischen oder argentinischen Staatschef nur bei solchen Treffen, wenn sie nicht gerade das jeweilige Land besuche.
Außerdem gehe es "um den berühmten Elefanten im Raum", sagte Kobler mit Blick auf die Veränderungen nach der Wahl in den USA. "Was macht Trump bis zum 20. Januar und wie geht es hinterher weiter?" Solche Fragen stünden nicht auf der Tagesordnung, sondern würden bilateral besprochen. Deswegen wären persönliche Treffen besser.

"Keine Zeitverschwendung"

Kobler widerspricht dem Vorwurf, die Videokonferenz der G20 sei reine Zeitverschwendung. Es sei wichtig, bestimmte Formate in schwierigen Zeiten zu erhalten, auch wenn diese nur digital stattfänden. Kobler verweist darauf, dass über die Pandemie, den Klimaschutz und die Schuldenkrise des globalen Südens gesprochen werde. "Das ist keine Zeitverschwendung."
Formate wie G20 müssten hinübergerettet werden in eine Zeit, in der man sich wieder persönlich treffen könne. "Aber es ist natürlich suboptimal", so der Ex-Diplomat. "Virtuelles Treffen ist besser als nichts, aber es ist grundsätzlich besser, persönliche Treffen zu haben."

Vorteile der Videokonferenz

Doch es gebe auch positive Seiten. Immer dann, wenn es rituell werde und beispielsweise offizielle Erklärungen abgelesen würden, könnte man das gut über Videolinks machen, sagt der Ex-Diplomat.
Manchmal sei eine Videokonferenz sogar von Vorteil. Kobler nannte als Beispiel die Videokonferenz der EU-Staats- und Regierungschefs vergangene Woche, bei der es um das Veto von Ungarn und Polen gegen die Rechtsstaatlichkeitsklausel der EU und die Blockade des Haushalts ging. "Ich habe jetzt in der Presse gelesen, das ist ziemlich kurz gewesen." Die Atmosphäre sei sehr kühl gewesen. Das sei vielleicht passend.

Früher Telefon, heute Video

Kobler erinnert an seine Zeit als Bürochef des früheren Außenministers Joschka Fischer während des Kosovo-Krieges. Auch damals habe man sich in Telefonschaltkonferenzen mehrmals in der Woche mit der US-Außenministerin Madeleine Albright sowie dem britischen und französischen Amtskollegen eng abgestimmt. "Erstens der Informationsaustausch, zweitens die Linien abgestimmt."
Es habe damals ein enges Vertrauensverhältnis gegeben. "Da muss man sich nicht treffen, da ist es gut, man greift zum Hörer und macht Telefonschaltkonferenzen", sagt Kobler. "Heute würde man das über Videolinks machen."
(gem)



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