G wie Geld

    Von Jürgen Liebing · 13.05.2013
    Lange Zeit hatte Richard Wagner so gut wie gar keins, dann ziemlich viel, aber in jedem Falle immer zu wenig.
    Richard Wagners Verhältnis zum Geld lässt sich eigentlich in einem Satz zusammenfassen: Lange Zeit hatte er so gut wie gar keins, dann ziemlich viel, aber in jedem Falle immer zu wenig. Wenn sein Fliegender Holländer gerade eben reiche Schätze einsetzen kann – vordergründig für ein Dach überm Kopf, aber eigentlich als Preis für jene Braut, die ihn endlich am warmen Ofen aus seiner ewigen Seefahrerei erlösen soll – dann ist diese Vorstellung angesichts von Wagners eigener ärmlicher Situation in Paris, wo Anfang der 1840er-Jahre wesentliche Teile der Oper entstanden, eine Art masochistische Selbstkasteiung: Hatten ihn doch erst kurz vorher die überhand nehmenden Schulden bei Nacht und Nebel mit Weib und Hund sogar aus seinem damaligen Wirkungsort Riga vertrieben.

    Bänder und Spangen liebte Richard – ein Fetischist wohlig-kuscheliger Samt- und Seidengewänder – zwar auch selbst heftig; aber es macht eben doch einen kleinen Unterschied, ob man solche Dinge aus gesichertem eigenen Vermögen oder nur auf Pump mit sich herumführen kann. Wenn es damals schon Girokonten-Auszüge heutigen Stils gegeben hätte, wäre dem Komponisten jahrelang ständig rot vor Augen geworden; und bei gewissen antikapitalistischen Impulsen, die sich besonders in der "Ring"-Tetralogie finden, darf man getrost davon ausgehen, dass sie nicht nur Wagners mehr oder weniger tiefgründigen philosophisch-politischen Studien, sondern genauso den handfesten Herausforderungen seiner aktuellen Lebenssituation entsprungen sind. Während seinem Holländer zwar Weib und Heim fehlen, er aber wenigstens auf satte Barschaften und Sachwerte zurückgreifen kann, vermisste Richard in den langen Exiljahren, nachdem es auch mit Frau Minna nicht mehr so richtig lief, gelegentlich wohl alles das miteinander; zwischen geborgten Betten, unerreichbaren Traumfrauen und höchst unregelmäßigen Kontenzuflüssen war dann die Kunst allein auch nicht mehr der rechte Trost. Bis dann – manchmal gibt es ja Märchen auch im richtigen Leben – Ludwig II. erschien und zumindest der Dauerflaute in Börse und Guthaben ein Ende setzte.

    Nun gut, die Weltherrschaft war es nicht gerade, die dem Künstler – da war er immerhin schon über 50 – durch Ludwigs Rettungsruf blühte. Aber er war nun materiell das erste Mal halbwegs sorgenfrei gestellt. Jetzt hätte er es halten können wie der zum Lindwurm mutierte Riese Fafner in seinem "Siegfried":

    Aber zum Liegen und Schlafen war der sächsische Musiktheater- und Weltverbesserer, nun endlich nah am Ziel seiner Träume, viel zu quick; und was das Besitzen betraf, konnte er sich nun, mit eigener Villa und dem alsbald im Bau befindlichen Festspielhaus in Bayreuth, zwar endlich im Kultur-Großbürgertum angekommen fühlen, aber die Kalamitäten hatten sich nur verlagert: nun war es nicht mehr Wagners eigener Hausstand, sondern der königlich bayerische Staatshaushalt in München, der die Folgen seiner exzentrischen Höhenflüge auszustehen hatte; gleich die ersten Bayreuther Festspiele 1876 endeten mit einem Minus, das nach heutiger Währung ungefähr 1,15 Millionen Euro ausmachen würde. Aus einem privaten war ein kameralistisches Problem geworden, und nicht wenige Historiker sehen in den daraus resultierenden Reibungen zwischen dem kunstsinnigen Schwärmer Ludwig Zwei und seinen Kassenwarten einen wesentlichen Katalysator für das spätere tragische Ende des Königs. Zwar mochte der Mammon nun, aus Richards Sicht, etwas positiver umverteilt worden sein – seine böse Aura, die im "Nibelungenring" immer wieder durch den Underdog Alberich beschworen wird, wirkte dennoch fort.