Freitag, 29. März 2024

Archiv

Jason Mraz
Der unscheinbarer Superstar

Jason Mraz schreibt schöne, aber unaufdringliche Songs, singt sie mit unauffälliger Stimme zu hübschen Arrangements. Bald erscheint sein fünftes Album "Yes" mit neuen Hitkandidaten. Viel mehr als äußerliche Statistiken interessiert ihn die innere Harmonie.

Von Bernd Lechler | 05.07.2014
    Der Mann macht mich wahnsinnig.
    "Das wird ein schöner Tag", singt er. Und dass über den Wolken bestimmt die Sonne scheint.
    Und wenn nicht, dann scheint er auch gerne selbst.
    So geht das kuschlig dahin, und nach zehn Songs braucht jeder normale Mensch rasch eine ausgleichende Dosis Heavy Metal von möglichst großflächig tätowierten langhaarigen Teufelsanbetern! Oder nicht?
    "Ein Mädchen aus Asien schrieb mir, dass sie jeden Tag zwei Stunden zur Arbeit pendelt. Sie hasst das, aber dann legt sie meine Musik auf, und die verändert ihre Haltung, die Fahrt macht ihr Spaß und ihr Tag wird gut. Das beweist mir, dass die Leute mit meinen Texten etwas anfangen können."
    Ja, und der sanft gelockte Veganer mit der Gitarre behält bestimmt noch im zermürbendsten Stau von L.A. sein Lächeln! Mister Mraz, haben Sie nie einen richtig miesen Tag?
    "Jede Menge! Ich wach auf und denke: Ich hab keine Lust, ich bin eh zu spät, ich gehör vor keine Kamera, ich bin ein Idiot, aber dann sag ich: Moooment. Ändere deinen Blick, lass uns diesen Moment transformieren!"
    Jason Mraz räumt ein, dass auch traurige Songs wohltun können. Zu Hause hört er trotzdem eher Meditationsmusik. Seine Mission ist: uns aufzubauen.
    "Die meisten Songideen beginnen düster! Aber ich dreh das dann ganz bewusst um. Auch für die Bühne - man kann die Dunkelheit schon mal innerhalb eines Songs ansprechen, aber an diesem Ort halte ich mich nicht lange auf. Selbst wenn man poetisch und romantisch damit umgeht - ich will nicht lauter Trübsinn und Frust auf die Bühne bringen."
    Handwerklich ist das alles tadellos. Jason Mraz hat seine eingängigen Songs diesmal mit dem kalifornischen Frauen-Indie-Folkpop-Quartett Raining Jane geschrieben und aufgenommen: Viel Chorgesang, die ökonomischen Arrangements durchweg akustisch, alles einfühlsam gespielt, meist zart und leise. Wie die erste Single, "Love Someone". Nicht in einem verrauchten Probenkeller entstanden. Sondern bei einem Spaziergang. Mit Ziegen.
    "Meist schreiben wir in einem Kreis im Studio. Aber da hatten wir auf einer Farm die Gelegenheit, mit unseren Instrumenten durch die Landschaft zu laufen und zu schauen, wie sich das auf die Musik auswirkt. Und der Bauer sagte: nehmt die Ziegen mit, die bleiben beisammen. Also nahmen wir sie mit. Und sangen unsere Gedanken über die Liebe - wie sie zu einem zurückkommt, wenn man sie verteilt."
    Man kann Jason Mraz und seine erbaulichen Lieder allzu harmlos finden oder auch wohltuend - seiner Konsequenz gebührt Respekt: Das "Yes", das große Ja des Albumtitels, das für ihn das denkbar positivste und kreativste Wort überhaupt ist (denn wenn wir ja sagen, entsteht etwas Neues) - dieses "Yes" kommt von einem Sänger, der auf seiner letzten Tour in amerikanischen Städten reihenweise Bäume gepflanzt hat und seine Fans animiert, Müll zu vermeiden; der sich mit einer Stiftung für Menschenrechte und Umweltschutz engagiert und begeistert sein eigenes Gemüse anbaut - und dem man zu glauben geneigt ist, wenn er, der Popmillionär, in seinem freundlich-spirituellen Jargon erzählt, er wäre damals, als er noch in den Coffeehouses von San Diego sang, auch mit so einer Nicht-Karriere komplett zufrieden gewesen.
    "Kein Brotjob, viel Zeit am Strand, Radfahren, Freunde - und weil ich regelmäßige Auftritte hatte, schrieb ich zwangsläufig ständig neue Songs. Für mich war das Erfolg genug. Es fiel mir tatsächlich schwer, diese Szene zu verlassen, und auf Tour zu gehen, um ein Album zu promoten! Plötzlich war ich ein Vertreter, mit einem Produkt! Aber es ist nur eine Frage der Zeit, dann geh ich zurück zu den Coffeeshops und dem einfachen Leben."
    Im Oktober spielt er in Frankfurt und Hamburg. Vielleicht sollten seine Fans die Chance nutzen, denn wenn er erst Kinder hat, geht er nicht mehr auf Promotour, dann bleibt er in seinem Garten.
    "In the next couple of years, my partner and I will probably have a child, and I'll definitely resist being on the road selling albums!"