Fußball zwischen Kult, Kommerz und Politik

Moderation: Dieter Kassel · 09.06.2012
Es ist wieder soweit: Das Fußball-Fieber breitet sich aus! Die Europameisterschaft lockt Millionen von Fans in die Stadien, zum Public Viewing und an den Fernseher. Aber ist Fußball noch die viel gefeierte "schönste Nebensache der Welt" oder ist er –zumindest im Profibereich – nicht längst zu einer gigantischen und milliardenschweren Unterhaltungsmaschine geworden?
"Der Spitzenfußball ist das größte Segment der globalen Unterhaltungsindustrie und hat nur noch am Rande mit Sport zu tun", sagt Thomas Kistner. Der Sportredakteur der "Süddeutschen Zeitung" gehört zu den profundesten Kennern des globalen Profifußballs. In seinem neuen Buch "Fifa-Mafia. Die schmutzigen Geschäfte mit dem Weltfußball" seziert er das undurchschaubare Geflecht aus Korruption, Günstlingswirtschaft und Manipulationen, das sich bis in die Politik und die Medien ausgebreitet habe.

"Allein in den letzten anderthalb Jahren wurden von Fifa-Vorständlern ungefähr die Hälfte suspendiert. Andere stehen in ihren Heimatländern unter Ermittlungsdruck. Da ist genügend Substanz zu sagen, hier handelt es sich um ein mafiöses Netzwerk."

Eines der eklatantesten Beispiele des "Blatterismus": die undurchsichtige Vergabe der Spiele. "Wir sehen ja gerade, wie die Ölprinzen vom Persischen Golf und die Oligarchen-Cliquen aus den früheren Sowjet-Staaten den Fußball an sich reißen. Auf allen Ebenen. Kein Zufall ist, dass Russland und Katar die WM-Turniere 2018 bzw. 2022 zugesprochen erhielten."

Weltereignisse wie die Fußball-EM seien eine "Lizenz zum Gelddrucken", analysiert der begeisterte Amateurkicker, der mittlerweile in der Seniorenliga spielt und den Breitensport nach wie vor schätzt und liebt.

"Was fasziniert denn die Menschen am Fußball, was sind das für Erfahrungen, die die Menschen dabei machen?", fragt Wolfram Eilenberger. Der Chefredakteur des "Philosophie Magazins" ist Fußballfan von Kindesbeinen an und aktives Mitglied der Deutschen Autoren-Nationalmannschaft "Autonama".

"Zum einen ist es bei mir die biografische Prägung, es ist eine Reise in die Kindheit, die erste wichtige Erfahrung. Etwas anderes ist die Frage, was diesen weltweiten Erfolg des Fußballs ermöglicht."

Sicherlich sei der Spitzenfußball ein Milliardengeschäft, aber dies auch zur Freude der Fans. Die Mafia-Vorwürfe an die Fifa? "Das ist ähnlich wie bei der katholischen Kirche. Es ist eine schlimme Vereinigung, aber auch eine extrem erfolgreiche, ohne die es diesen Fußball eben auch nicht gegeben hätte, den es heute gibt."

Kaum eine Sportart bringe die Menschen über Grenzen hinweg derart zusammen Bereits im Mai waren die "Autonama"-Kicker in den EM-Ländern Polen und Ukraine unterwegs. "Es gehört zu unserem klassischen Programm, dass wir in die Länder reisen, mit den Schriftstellern spielen, mit ihnen sprechen, uns austauschen, in Schulen gehen." Es gebe keine bessere Möglichkeit herauszufinden, was in einem Land schief läuft, als den "Kontakt mit den Menschen, die den Alltag leben" – und kicken ...

"Fußball zwischen Kult, Kommerz und Politik"

Darüber diskutiert Dieter Kassel heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr gemeinsam mit Thomas Kistner und Wolfram Eilenberger, Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.

Informationen im Internet:
Über Wolfram Eilenberger: http://www.philomag.de/redaktion

Über Thomas Kistner: http://www.droemer-knaur.de/buecher/Fifa-Mafia.7775048.html

Literaturhinweis
Thomas Kistner: Fifa-Mafia. Die schmutzigen Geschäfte mit dem Weltfußball,
Droemer / Knaur 2012
Wolfram Eilenberger: Lob des Tores. 40 Flanken in der Fußballphilosophie, Berliner Taschenbuch Verlag 2008
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