Fussball-WM 2022

Aufbegehren gegen Katar ist unbequem

Baustelle des Khalifa Stadions in Katars Hauptstadt Doha
Baustelle des Khalifa Stadions in Katars Hauptstadt Doha © dpa / picture alliance / Sven Hoppe
Von Victoria Reith · 28.02.2015
Die Kritik an Katar war lange Zeit unverschämt verhalten bis nichtexistent. Doch jetzt, da die europäischen Ligen ihre Spielpläne an ein Turnier im Winter anpassen sollen, gibt es die Chance, den Protest nachzuholen.
Die Vergabe der Fußball-WM 2022 an Katar war immer absurd. Dass sie im Winter stattfinden soll, dürfte angesichts der Temperaturen um die 50 Grad im Sommer die geringste Überraschung sein. Trotzdem wird offenbar erst jetzt vielen klar − Fußball-Vereinen, den Interessenvertretern anderer Sportarten, Fernsehsendern − welche Folgen das Fußball-Spektakel am Jahresende für sie selbst haben wird.
Doch möglicherweise ist die Empfehlung der FIFA-Arbeitsgruppe, die WM im November und Dezember auszutragen, ein letzter Weckruf an die Fußball-Welt, gegen die Skandal-Vergabe an Katar aufzubegehren.
Es hat in den vergangenen vier Jahren seit der Vergabe nur eine untergeordnete Rolle gespielt, dass es unmoralisch ist, eine WM in Katar auszutragen, wo Menschenrechte wenig wert sind, wo Arbeiter ausgebeutet werden und auf WM-Baustellen sterben. Wenn sportliche und ethische Kriterien überhaupt eine Rolle gespielt hätten, wäre die WM 2022 ja erst gar nicht nach Katar vergeben worden.
Die Betroffenen und Beteiligten sind in erster Linie an der Wahrung ihrer eigenen Interessen interessiert, wie IOC-Chef Thomas Bach, der froh ist, dass die WM nicht im Februar ausgetragen wird, wenn Olympische Winterspiele stattfinden und er daher von einer Win-Win-Situation spricht.
Nach den Olympischen Spielen folgen im März 2022 die Paralympics, im April ist Ramadan, danach wird es vermutlich schon zu heiß für Sport in der Wüste, wobei Katar immer betont hatte, auch im Sommer eine WM in klimatisierten Stadien ausrichten zu können.
Ausgelaugte Spieler mitten in der Saison
Jetzt da sie konkret werden, haben die Winterpläne die europäischen Spitzenclubs alarmiert. Im November und Dezember ist in den nationalen Ligen und den europäischen Wettbewerben Hochsaison, alle Spielpläne müssten verändert werden, Spieler kämen mitten in der Saison ausgelaugt vom Wüstenturnier zurück. Karl-Heinz Rummenigge, der neben seinem Amt beim FC Bayern auch Vorsitzender der europäischen Klubvereinigung ist, fordert Entschädigungszahlungen der Fifa an die Vereine.
Diese Forderungen prallen wie sonst auch jede Kritik an der Weltfußballorganisation ab, die sich ja noch nie durch demokratischen Geist ausgezeichnet hat. FIFA-Generalsekretär Jérôme Valcke sagt, es seien ja noch sieben Jahre bis Katar. Nach dem Motto: europäischer Fußball, komm' damit klar.
Und irgendwo hat Valcke sogar Recht. Denn schließlich war die Kritik an Katar lange unverschämt verhalten bis nichtexistent. Franz Beckenbauer, damals Mitglied der FIFA-Exekutive, erklärte, keine Sklaven in Katar gesehen zu haben. Und der Chef des Europäischen Fußballs, Michel Platini, stimmte bei der Vergabe sogar für Katar, das sei gut für die Fußballkultur im Emirat. Wer die Augen so penetrant vor der Realität verschließt, der hätte es nicht anders verdient.
Doch diese Haltung würde denjenigen nicht gerecht, die unter unwürdigen Bedingungen in Katar arbeiten und gefangen gehalten werden. Man würde mögliche Verbindungen zwischen Katar und dem Islamischen Staat tolerieren, ja sogar legitimieren − und die instabile politische Situation in der Region in Kauf nehmen.
Ein feiges Arrangement ist wahrscheinlich
Vereine, Verbände und Sponsoren haben nun zwei Möglichkeiten, die verbleibenden sieben Jahre zu nutzen. Variante eins wäre Akzeptanz und Umorganisation. Die Ligen würden ihre Spielpläne anpassen, einige andere Sportarten würden ihre Weltmeisterschaften um den Fußball herum planen. Und die Fifa würde sich auf Kompensationszahlungen einlassen, wie sie sie bereits dem US-Sender Fox wegen der Kollision mit der Football-Saison zugestanden hat. Dieses Arrangement wäre feige, ist aber wahrscheinlich.
Variante zwei, mutiger und unbequemer, hieße Aufbegehren. Die europäischen Fußball-Ligen, Sponsoren und Fernsehsender hätten die Möglichkeit, den Protest nachzuholen, wenn sein Ursprung auch nicht in ethisch-moralischen Motiven läge, sondern in finanziellen Realitäten. Außerdem könnten die Mitbewerber Katars − Südkorea, Japan, Australien und die USA − klagen. Die Ausschreibung des Turniers nämlich hatte für Juni und Juli gegolten, die Entscheidung pro Winter könnte also eine juristische Angriffsfläche bieten.
Und so könnte die Planung der Fifa, die WM im Winter auszutragen, zumindest bewirken, dass sich Widerstand regt. Gegen die Umwälzung der Spielpläne, gegen eine WM in Katar − und damit auch gegen eine weitere Kooperation des Fußballs mit dem Emirat.
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