Fußball von seiner schönsten Seite

Von Erika Harzer · 19.06.2011
Die FIFA Frauen-WM 2011 rückt näher, der Kartenvorverkauf brummt und der deutschen Mannschaft werden gute Chancen auf den erneuten Titelgewinn eingeräumt. Im DFB regieren jedoch noch immer fast ausschließlich Männer. Die Ausnahme ist: Hannelore Ratzeburg.
"Herzlich willkommen Sinsheim. Ja, mein Name ist Jens Grittner, mir kommt die Ehre zu, Sie zu begleiten durch die nächsten 45 Minuten, quasi eine Halbzeit. Wir wollen Sie einstimmen auf das große Ereignis, was in exakt 863 Tagen angestoßen wird."

Im Februar 2009 steht die Business-Ebene der Rhein-Neckar Arena von Sinsheim ganz im Zeichen des Frauenfußballs. Hier startet das Organisationskomitee den Countdown für die Frauenfußball Weltmeisterschaft 2011. Präsidentin Steffi Jones begrüßt die Gäste:

"Wir haben heute mehr als 200 Gäste hier im Haus, deswegen nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich dann doch nur zwei, drei wichtige Menschen mit ihnen zusammen erwähne. Liebe Hannelore Ratzeburg. Sie ist nicht nur unsere Vizepräsidentin, sondern sie hat natürlich sich über Jahre beim DFB und auch bei der FIFA für den Mädchen- und den Frauenfußball eingesetzt, kennt mich seit meinem ersten Länderspiel und ich möchte Dir noch mal ganz herzlich sagen, denn Du bist auch, oder hast einen großen Anteil daran, dass wir überhaupt heute hier stehen und auch die WM in Deutschland ausführen dürfen, deswegen herzlichen Dank. - Wir haben auch eine Kleinigkeit."

Mit einem dicken Blumenstrauß in der Hand verlässt Steffi Jones kurz die Bühne und steuert direkt auf Hannelore Ratzeburg zu. Die sitzt am Tisch der Ehrengäste.

Hannelore Ratzeburg ist gut einen Kopf kleiner als Steffi Jones. Freudig gerührt nimmt sie die Blumen der OK-Präsidentin entgegen. Dann umarmen sich die beiden Frauen freundschaftlich.

"... und wir wollen auch beweisen, dass es richtig ist, was Steffi Jones sagt, denn ohne Hannelore Ratzeburg wären wir heute nicht hier, das heißt gäbe es keine WM in Deutschland, denn sie hat letztendlich die Bewerbung abgegeben, damals in Zürich. Ich hoffe, wir haben das Beweisbild. Kramen wir mal in den Katakomben. Da isses."

Überdimensional groß erscheint für alle sichtbar das Foto auf der Leinwand. Darauf Hannelore Ratzeburg mit ihrem typischen, etwas schelmisch wirkenden Lächeln.

"Hannelore Ratzeburg gab am 12. Oktober 2007 ein Pamphlet über 1000 Seiten ab, das uns, Steffi, dann letztendlich erst ermöglichte, tatsächlich hier zu stehen."

Der Countdown läuft. Das Essen wird an den Tischen serviert. Eine Band begleitet den inoffiziellen Teil. Überall laufen noch Interviews mit Steffi Jones oder den Repräsentanten des Männerfußballs. Hannelore Ratzeburg plaudert mit ihren Tischnachbarn und freut sich über die Blumen

"Ja, ob das ein rührender Moment ist, kann ich gar nicht sagen, aber es ist einfach auch nett, daran zu denken, dass ich vielleicht ein bisschen was dazu beigetragen hab, dass wir hier sind."

Auch wenn sie nicht unbedingt das Rampenlicht sucht, so genießt sie doch den Abend und das, was sie geschaffen hat.

"Seit '71 haben wir Frauenfußball, ich bin von Anfang an dabei. Die wichtigen Jahre, wo es sehr schwer war, sind vorbei. Und jetzt läuft es eigentlich so, wie es optimal ist und dann selbstverständlich, also ich erwarte nicht, dass überall gesagt wird: Ja, die Ratzeburg hat aber was dazu beigetragen, ich weiß ja, was ich getan habe und ich genieße einfach, dass wir jetzt da sind, wo wir heute sind."

Frauenfußballweltmeisterschaften waren in Ratzeburgs Jugend noch undenkbar. Gerade 18 Jahre alt war sie, als der Deutsche Fußballbund das Verbot aufhob. Erst ab jetzt durften die Frauen auch ganz offiziell spielen.

"Die Presse hat sich drauf gestürzt, so nach dem Motto, ach jetzt auch das noch. Jetzt dringen die Frauen auch noch in die Männerdomäne ein. Ich weiß, dass eigentlich alle Printmedien voll waren. Fernsehen und so war ja noch nicht so weit verbreitet, da gab's drei Programme, glaub ich, zu der Zeit. Internet gab's nicht. Also man war schon drauf angewiesen, was so in den Printmedien geschrieben wird und also diese großen Tageszeitungen haben sich schon auf die Schenkel geschlagen, so nach dem Motto, hahaha, die Frauen wollen Fußball spielen. Und wir sind ja auch gar nicht ernst genommen worden."

1952 in Hamburg geboren, erlebt Ratzeburg als Jugendliche auch die Studentenbewegung.

"Natürlich hat das einen Einfluss auf mich gehabt. Ich bin sehr, ich sag mal, so traditionell erzogen worden, aufgewachsen. Es gab eine klare Rollenverteilung in der Familie, was eine Frau zu tun hat und Mädchen zu tun hat und was ein Junge und Mann zu tun hat. Und so in den 60ern oder Ende der 60er war es so, dass ja vieles hinterfragt wurde. Warum ist es eigentlich so? Warum ist eigentlich der Mann so ein Familienvorstand."

"Als die Studenten auf die Straße gingen und so Fragen stellten, so ja, der Muff von Tausend Jahren unter den Talaren, das war ja so ein Spruch der Zeit, das war irgendwie spannend. Klar war ich davon betroffen. Und dieses sich Befreien wollen von den alten Rollen, das passte ja perfekt auch dazu, dass dann '70 zugelassen wurde, dass Frauen Fußball spielen, oder in die Lehre gingen, um Automechanikerin zu werden oder so, also die Zeit war so unruhig, alle waren völlig verunsichert. Das war einfach ja so ein Eindringen in eine Männerdomäne und das war unheimlich spannend."

Ende 1970 begleitete Hannelore Ratzeburg ihren damaligen Freund auf die Weihnachtsfeier seines Fußballvereins. Im Verlauf des Abends verabredete sie mit ein paar anderen Spielerfrauen, ein Fußballteam zu bilden.

"Dann haben wir uns Anfang des Jahres 71 getroffen, es war ja im Winter, sind dann in eine Halle gegangen und haben da mal so ein bisschen versucht, Fußball zu spielen. Ja und dann hab ich in einer Wohnsiedlung gewohnt, noch bei meinen Eltern und dann haben wir Handzettel gemacht und ich bin dann von Briefkasten zu Briefkasten gelaufen, überall wurde ein Zettel rein geschmissen. Und das war auch die Grundlage dann für die Mannschaft, die wirklich am 9. Mai, Muttertag '71, das erste Spiel ausgetragen hat."

Auch wenn den Vereinen wieder erlaubt war, Frauen bei sich spielen zu lassen, der von den Männern dominierte Verband blieb skeptisch. So sollten die Frauen mit kleineren Bällen und zunächst nur zweimal 25 Minuten spielen.

"Ich war dann von meinen Freundinnen da ausgeguckt, ich sollte mich doch so als Spielführerin kümmern. Dann war Mitgliederversammlung im Verein und ich war dann da hin gegangen und hab gesagt, ja wir haben hier die Frauenfußballmannschaft aufgebaut, und wir hätten im Mai das erste Spiel. Aber es gab keinen vernünftigen Ball und Trikots bräuchten wir doch auch und wo wir das herbekommen, wüssten wir nicht und ja das war also dann schon eine große Verwunderung bei den anwesenden Herren und der zweite Vorsitzende nahm seinen Gehstock, knallte den auf den Tisch und rief: Nehmt euch in Acht vor solchen Frauen!"

Noch heute ist ihr anzumerken, dass gerade solche Reaktionen sie anspornten, weiter zu machen.

"Dann sagte irgendeiner: 'Wir haben ganz andere Probleme, als jetzt ausgerechnet noch die Frauen, die Fußball spielen wollen und die sollen sich mal erstmal darum kümmern, was echte Probleme sind.' Und dann hat irgendjemand aus Spaß oder ernsthaft gemeint, die soll mal erstmal wissen, was hier los ist im Verein und dann schlug einer vor, ich sollte doch dann in den Vorstand kommen. Und ich war aber noch gar nicht Mitglied, und der Geschäftsführer hatte kein Eintrittsformular dabei, musste schnell um die Ecke nach Hause laufen, Eintrittsformular aus seiner Geschäftsstelle holen und dann hab ich das ausgefüllt und stellte fest, ich bin ja gar nicht volljährig."

Bis zum Jahresende 1974 galt die gesetzliche Regelung, dass junge Menschen erst mit 21 Jahren volljährig wurden.

"Ich war zu dem Zeitpunkt 19 und sagte, ich kann das ja gar nicht unterschreiben, und ich könnte jetzt nicht nach Hause laufen, meine Eltern fragen. Na ja, dann hat diese Versammlung entschieden, dass sie glauben, dass meine Eltern unterschreiben würden, dass ich diesem ehrenwerten Verein angehören darf. Und dann war ich - ich hab nur nach einem Ball und nach Trikots gefragt und ob man mir sagen könnte, was noch zu bedenken wäre - und dann war ich innerhalb von vielleicht 20 Minuten oder so aus dem Plenum direkt an den Vorstandstisch gekommen."

Weder in den Vereinen, noch in den Landesverbänden oder innerhalb des Dachverbandes gab es damals Strukturen, auf die sich der Frauenfußball hätte beziehen können. Alles musste neu entwickelt werden. Von den Männern hatte keiner wirkliches Interesse daran. Nur wo Frauen es selbst in die Hand nahmen, gab es rasche Entwicklungen. So wie im Hamburger Fußballverband mit Hannelore Ratzeburg. Schon 1975 hatte dieser Verband einen Spielbetrieb für Mädchenfußball. Daher lud der DFB Ratzeburg zur Tagung der Jugendobleute ein.

"In Schöneck ist eine Sportschule, die einen Hörsaal hat, so wie man sich einen Hörsaal vorstellt. Unten gibt es eine Plattform und dann gibt es Stuhlreihen oder Bankreihen, die so angelegt sind, wie im Kino. Also dass man, wenn man da unten steht, das Gefühl hat, bah, diese Menge von Menschen, die jetzt alle einen guten Blickkontakt auf einen haben. Man sieht ganz viele Köpfe und ich habe da unten gestanden, mit schlotternden Knien und hatte auch überhaupt gar keine Erfahrung. Bin auch eigentlich eher so ein schüchterner Mensch immer gewesen. Und soll nun diesen Menschen erzählen, die ganz, ganz viel Erfahrung hatten in der Organisation, in Landesverbänden und in ihren Kreisen und Vereinen und, also geballte Erfahrung saß da vor mir, und ich sollte denen jetzt erzählen, wie wir in Hamburg den Spielbetrieb für Mädchenfußball aufgebaut haben."

Ratzeburgs Ausführungen beeindruckten die Anwesenden. Und so kam es, dass sie 1977 als Referentin für Frauenfußball das erste Ehrenamt im DFB übernahm.

"Ich komm' in den Spielausschuss, 26 Jahre alt. Die Spielausschussmitglieder waren erheblich älter, alles gestandene Männer, die schon jahrelang Fußball organisiert haben und ich hatte nun den Auftrag Frauenfußball weiter zu entwickeln. Und ich hatte das große Pfund, mit dem ich da so ein bisschen Sicherheit gewann, ich war Spielerin, ich war zu dem Zeitpunkt schon Schiedsrichterin, und das war in den 70er-Jahren weiß Gott nicht einfach, ich war Trainerin von Mädchenmannschaften, ich war im Verein Abteilungsleiterin, ich war im HH Fußballverband Funktionärin. Ich hatte eigentlich überall schon reingeschnuppert und fühlte mich dadurch erheblich sicherer."

Mit dieser geballten Kompetenz gewann Hannelore Ratzeburg die notwendigen Verbündeten auf höchster Verbandsebene, die sie bei der Entwicklung eines Spielbetriebs für Frauen und Mädchen unterstützten. Ende der 70er-Jahre ergriff sie die Chance, für den Frauenfußball auch europaweit neue Impulse zu setzen.

"Ich bin dann bei der UEFA eingeladen gewesen, das war '79, also auch sehr früh. Und es war wieder eine große Ansammlung von Männern und insgesamt nur drei Frauen. Und da waren verschiedene Fragen zum Frauenfußball diskutiert unter anderem, was kann die UEFA denn machen, um den Frauenfußball voran zu bringen? Eine Überlegung war ein Wettbewerb für Nationalmannschaften und damals hieß das noch Repräsentativ-Mannschaften. Da hatte ich mich dann stark dafür gemacht, dass dann diese Repräsentativ Mannschaften einen Wettbewerb erhalten."

Als Ergebnis dieser Sitzung richtete der Europäische Fußballverband 1980 eine Kommission Frauenfußball ein, in die Hannelore Ratzeburg berufen wurde. Sie sollte Bedingungen für internationale Wettbewerbe ausarbeiten.

"Nur das Problem war, wir hatten überhaupt keine Nationalmannschaft und ich kam dann zurück und hab gedacht: Na ja, jetzt hab ich mich dafür stark gemacht und der DFB hat gar keine Frauen Nationalmannschaft."

In Windeseile wurde eine erste Nationalelf gebildet. Deutschland wollte am ersten europäischen Wettbewerb teilnehmen können. Das erste Länderspiel gegen die Schweiz fand am 10. November 1982 in Koblenz statt.

"Die Medien waren sehr stark vertreten. Die hohen DFB Funktionäre waren sehr stark vertreten. Viele, die noch sehr, sehr kritisch waren, ob das wohl was ist: Frauen und Fußball und jetzt auch noch eine Nationalmannschaft. Und da bin ich also auch mit Herzklopfen nach Koblenz gefahren und hab da also ganz gemischte Gefühle gehabt. Auf der einen Seite diese große Hoffnung, es möge gut gehen. Bitte, es möge gut gehen. Und auf der anderen Seite: oh Gott, oh Gott, was passiert nur, wenn es nicht gut geht?"

"Dann wurde angepfiffen und: Sie haben dann gewonnen. Was danach passiert ist, weiß ich nicht. Ich bin da so oft gefragt worden, ja was war denn hinterher, hat man mit der Mannschaft zusammen gesessen? Ich weiß es einfach nicht. Ich war so glücklich und hab gedacht, hach das ist gelungen, das erste Spiel, war einfach ein guter Start."

Die Aufbruchstimmung der Frauen spiegelte sich in vielen Landesverbänden und Vereinen nicht wieder. Mann tat sich schwer, die Frauen oder Mädchen in ihrem Anliegen ernst zu nehmen oder gar zu unterstützen. Bärbel Petzold, die heutige Vorsitzende des Verbandsfrauenausschusses im Südwestdeutschen Fußballverband, erinnert sich an ihre Anfänge im Verband:

"In den 70er-Jahren und bis Mitte 80er-Jahre mussten wir ja gegen Vorurteile kämpfen, dass heißt Männer fanden die Frauen nicht passend zum Fußball. Also die Kleinigkeiten, die's Alltagsgeschäft ausmachen: brauchen Frauen auch verschiedene Spielklassen? Ja! Oder: Muss es denn auch eine Auswahlmannschaft für Frauen geben. Auch da mussten wir sagen: natürlich muss es eine Auswahl für Frauen geben! Ja brauchen wir auch Mädchen? Ja! Ja auch da einfach so Dinge auf den Weg bringen, die heute selbstverständlich sind. Das war früher mühsamste Kleinarbeit und gegen so Vorurteile einfach kämpfen und gegen so dumme Sprüche kämpfen, nee."

Bärbel Petzold hält kurz inne, während sie in den Erinnerungen nach Beispielen sucht.


"Brauchen Frauen auch Werbung, ja, Vereine? Ja müssen wir die Werbung, muss aber vorne drauf bei den Frauen oder auf den Hintern, das sieht doch bestimmt besser aus. Nee, also solche dummen Sprüche, die waren an der Tagesordnung, so in den Anfang der 80er-Jahren noch."

"Waren ja auch viele, die erheblich älter waren, die auch ein Rollenbild von Frauen hatten, da passte Fußball nicht dazu. Also eher so: Na ja, die begeisterte Frau, die am Spielfeldrand steht und ihrem Liebsten da dann, ja unterstützende Worte zuruft, die vielleicht auch noch die Trikots wäscht, oder die Fußballschuhe putzt, also das passte schon zu den Frauen. Aber dass sie nun mitmischen wollten und ihre Interessen vertreten wollten oder so, dass war für einige gewöhnungsbedürftig."

Die wenigen Verbandsfrauen der ersten Stunden kennen sich natürlich. Sie brauchen die gegenseitige Unterstützung, um in diesen männerdominierten Strukturen die eigenen Interessen festigen zu können. Bärbel Petzold:

"Also, Hanne ist schon, ich sag ja erstmal eine von uns, aber eine, die zuerst dabei war, die sich mit vielen Dingen früher beschäftigt hat, vielleicht auch weil sie früher aufgehört hat, Fußball zu spielen. Wir anderen kamen so nach und nach dazu und sie war eine, die Kontakte gesucht hat, die sich damit auseinander gesetzt hat. Natürlich auch immer mit Rückendeckung, aber sie ist schon sehr oft auch alleine gewesen, ja, und sie können sich vorstellen, wenn sie in Raum gucken und da hocken, keine Ahnung wie viel Männer, 30 Männer oder so oder noch mehr, und sie als einzige Frau - na ja gut, nee, das ist der Frauen und Mädchenfußball und das ist bei vielen sag ich Fürsten, Landesfürsten, heut immer noch so ein bisschen anhängig."

Hannelore Ratzeburg beschränkt sich jedoch nicht allein auf die ehrenamtliche Verbandsarbeit, die sie über Jahrzehnte mit ihrem Beruf zu verbinden sucht. Als Lehrerin an einer Hamburger Schule bleiben ihr nur die Freizeit und die Ferien für ihre Fußball-Leidenschaft. So oft sie kann, nimmt sie an den Verbandsitzungen teil, reist durch die Republik und auch hin und wieder ins europäische Ausland. In den Anfängen ist sie auch bei Spielen der Nationalelf als Begleiterin dabei. Die Bochumerin Petra Landers, Abwehrspielerin der Nationalelf zwischen 1982 bis 1991, erinnert sich an eine solche Reise im Nationalteam:

"Wir waren in Italien zu einem Turnier mit der Nationalmannschaft und eine Spielerin und ich, den Namen möchte ich jetzt nicht nennen, wir haben uns dann nachts aus dem Haus geschlichen und haben erstmal so eine kleine Tour durch dieses Dörfchen gemacht und wir wollten uns dann wieder ins Hotel schleichen und waren ganz leise, wollten dann die Treppe rauf zu unserem Zimmer. Dann ging das Licht an und Frau Ratzeburg stand dann oben im Nachthemd, so wie man es aus Filmen kennt, ja. Wobei es ein nettes Nachtgespenst war. Aber es sah so lustig aus, so im Nachthemd, und dann macht sie das Licht an und fing an zu schimpfen. Ja natürlich wusste es auch am anderen morgen der Bundestrainer. Wir haben uns auch eine kleine Schellte abgeholt natürlich."

1989 war Deutschland Austragungsort der Frauenfußball Europameisterschaft. Das Halbfinale Deutschland gegen Italien in Siegen war das erste live übertragene Länderspiel im Deutschen Fernsehen. Ein Elfmeterkrimi, den die deutschen Frauen für sich entscheiden konnten. Sie kamen ins Endspiel, das am 2. Juli in Osnabrück ausgetragen wurde.

"Wir haben 4:1 gewonnen, gegen Norwegen, das war sensationell und da ist dann nach dem Spiel, nachdem wir gewonnen haben und die Hölle los war von Begeisterung, da ist ein Stück auf dem Rasen abgesperrt worden mit diesem rot-weißen Flatterband, ein Tisch und Stühle und wir haben aus Pappbechern direkt auf dem Platz Sekt getrunken, das kann man sich überhaupt gar nicht vorstellen, ich glaub, das ist hinterher nie wieder passiert."

Ende März 2011 ist Köln der Austragungsort für das Frauenpokalendspiel. Turbine Potsdam gegen den 1. FFC Frankfurt. Es ist das zweite Mal, dass die Frauen unabhängig von den Männern ihr Endspiel bestreiten. Bis 2009 spielten sie im Vorfeld des Männerfinales im Berliner Olympiastadion. Hannelore Ratzeburg gehört zu den Verfechterinnen dieses eigenständigen Finales.

Hannelore Ratzeburg: "20.000 Menschen kommen zu einem Finale von Vereinsmannschaften, davon haben wir vor ein paar Jahren für die Nationalmannschaft geträumt. Also ich finde das sensationell."

Reporterfrage: "Sie haben aber nicht wegen WM Fieber 2011 erwartet, dass es mehr wird als im Vorjahr?"

Hannelore Ratzeburg: "Also ich glaube heute haben die beiden Mannschaften gezeigt, dass Frauenfußball im Verein auch toll ist, und wenn die Menschen, die da waren, sagen, da gehen wir nächstes Mal wieder hin, wenn es in Köln wieder das Finale gibt, dann werden wir im nächsten Jahr vielleicht 30.000 haben, oder 15.000 aber ich denke, eher 30.000."

"Ich finde, sie steht ihren Mann da, die Hannelore Ratzeburg. Sie hat sich über Jahrzehnte engagiert für den Frauenfußball und ist jetzt denke ich als Vizepräsidentin da angekommen, ja, wo sie vielleicht auch hin gehört und das hat sie sich lange erarbeitet, das freut mich für sie, dass sie diese Position jetzt inne hat und dass sie da vielleicht auch ein bisschen mehr zu sagen hat."

Jana Wiske ist Sportreporterin und arbeitet seit 11 Jahren für das Fußballmagazin "Kicker". Bei entscheidenden Spielen der Fußballfrauen ist Wiske vor Ort. So auch beim Pokalendspiel in Köln.

In den traditionellen Fußballmedien, der Sportschau oder eben auch dem Kicker, spielt die Berichterstattung über Frauenfußball nach wie vor so gut wie keine Rolle. Zwar werden Länderspiele heutzutage live übertragen und ab und an steht auch eine Torschützin zur Auswahl beim Tor der Woche oder des Monats. Doch Jana Wiske sieht zumindest bei ihrem Magazin eine leichte Veränderung.

"Das hab ich auch nicht gedacht, dass ich das noch erleben darf: Es wird ein WM-Sonderheft vom Kicker geben für die Frauenfußball-WM und das ist natürlich schon was ganz, ganz Besonderes, ja."

Das Pokalendspiel in Köln wird natürlich auch intensiv als Werbefläche für die Weltmeisterschaft 2011 genutzt. Dazu gehören neben Sponsorenwerbeflächen auch verschiedene Bühnenauftritte vor dem Anpfiff.

"Wir haben weit über eine halbe Million Tickets schon verkauft. Es sind praktisch sechs Spiele bereits ausverkauft, das ist halt einfach sensationell, das gab es halt im Frauenfußball noch nie."

Doris Fitschen ist heute Managerin der Frauennationalelf. Sie war bis Juli 2001 selbst Spielerin und brachte es auf immerhin 144 Länderspiele. In Köln nimmt sie an Gesprächsrunden teil. Aktiv ist sie im so genannten Retroteam ehemaliger

Nationalspielerinnen. Anfang des Jahres hatte sich die 42-Jährige kritisch zu den Strukturen des Deutschen Fußball Verbandes geäußert. Dazu befragt, erzählt sie vor der Umkleidekabine in Köln:

""Ich habe keine Kritik geübt an dem Verband, ich habe lediglich festgestellt, dass bisher im Vorstand und Präsidium mit Hannelore Ratzeburg nur eine Frau ist. Generell ist es eben im Fußball, insbesondere im Fußball so, dass natürlich da in Führungspositionen, weil es eben eine Männerdomäne ist, noch sehr wenige Frauen sind. Aber ich hoffe, dass sich das in den nächsten Jahren ändern wird."

Von den rund 6,75 Millionen Mitgliedern des DFB sind heute knapp ein Sechstel Mädchen und Frauen. Im Vorstand und im Präsidium des DFB sitzen insgesamt 55 Männer und Hannelore Ratzeburg als einzige Frau - und das auch erst seit 2007.

"Aber man muss auch mal sehen, dass der DFB auch vom Männerfußball lebt, und dass das ein ganz wichtiger Baustein vom DFB ist und man kann jetzt nicht alles irgendwie verweiblichen, weil der Frauenfußball sagen wir mal aufstrebend ist: Ich denke, da stimmt die Quote schon auch zu den Mitgliederzahlen. Ich denke, das ist eine Entwicklung, die einfach weiter stattfindet, wo man nicht zu viel in zu kurzer Zeit erwarten darf."

Am 26. Juni wird in Berlin die Weltmeisterschaft 2011 angepfiffen. Zeitgleich wird in diesem Jahr vierzig Jahre Frauenfußball in Deutschland gefeiert. Für diese Höhepunkte ließ sich Hannelore Ratzeburg erstmals für zwei Jahre vom aktiven Schuldienst freistellen, um sich rund um die Uhr dem Frauenfußball widmen zu können. Sie debattiert in Talkshows und Podiumsdiskussionen, nimmt an Empfängen im Kanzleramt teil, gibt Interviews, besucht Schulen und Landesverbände, schreibt Kolumnen und begleitet die Nationalelf.

"Es ist eine sagenhafte Entwicklung mit der Nationalmannschaft, tolle, tolle Erfolge, dadurch auch eine große Akzeptanz für den ganzen weiblichen Bereich. Wir haben tolle Schiedsrichterinnen, wir haben seit 20 Jahren eine Bundesliga. Es sind offensichtlich die richtigen Schritte zur richtigen Zeit eingeleitet worden. Darauf bin ich stolz."

Es sind Jahrzehnte voller Einsatz innerhalb des DFB, des Europäischen und des Weltfußballverbands. Sieben Europa- und zwei Weltmeisterschaftstitel haben die deutschen Frauen seither gewonnen. Hannelore Ratzeburg spielte dabei eine wichtige Rolle, hebt Doris Fitschen rückblickend hervor.

"Ohne ihre Arbeit wären wir jetzt bei weitem nicht da, wo wir heute sind. Sie musste sich auch immer ... ., in diesen Männerkreisen durchsetzen und für den Mädchen und Frauenfußball kämpfen. Und ich glaube, dass war nicht immer leicht, aber sie hat sich da einfach nicht beirren lassen und ist ihren Weg gegangen und jetzt haben wir eine Weltmeisterschaft im eigenen Land mit über einer halben Million verkauften Tickets, also Frauenfußball hat inzwischen einen ganz anderen Stellenwert und da hat sie wirklich einen entscheidenden Anteil mit geleistet."

"Stellvertretend begrüße ich ganz besonders herzlich den DFB Vizepräsi ... eh, Präsident, entschuldigung, Präsident, Theo verzeih mir bitte, Dr. Zwanziger. Schön, nee … das kann passieren, wenn man sich so viele Gedanken macht, aber ich krieg den Bogen gleich ..."

Hannelore Ratzeburg Ende August 2010 in Mainz. Als Eröffnungsrednerin stimmt sie die Anwesenden des hochkarätig besetzten DFB Frauenfußball Kongress "Alles, außer Abseits" auf das Thema ein.

"Und jetzt muss ich ja noch mal die Kurve kriegen, Theo, nee vom Vizepräsidenten zum Präsidenten."

Dann zählt sie zunächst die Eckpunkte des bisher Erreichten auf.

"Was uns aber noch fehlt, ist, wir brauchen noch mehr Frauen und zwar nicht nur auf der Schiene Frauen- und Mädchenfußball, sondern mit den Kompetenzen, die sie persönlich und mit ihren beruflichen Hintergrund einbringen können, sehr zum Nutzen des Deutschen Fußballbundes, und dann kann es natürlich irgendwann auch durchaus sein, dass es eine Präsidentin dieses Verbandes gibt, siehst Du, und dann hättest Du die Chance Vize zu sein, also da hab ich meine Frage schon vorweg genommen."

Seit seinem Amtsantritt 2004, zunächst im Doppelpack mit Gerhard Meyer-Vorfelder, ab 2006 als alleiniger Präsident des Deutschen Fußballbundes, betätigt sich Theo Zwanziger als klarer Förderer des Frauen- und Mädchenfußballs und damit als enger Verbündeter der Vizepräsidentin Ratzeburg. Doch Vizepräsident zu sein, unter einer Frau, kann er sich das vorstellen?

"Nee das wäre wahrscheinlich nicht der Fall, weil meine Amtszeit sich ja in naher Zukunft dem Ende nähert, das ist ganz klar, aber das eine Frau vorn auch an der Spitze eines Fußballverbandes steht, das ist aus meiner Sicht außer Frage. Allerdings muss man auch dort realistisch feststellen, der Organisationsgrad der Jungs und der Männer ist deutlich höher, als der bei den Mädchen und das wird, denke ich, auch so bleiben. Trotz aller Anstrengungen. Und deshalb kann man nicht an dieser Entscheidung letztlich ausrichten, ob jemand für Frauenfußball oder gegen Frauenfußball ist, oder ob es gut ist, dass man eine Präsidentin hat oder einen Präsidenten. Entscheidend ist die Geisteshaltung. Und wenn Männer eine vernünftige moderne Geisteshaltung in diesen Fragen haben, denk ich mal, ist es insgesamt genauso gut, wie wenn eine Frau an der Spitze steht und sie nicht hat, ja. Wenn Hannelore dort hinkommt, dann ist alles in Ordnung."

Hannelore Ratzeburg:

"Wenn ich jetzt natürlich zurück gucke auf die 40 Jahre, dann ist das viel, aber es ist ja step by step gegangen, es ist ja nicht von heute auf morgen, sondern das hat viele Diskussionen gegeben. Und ja: nicht unterkriegen lassen, also, ich bin Zwilling. Ich sag mal, einer alleine kann nicht so dumm sein, nee, aber. Und diese Widerstände, weiß ich nicht, dass war auch in so manchen Situationen, die Herausforderung: So leicht lass ich mich nicht unterkriegen, ja das wird schon. Also ich hab nie die Zuversicht verloren, was auf den Weg bringen zu können."