Fußball und Politik in der DDR

Macht und Meisterschaft

Torhüter Jürgen Croy (r, vorn), Torhüter des DDR-Fußballoberligisten Sachsenring Zwickau, wird am 02.09.1976 im heimischen Georgi-Dimitroff-Stadion als "DDR-Fußballer des Jahres 1975/76" geehrt. Klaus Schlegel (l, vorn), Chefredakteur der Fußball-Woche (Fu-Wo), überreicht dem Schlußmann den "Silbernen Fußballschuh" vor dem Meisterschaftssspiel gegen den FC Karl-Marx-Stadt (2:0). Für Croy ist es nach 1972 die zweite Auszeichnung als "Fußballer des Jahres". Eine dritte folgt 1978.
Jürgen Croy, Ex-Nationaltorhüter der DDR, bei der Ehrung zum Fußballer des Jahres 1975/76 © dpa / Frank Kruczynski
Von Günter Herkel · 04.10.2015
Für die Sportnation DDR spielte der Fußball eine herausragende Rolle - wobei SED und Stasi eine permanente Kontrolle auszuüben versuchten. 25 Jahre nach der Wende versuchen Experten, im Rahmen der Reihe "Erinnerungsort DDR" die Geschichte des DDR-Fußballs weiter aufzuarbeiten.
Schon kurz nach Gründung der DDR erfolgte die Anbindung des Sports an die Produktionsbetriebe. Angekoppelt an die wichtigsten Branchen der DDR-Wirtschaft und staatliche Einrichtungen entstanden achtzehn Sportvereinigungen. Namen wie "Motor" oder "Aufbau" zeigten, zu welchem Produktionszweig der Trägerbetrieb gehörte. Das Grundübel der ersten Jahre des DDR-Fußballs, so der Sporthistoriker Hanns Leske, sei die Fokussierung auf den sowjetischen, teils auch auf den ungarischen und tschechischen Fußball gewesen.
"Fokussierung heißt vor allem bei den Trainern und bei den Trainingsmethoden. Von der Sowjetunion siegen lernen, war eben nicht nur ein Motto im Bereich der Produktion, sondern auch im Sport."
Vor allem die Klubs der bewaffneten Organe standen bei der SED hoch im Kurs
Wichtiger als die sportliche Qualifikation blieben lange Zeit Parteilichkeit und politische Zuverlässigkeit, vor allem bei den Trainern. Die Fußballer wurden in der Propaganda als Aufbauer des Sozialismus gepriesen. Ganz vorn in der Gunst der Staatspartei SED: Die Klubs der bewaffneten Organe. Hauptverein der Volkspolizei und des Ministeriums für Staatssicherheit war der BFC Dynamo. Bei den Fans war er verhasst.
"Das hat daran gelegen, dass es immer wieder ne Reihe von Szenen gab, wo Schiedsrichter Fehlentscheidungen getroffen haben zugunsten des BFC Dynamo, wo Schiedsrichter die unmittelbaren Konkurrenten schlecht behandelt haben."
Das kam nicht von ungefähr. Im Schiedsrichterwesen herrschte das Regime von Zuckerbrot und Peitsche. Die SED-Mitgliedschaft war Pflicht, wollte man ins kapitalistische Ausland reisen. Auch bei der Verteilung von Eintrittskarten hatten bewährte Parteikader und politisch Zuverlässige Vorrang. Bernd Heynemann, langjähriger Schiedsrichter in der DDR-Oberliga, nach der Wende auch in der Bundesliga aktiv, versichert, nie mit der Stasi zu tun gehabt zu haben.
"Aber es gab natürlich einige [...], die waren als Schiedsrichter Hauptmann, Oberst bei der Staatssicherheit, sogar der Vizepräsident des DFV, da gab es schon Verbindungen. Aber ich kann wirklich reinen Herzens sagen: Ich bin nicht angesprochen worden und damit war ich auch nicht erpressbar."

Der frühere Nationaltorhüter der DDR, Jürgen Croy, aufgenommen am Montag (17.10.2011) in Zwickau. Alle seine 372 Pflichtspiele auf Vereinsebene absolvierte Croy für die BSG Motor bzw. Sachsenring Zwickau. Auch nach seiner Fußball-Karriere blieb er in der westsächsischen Stadt. Am 19.10.2011 wurde Croy 65 Jahre alt.
Jürgen Croy, Ex-Nationaltorhüter der DDR im Alter von 65 Jahren© dpa / Hendrik Schmidt / Archivbild 2011)
Wer zur WM nach West-Deutschland wollte, konnte sich der SED nicht verweigern
Jürgen Croy, Rekord-Torwart der DDR-Fußballnationalmannschaft und seinerzeit Spieler bei Sachsenring Zwickau, verfügt über andere Erfahrungen. Schon Mitte der 60er-Jahre - da war er noch Junioren-Nationalspieler- habe die Stasi ihn anwerben wollen:
"Man konnte auch 'Nein' sagen. Man konnte auch mit 17 oder 18 Jahren 'Nein' sagen. Wenn jetzt jemand in einer Situation war, wo er erpresst worden ist – aber ich war in dieser Situation nicht, und hab dort 'Nein' gesagt."
Anders habe es sich mit der Mitgliedschaft in der SED verhalten. Vor der WM 1974 in der Bundesrepublik sei der Druck auf die Spieler verstärkt worden. Wer im Lande des Klassenfeindes die Farben der DDR vertreten wolle, müsse sich schon bekennen, sei ihm und Klaus Sammer, dem Vater von Matthias Sammer, signalisiert worden:
"Wir haben uns breit schlagen lassen und sind eingetreten. Der Sammer hat nur das Pech gehabt, der ist nicht mitgefahren. Er ist dann letzten Endes ausgesiebt worden von diesen Dingen."
An Fanrandale, an antisemitische oder ausländerfeindliche Äußerungen im DDR-Fußball mag Croy sich nicht erinnern. Ausschreitungen habe es in Zwickau allenfalls in Form von Schneebällen gegen Schiedsrichter gegeben. Sportpublizist Frank Willmann widerspricht. Seit Beginn der 70er Jahre habe die Radikalisierung in Teilen der Fanszene extrem zugenommen.
"Es gibt eine ganz miese Geschichte von BFC-Fans, die aus Sachsen zurückkamen und Mosambikaner zusammengeschlagen haben. Oder 1986, das Konzert von "Element of Crime" in der Zionskirche, als BFC-Skinheads das gestürmt haben und Menschen schwer verletzten. Das fand natürlich in den Medien nicht statt."
Veteranen beklagen Ausverkauf des DDR-Fußballs nach der Wende
Dass sich die Dritte Bundesliga heute faktisch wie eine Art Klassentreffen der alten DDR-Oberliga präsentiert, findet Torwartlegende Jürgen Croy gar nicht schlecht. Es sei für die Fans doch viel interessanter, wenn sie Spiele Dresden gegen Chemnitz oder Aue gegen Rostock anschauen könnten, als wenn sie die zweiten Mannschaften von Mainz 05 oder Werder Bremen zu Gast haben.
"Das ist keine Abwertung für diese Mannschaften, aber das sind nun mal Traditionsduelle, und mich freut, dass jetzt son bisschen die Ostvereine wieder den Kopf durchstecken. Und hoffentlich bleibt das so und es geht noch ne Stufe höher."
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