Fürsorge oder Abzocke? Der Boom der ärztlichen Zusatzleistungen

Moderation: Dieter Kassel · 03.03.2012
Früherkennung von Grauem Star, Ultraschalluntersuchungen zur Krebsvorsorge, Knochendichtemessung: Kaum betritt man als Patient eine Arztpraxis, bekommt man die ersten Verkaufsofferten für die sogenannten "IGeL-Leistungen".
Diese individuellen Gesundheitsleistungen werden nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen, die Versicherten müssen sie selbst bezahlen. Rund 1,5 Milliarden Euro werden dafür jährlich ausgegeben - oft ohne dass ein Nutzen nachgewiesen ist, wie Untersuchungen des Informationsportals "IGeL-Monitor" belegen.

Mit diesem neuen Internetangebot will der Medizinische Dienst des Spitzenverbands der Krankenkassen den unüberschaubaren Markt der mittlerweile rund 350 Angebote nach Nutzen und Schaden bewerten. Das Ergebnis: Bei elf der bisher 24 getesteten "IGeL"-Angebote fällt die Bilanz negativ aus, bei drei Angeboten gibt es Hinweise auf "erhebliche Schäden", nur zwei schneiden "tendenziell positiv" ab.

"Ich hoffe, dass der 'IGeL-Monitor' den aufgeklärten Patienten befördert", sagt der Medizinjournalist Christian Weymayr. Er analysiert das deutsche Gesundheitssystem seit langem und arbeitet unter anderem als Redakteur beim "IGeL-Monitor".

"'IGeL' werden auch deshalb angeboten, weil Ärzte und Hersteller an Therapien, Geräten und Medikamenten verdienen. Ein Problem dabei ist, as der 'IGeL'-Markt kaum reguliert wird."

Die "IGeL-Leistungen" seien aber auch Ausdruck eines übersteigerten Anspruchdenkens seitens der Patienten, die meinten, die Kassen würden ihnen wichtige Leistungen verweigern:

"Ich finde es richtig, dass die Kassen sagen, wir haben eine gesellschaftliche Verantwortung, denn jeder Euro, der ins Gesundheitssystem gesteckt wird, fehlt an anderer Stelle. Es ist ein emotionales Thema, aber ich sperre mich auch gegen den Spruch 'Gesundheit ist das höchste Gut'. Wir müssen uns auch fragen: Was erwarten wir eigentlich von unserem Gesundheitssystem?"

"Fürsorge oder Abzocke? Der Boom der ärztlichen Zusatzleistungen"

Darüber diskutiert Dieter Kassel heute von 9.05 Uhr bis 11 Uhr mit dem Medizinjournalisten Christian Weymayr. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254, per E-Mail unter gespraech@dradio.de oder auf unserer Facebook-Seite.

Informationen im Internet:

Über den "IGeL-Monitor"
Über Christian Weymayr