Für Konzerte nur bedingt geeignet

Von Claus Fischer · 04.01.2006
Die ganze Nation hat Anteil genommen, als Ende Oktober die Dresdner Frauenkirche geweiht wurde, und die deutschen Feuilletons verfolgten mit Aufmerksamkeit die ersten Konzerte im neu erstandenen Raum, unter anderem mit den New Yorker Philharmonikern. Doch bald machte sich Ernüchterung breit in Sachen Akustik.
Eine Art Himmelsmusik sollte es werden, das erhoffte sich der Komponist Siegfried Matthus von seinem Te Deum, das er zur Weihe der Frauenkirche im Auftrag der Stiftung für den Wiederaufbau komponiert hatte. Während unten im Kirchenschiff ein Sänger mit Orchester einen Text von Heinrich von Kleist über die Schönheiten Dresdens rezitierte, sollte ein Kinderchor bestimmte Passagen als Echo aus der Kuppel singen. Doch das Konzept misslang, stellte Dirigent Kurt Masur schon während der Proben fest …

"In dem Moment, wo dort eine bewegte Melodie kommt, verwischt das total, da ist der Nachhall einfach zu groß. Das sind einfach Dinge, die in einer Kathedrale ziemlich normal sind. Machen wir uns nichts vor, das Haus ist nicht zum Musizieren gebaut, sondern ist ein Gotteshaus. Und es ist natürlich gebaut, um der Orgel einen bestimmten Background zu geben, eine Orgel braucht viel Nachhallzeit, damit sie wirklich den Zuhörer oder den Gläubigen einhüllt in Klang."

Die Orgel des Straßburger Orgelbauers Daniel Kern verfehlt ihre Wirkung im Raum nicht, ganz egal, wo man als Zuhörer sitzt, ob im Kirchenschiff oder einer vielen Emporen, jeder Ton umgreift einen sofort. Doch der Dialog zwischen Orgel auf der Empore und Sinfonieorchester unten im Altarraum, den Siegfried Matthus in seinem "Te Deum" vorgesehen hatte, geriet ebenfalls zum Problem. Die Verständigung zwischen Dirigent, Orchester und Orgel wurde durch den Nachhall entscheidend gestört. Siegfried Matthus verbucht die Schwierigkeiten bei der Uraufführung seines Te Deums in der Frauenkirche unter dem Stichwort Erfahrung…

"Die Akustik ist so gut wie sie halt ist, ja? Und man muss jetzt auch die Ecken herausfinden, wo man dann eventuell, wenn man das nicht alles von unten macht, wo man die Sänger postiert, wenn man das nicht alles von unten macht. Man muss sich natürlich auf den Raum einstellen."

In erster Linie heißt das: Musik, die quasi über mehrere Ebenen spielt, wird immer problematisch sein. Und auch ein großes Sinfonieorchester, das unten im Altarraum sitzt, wird von einer der zahlreichen Emporen nicht so klar gehört werden können wie auf gleicher Ebene. Für Kurt Masur ist die Sache daher klar, wenn möglich sollte, wie es der Architekt auch vorgesehen hat, die Musik aus einer erhöhten Richtung kommen. Das Problem dabei: Baumeister George Bähr kannte im 18. Jahrhundert natürlich noch kein großes romantisches Sinfonieorchester, sondern nur überschaubare barocke Kammerformationen…

"Man wird das so wie in der Praxis in der Barockzeit einfach so machen müssen, dass, wenn man ein Kammerorchester hat, dann tut man das auf die Empore. Und die hören sich dann einander und können miteinander musizieren. Also wir sollten keine Mysterien hier hereinlegen, die Kirche ist das, was jede andere große Kathedrale auch ist."

Solche Sätze wird man bei der Stiftung für den Wiederaufbau der Frauenkirche nicht gerne hören, denn sie möchte ja das Bauwerk in nächster Zeit vor allem als Konzertsaal vermarkten, um die Kosten für die Unterhaltung zu erwirtschaften. Sinfonieorchester wie z.B. die New Yorker Philharmoniker passen eben nicht auf die Orgelempore. Roderich Kreile, Kantor an der benachbarten Kreuzkirche konnte ebenfalls einige Erfahrungen mit dem Raum machen…

"Ich hatte nun ja mehrfach Gelegenheit in der Frauenkirche zu musizieren, einmal die Weihe mit der Aufstellung auf den Emporen nahe am Altar und dann die h-Moll-Messe, wo wir einen ungewöhnlichen Aufstellungsort wählen mussten, nämlich nicht hinter der Chorschranke vor dem Altar, sondern davor, nahe beim Publikum. Das war einfach nötig, um bei dieser sehr beweglichen koloraturreichen h-Moll-Messe Chor und Orchester ganz eng zusammen zu haben und damit konnten wir das Problem der weiten Entfernungen umgehen."

Dennoch - insgesamt zieht Roderich Kreile ein ähnliches Fazit wie Kurt Masur:

"Eine Kirche kann in den allerseltensten Fällen die Anforderungen, die an eine Konzetsaalakustik gestellt werden, erfüllen, das ist auch nicht das primäre Ziel, wenn man eine Kirche baut."

Roderich Kreile hat für das Problem auch eine Lösung parat, die wird allerdings den Verantwortlichen der Stiftung Frauenkirche mit ihren Konzertsaalambitionen nicht schmecken…

"Vielleicht wird es sich längerfristig in Dresden so herausstellen, dass die ganz groß besetzten Sachen, die jetzt auch in der Frauenkirche stattgefunden haben, in der Kreuzkirche stattfinden, was ja auch von der Zuschauerkapazität her sinnvoll ist, und die vielleicht etwas kleiner besetzten dann ihren guten Platz in der Frauenkirche haben, aber das ist jetzt reine Spekulation."

Das Gespräch zum Thema mit Heinrich Löbbers, Kulturchef der "Sächsischen Zeitung", können Sie bis zu acht Wochen nach der Sendung in unserem Audio-On-Demand-Player hören.