Für ein Kind tue ich alles!

Was Frauen für eine Schwangerschaft auf sich nehmen

Blaue und rosa Söckchen und zwei Nuckel: Im Jahr 2013 ließen sich in Deutschland über 51.000 Frauen künstlich befruchten.
Blaue und rosa Söckchen und zwei Nuckel: Im Jahr 2013 ließen sich in Deutschland über 51.000 Frauen künstlich befruchten. © picture alliance / ZB
Von Christine Westerhaus · 23.04.2015
In Schweden kam erstmals ein Kind nach einer Gebärmutter-Transplantation auf die Welt. Eine medizinische Sensation, die wohl so schnell nicht wiederholt werden kann, sagt das beteiligte Ärzteteam. Doch die Sehnsucht vieler unfruchtbarer Paare ist groß: Sie probieren alles. Egal, was es sie kostet.
Es ist Mitte September 2014. Eine Frau liegt auf dem OP-Tisch des Sahlgrenska Universitätskrankenhauses in Göteborg. Per Kaiserschnitt bringt sie einen gesunden Jungen auf die Welt. Auf Vincents Geburt haben nicht nur seine Eltern jahrelang sehnsüchtig gewartet. Auch ein Ärzteteam am Sahlgrenska Universitätskrankenhaus in Göteborg hat sich viele Jahre lang auf diesen Moment vorbereitet. Darunter auch die Gynäkologin Liza Johannesson, die die Geburt miterlebt hat.
Liza Johannesson:"Das war ein fantastischer Moment! Es fühlte sich an, als wäre das auch unser Kind. Das ist es natürlich nicht wirklich, aber wir haben die Schwangerschaft so nah miterlebt, dass sich das sehr speziell anfühlte."
Dass es Vincent gibt, ist eine medizinische Sensation. Seine Mutter hätte eigentlich niemals eigene Kinder bekommen können, da sie aufgrund einer Missbildung ohne Uterus auf die Welt gekommen ist. Dieses nach seinen Entdeckern benannte Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom betrifft etwa eines von 5000 weiblichen Babys. 2012 transplantierte das schwedische Ärzteteam einer damals 35-Jährigen eine gespendete Gebärmutter.
"Seit sie 15, 16 Jahre alt war, wusste sie, dass sie ohne Gebärmutter geboren wurde. Es hat sie immer sehr belastet, keine eigenen Kinder bekommen zu können. Doch dann kam diese Möglichkeit."
Mats Brännström leitet das Ärzteteam, das die Transplantationen durchgeführt hat. Die Ärzte halten die Identität der transplantierten Frauen streng geheim. Doch auf der Homepage zum Projekt am Sahlgrenska Universitätskrankenhaus können Interessierte den Bericht von Anna lesen. Sie ist eine der Frauen, der eine Gebärmutter transplantiert wurde.
"Als ich 25 Jahre alt war, hat man mir die Gebärmutter entfernt. Ich hatte Gebärmutterhalskrebs. Ich damit zwar den Krebs besiegt, doch ich musste einsehen, dass ich nicht mehr wie andere war. Dass ich nie mehr in einer sicheren Familienblase werde leben können, das war ein Schock für mich. Ich war an einem kritischen Punkt in meinem Leben: Wer bin ich sein, wenn ich keine Mutter werden konnte? Was sollte ich mit meinem Leben anfangen?"
Gebärmutter-Transplantation - zunächst an Ratten getestet
Über 15 Jahre erforschte das schwedische Gynäkologen-Team die Möglichkeit, eine Gebärmutter von einer Frau auf eine andere zu transplantieren. Zunächst testeten sie das Verfahren an Ratten, später verpflanzten die Ärzte auch Schafen und Affen die Gebärmutter ihrer Artgenossinnen. Als dies gelang, wagten die Forscher diese aufwändige Transplantation auch beim Menschen. Seit 2011 wurde neun Frauen eine gespendete Gebärmutter transplantiert. Oft erhielten sie das Organ ihrer Mutter, also die Gebärmutter, in der sie selbst als Baby herangereift waren.
"Wir dachten, es dauert vielleicht fünf Jahre, aber dann hat es 15 Jahre gedauert, bis wir diese Operation beim Menschen durchführen konnten. Es ist eine unglaublich schwierige Transplantation, die eine minutiöse Vorbereitung erfordert. Auch wenn man ein erfahrener Operateur ist, kann man sie nicht einfach so durchführen. Man muss diese Transplantation vorher immer wieder am Tiermodell üben, um sicher zu gehen, dass sie auch beim Menschen funktioniert."
Medizinisch ist dem Ärzteteam um Mats Brännström eine Meisterleistung geglückt. Doch nicht alle sehen diese Entwicklung positiv. Kritiker bemängeln unter anderem, dass eine Gebärmutter kein lebensnotwendiges Organ sei, das unbedingt ersetzt werden müsse.
"Das stimmt! Aber es ist ein Organ, das die Lebensqualität erhöht. Und wenn man es mit einer Handtransplantation oder einer Bauchspeicheldrüsentransplantation vergleicht, sind das auch keine lebensnotwendigen Transplantationen. Selbst eine Niere kann man durch Dialyse ersetzen. Wenn man es so sieht, sind eigentlich nur Herz und Leber wirklich überlebenswichtige Organe."
"Dies war ein Forschungsprojekt und wir werden erstmal abwarten"
Rechtfertigt aber das Verlangen nach einem eigenen Kind das Risiko und die hohen Kosten, die solch eine Gebärmuttertransplantation mit sich bringt? Das Interesse und die mediale Aufmerksamkeit nach Vincents Geburt waren enorm. Täglich bekommt Mats Brännström Emails von Frauen, die hoffen, sich mit seiner Hilfe endlich ihren Traum vom eigenen Kind erfüllen zu können.
"Es haben mir Menschen mit verschiedenen Diagnosen aus der ganzen Welt geschrieben. Auch Transsexuelle, also Männer, die zu Frauen geworden sind und gerne eine Gebärmutter hätten. Aber ich habe ihnen geantwortet, dass wir das nicht weiter erforscht haben. Wir planen nun erstmal keine weiteren Transplantationen. Dies war ein Forschungsprojekt und wir werden erstmal abwarten, um dann ein neues Projekt zu beantragen."
Eines Tages könnte diese Art der Behandlung auch für andere Betroffene zur Verfügung stehen. Doch zunächst müssen geeignete Spenderin gefunden werden.
"Ich bekomme jeden Tag E-Mails von Frauen, die beispielsweise schreiben: Ich bin 41 Jahre alt, habe meine Kinder bekommen und will mich nun sterilisieren lassen. Kann man meine Gebärmutter nicht für etwas Besseres verwenden? Es gibt also so etwas wie ein altruistisches Verhalten hier und ich glaube deshalb, dass genügend Organe zur Verfügung stehen werden."
Organentnahme und Transplantation dauern jeweils fast zehn Stunden
Doch die Gebärmutterspende wäre nur der Anfang eines langen und komplizierten Verfahrens: Sowohl die Organentnahme auf Seiten der Spenderin als auch die Transplantation selbst dauert an die zehn Stunden und wird von einem zehnköpfigen Ärzteteam durchgeführt. Nur drei der insgesamt neun transplantierten Frauen haben ein gesundes Kind zur Welt gebracht. Zwei der Frauen trugen ihr Kind bis zum Ende der Schwangerschaft aus, eins der Babys musste aufgrund einer Schwangerschaftsvergiftung acht Wochen früher geholt werden. Einer der behandelten Frauen musste die Gebärmutter wieder entfernt werden, weil sie Blutungen bekam, eine weitere verlor das transplantierte Organ aufgrund einer Infektion. Insgesamt also ein riskanter Eingriff, sagt auch Mathias Bloechle, Berliner Facharzt für Reproduktionsmedizin.
"Was man mit berücksichtigen muss, dass gerade für die Spenderin der Gebärmutter ein erhebliches Risiko ist bei der Entnahme der Gebärmutter, da es nicht eine einfache Entnahme der Gebärmutter ist, sondern eine Entnahme unter der Bewahrung der Gefäße, die die Gebärmutter versorgen. Das ist ein sehr großer Eingriff, vergleichbar mit einer großen Krebsoperation oder sogar noch mehr als eine große Krebsoperation."
Tatsächlich verlief die Organentnahme nicht bei allen Spenderinnen komplikationslos.
"In der ersten Serie von Herrn Brännström war es ja auch so, dass eine Patientin eine Harnleiterverletzung hatte und noch mal operiert werden musste und der Harnleiter neu eingepflanzt wurde. Gott sei Dank hat sie das gut überstanden und der Harnleiter ist dann auch gut eingeheilt. Das ist sozusagen die ethische Frage, die man sich stellen muss, ob es gerechtfertigt ist, die Spenderin solch starken Risiken auszusetzen. Und das muss man abwägen gegenüber dem Guten was geschieht, nämlich dass eine andere Frau Kinder bekommen kann."
Maria hat 15 erfolglose Befruchtungen hinter sich
Als Alternative bleibt Frauen ohne funktionierende Gebärmutter nur der Weg über eine Leihmutter. Auch Maria Müller denkt über diesen Schritt nach. Schon seit vielen Jahren wünscht sich die Anfang 40-Jährige, die ihren richtigen Namen nicht nennen möchte, ein eigenes Kind.
"Meine Geschichte ist im Grunde schon gestartet vor 15 Jahren. Da ist mir der rechte Eierstock und Eileiter entfernt worden aufgrund einer Infektion und auch der linke Eileiter war verschlossen. Dadurch ging es bei mir, schwanger zu werden, nur durch künstliche Befruchtung. Wenn man das weiß, startet man früh mit der künstlichen Befruchtung und hatte dann mit 26 meinen ersten Versuch und bin auch gleich beim ersten Mal schwanger geworden und habe es dann aber leider in der siebten Woche wieder verloren."
Insgesamt hat Maria Müller 15 erfolglose künstliche Befruchtungen hinter sich. Jedes Mal hat sie wochenlang einen Cocktail aus verschiedenen Hormonen eingenommen, die die Reifung der Eizellen stimulieren. Während der Behandlung musste sie sich mehrmals am Tag selber eine Spritze geben.
"Man ist völlig hormongestört, man ist für seine Umwelt nicht so ganz verträglich, sag ich mal. Aber bisher habe ich es immer ganz gut hingekriegt. Also 14 Tage Stimulation, dann war der Termin für die Punktion, da bekommt man eine Vollnarkose, dann werden die Eizellen entnommen und dann kann man nachmittags wieder nach Hause gehen. Und am nächsten Tag muss man anrufen und fragen, wie viele sich befruchtet haben lassen."
"Diese 14 Tage Wartezeit sind immer der pure Horror gewesen"
In einer Kinderwunschklinik wurden die Ei- und Samenzellen in einer Petrischale zusammengebracht. Im Brutschrank sollen sie zu einem Embryo heranreifen. In-Vitro-Fertilisation oder kurz IVF nennen Reproduktionsmediziner dieses Verfahren. Bei der so genannten ICSI- Methode werden die Samenzellen dagegen direkt in die Eizelle injiziert. Dies geschieht beispielsweise dann, wenn die Samenzellen sich wenig bewegen und schwach sind. Etwa drei Tage nach der Befruchtung werden die so entstandenen Embryonen in die Gebärmutter der Frau eingesetzt. Danach beginnt die Zeit des Wartens und des Hoffens. Frühestens zwei Wochen später kann eine mögliche Schwangerschaft nachgewiesen werden.
"Diese 14 Tage Wartezeit sind für mich immer der pure Horror gewesen. Wenn man nur in sich hineinhört, in seinen Körper: Wie ist es? Rührt sich was? Merkt man was und man sich denkt, man müsste eigentlich was merken. Ja, die vierzehn Tage sind wirklich zäh und lang."
Allein 2013 ließen sich in Deutschland über 51.000 Frauen künstlich befruchten. Bei verheirateten Paaren übernehmen die Krankenkassen die Hälfte Kosten der 3000 bis 5000 Euro teuren Behandlung. Doch nur etwa jede fünfte künstliche Befruchtung führt zur Geburt eines Babys. 2013 lag das durchschnittliche Alter der Frauen, die sich einer Kinderwunschbehandlung unterzogen haben, bei 35 Jahren. Die Männer waren durchschnittlich um die 38 Jahre alt. Je älter die Frau bei der Behandlung ist, desto geringer ist ihre Chance, schwanger zu werden. Statistisch gesehen. Mit Anfang 40 liegt die Wahrscheinlichkeit, auf natürlichem Weg innerhalb eines Jahres durch ungeschützten Verkehr schwanger zu werden, bei nur 36 Prozent.
"Die Entscheidung, ein Kind zu bekommen und schwanger zu werden, wird immer weiter nach hinten verlagert. In der DDR war es so , dass sehr viele Paare im Alter mit 19, 20 oder 21 schon das erste Kind bekamen. Und in dem Alter funktioniert so was natürlich viel besser, als wenn ich mit 35 oder gar 36 daran gehe oder selbst im Schnitt bei 30 oder 32. Das heißt, es gibt ganz viele, die über diesem Schnitt liegen und da gibt es naturgemäß viel mehr Schwierigkeiten."
In Deutschland ist die Eizellspende verboten
Auch Tina und Hendrik Treuse haben sich mehrere Jahre lang in einer Kinderwunschpraxis behandeln lassen. Nach vier erfolglosen künstlichen Befruchtungen entschied sich das Paar, es mit einer Eizellspende zu probieren. Tina Treuse ist zum damaligen Zeitpunkt schon Ende dreißig. Die Ärzte geben ihr kaum noch Chancen, mit ihren eigenen Eizellen erfolgreich schwanger zu werden. Aber in Deutschland ist die Eizellspende verboten. Tina Treuse hat sich deshalb in einer Reproduktionsklinik in Spanien behandeln lassen.
"Das wurde uns eigentlich von mehreren unter vorgehaltener Hand gesagt, dass so was geht und es da eine ganze Industrie um uns herum gibt, nur dass es eben in Deutschland verboten ist."
Bei der Eizellspende werden die Keimzellen der Spenderin entnommen und der Frau mit Kinderwunsch eingesetzt. Das Verfahren ist nicht unumstritten, da sich die Spenderin einer Hormonbehandlung unterziehen muss, damit mehrere Eizellen gleichzeitig reifen. Dabei kann es passieren, dass die Eierstöcke überstimuliert werden und Flüssigkeit in den Bauchraum eindringt. Kritiker bemängeln daher, dass die Spenderinnen ihre Gesundheit oft aus finanzieller Not heraus aufs Spiel setzen würden. Denn wer Eizellen spendet, wird für den Aufwand finanziell entschädigt. Auch deshalb ist eine Kinderwunschbehandlung per Eizellspende deutlich teurer als eine konventionelle künstliche Befruchtung.
"Das kostet immerhin 10.000 Euro, knapp. Von daher kriegt man auch wirtschaftlich irgendwann einen Riegel vorgeschoben. Wir haben, glaube ich, 40.000 bis 50.000 Euro investiert in den Kinderwunsch."
Nach zwei erfolglosen Eizellspenden haben Tina und Hendrik Treuse die Hoffnung auf ein eigenes Kind endgültig aufgegeben. Sie haben sich ein Haus gekauft, in das sie nun jeden Euro investieren. Doch der Wunsch nach einem eigenen Kind ist geblieben.
"Das ist auf jeden Fall schwierig, denn man schließt nicht wirklich ab, sondern man nimmt sich nur was anderes vor. Das ist wie mit dem Rauchen aufzuhören. Sie werden dann nicht Nichtraucher, sondern nicht praktizierender Raucher quasi. Ich glaube, so ähnlich ist es mit dem Kinderwunsch dann auch. Wenn Sie mich heute fragen würden, hätte ich sofort gerne ein Kind, aber wir kümmern uns aktiv nicht mehr darum."
Das Ehepaar hatte schon vor der ersten Eizellspende beschlossen, nach dieser Behandlung keinen weiteren Versuch mehr zu unternehmen. Vor allem Hendrik Treuse war es wichtig, das eigene Leben nicht aus den Augen zu verlieren.
Angst, sich in der Spirale des Kinderwunschtraums zu verlieren
"Meine Angst war eigentlich, keinen Absprung zu finden von dem Kinderwunschtraum. Das man sich immer mehr in der nächsten Hoffnung vergräbt., die dann auch nichts wird. Da war für mich die Angst groß, dass man sich in so einer Spirale verliert und sich sagt: Beim nächsten Mal muss es doch klappen! Und das war eigentlich meine größte Angst davor."
Maria Müller hingegen hält auch nach dem fünfzehnten erfolglosen Versuch an ihrem Kinderwunsch fest. Der Zyklus der Hormonbehandlungen ist zum zentralen Bestandteil ihres Lebens geworden. Dreimal war sie schon schwanger, doch jedes Mal hat sie das Kind verloren. Und trotzdem, alles in ihrem Leben ordnet sie dem Kinderwunsch unter: Urlaube werden gestrichen, damit das Geld für die künstliche Befruchtung reicht. Feste oder Reisen werden nur kurzfristig geplant und dem Terminplan der Kinderwunschbehandlungen angepasst.
Man steckt da so drin - wenn man einen Versuch und dann ein negatives Resultat hat, man hat sich da wirklich nach zwei bis drei Wochen schon wieder halbwegs stabilisiert und dann fängt man an, schon wieder den nächsten Versuch zu planen. Was kann man anderes machen? Andere Medikamente, nimmt man Akupunktur dazu - also da plant man schon wieder den nächsten Versuch. Das ist schon wie eine Dauerschleife.
Für viele Paare mit Kinderwunsch ist so ein Verhalten symptomatisch, erklärt Stina Järvholm. Sie ist Psychologin am Sahlgrenska Universitätskrankenhaus und betreut dort Paare mit Kinderwunsch.
"Die meisten berichten davon, dass sie schon vor der Kinderwunschbehandlung nur noch Sex nach Terminkalender haben und dass sie nie länger als einen Zyklus weit planen. Alles wird um den Eisprung herum festgelegt: Feste, Urlaube, alles."
In Schweden ist es im Gegensatz zu Deutschland üblich, dass Paaren parallel zur Kinderwunschbehandlung auch eine psychologische Beratung angeboten wird.
Schätzungen: Sechs Millionen Deutsche mit unerfülltem Kinderwunsch
Das Sprechzimmer von Stina Järvholm liegt gleich neben dem Wartezimmer, in dem Paare auf die Kinderwunschbehandlung warten. Die räumliche Nähe ist beabsichtigt, erklärt die Schwedin.
"Wir wollten damit deutlich machen, dass eine Kinderwunschbehandlung eine Situation im Leben ist, die Menschen psychologisch beeinträchtigt. Dies ist keine Behandlung, die nur ein paar Leute ganz am Rande betrifft, sondern viele."
Schätzungen zufolge leben in Deutschland sechs Millionen Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch. Viele Paare tauschen sich in Internetforen wie "wunschkind.de" oder "gofeminin.de" miteinander aus, fragen um Rat und machen sich gegenseitig Mut. Auch Maria Müller ist in diesen Foren unterwegs. Dort sucht sie den Kontakt zu anderen, die das gleiche durchgemacht haben wie sie. In Deutschland werden Frauen mit ihren Ängsten und Problemen während der Kinderwunschbehandlung viel zu häufig allein gelassen, findet Maria Müller. Um eine psychologische Beratung muss sich hier jede Frau selbst bemühen - und muss sie auch selbst bezahlen.
"Ich bin schon immer in ein tiefes Loch gefallen danach und habe lange Zeit gebraucht, mich davon zu erholen. Und wenn dann der Partner nicht voll dahinter steht wird’s irgendwann zum Riesenproblem. Ich hatte mich auch psychologisch mal betreuen lassen, hatte mich auch bei einer Frauengruppe angemeldet, aber letztendlich muss man sich da selber da hilft einem keiner, da muss man sich selber rauszeihen, da hilft einem keiner."
Es ist hart. Maria Müller musste erlebt, wie ihre Freundinnen schwanger wurden und ihre Freundschaft daran zerbricht.
"Also Weihnachten, da fahr' ich nicht zu meiner Familie"
Es ist immer Thema, es ist jeden Tag Thema. Dann habe ich ja noch eine Schwester, die auch irgendwann mal schwanger war. Und das war für mich auch ein Riesenthema. Da habe ich schon mit mir gekämpft. Und das ist auch immer noch so. Also Weihnachten, da fahr' ich nicht zu meiner Familie, da bleib ich lieber daheim oder gehe arbeiten. Oder Ostern. So Familienfeste, da verkrieche ich mich lieber irgendwo.
Nur die wenigsten in ihrem Umfeld können mit dem Thema umgehen und offen darüber sprechen.
"Ich denke schon, dass das es immer noch ein ziemliches Tabuthema ist in Deutschland. Da muss man sich gut überlegen, wem man was erzählt. Also früher auf meiner Arbeitsstelle, da haben es alle gewusst, wenn ich einen neuen Versuch gemacht habe. Jetzt habe ich eine neue Arbeitsstelle, jetzt ist es nicht mehr so. Weil viele sagen: Was, wie kannst du nur – nimm es doch einfach so hin, eben ohne Kinder.
Anders Hendrik und Tina Treuse. Sie haben von Anfang an offen über das Thema gesprochen und ihren Freunden und Bekannten immer alles erzählt. Ein solch offener Umgang macht es den Betroffenen deutlich leichter, mit ihrem Schmerz umzugehen, meint Mathias Bloechle.
"Ich denke, alles worüber man spricht, dem wird so ein bisschen der Schleier des des Inakzeptablen genommen. Wenn man darüber spricht, sieht man, dass es ganz andere und normale Menschen betrifft – es ist ja auch normal, dass man solche Themen nicht auf dem Markt austrägt und rumläuft und sagt: Ich habe ein schlechtes Spermiogramm oder ich habe die Eileiter verklebt. Aber es gibt eben den Hinweis, dass man nicht der einzige ist mit so einem Problem und dass dass es auch andere Menschen gibt und eine öffentliche Besprechung möglich ist."
Der endgültige Abschied vom Kinderwunsch fällt Paaren extrem schwer
Auch Maria Müller hilft es, sich mit anderen auszutauschen. In den Internetforen diskutieren Betroffene auch darüber, wie schwierig es ist, den Absprung zu schaffen. Die Psychologin Stina Järvholm weiß aus Erfahrung, dass es Paaren extrem schwerfällt, die Behandlungen einzustellen und sich endgültig vom Kinderwunsch zu verabschieden.
"Was es für viele so schwer macht damit aufzuhören, ist, dass es kein natürliches Stoppschild gibt. Es ist wie bei einer Lotterie, bei der man mit jeder neuen Behandlung ein neues Los zieht. Jedes Mal gibt es die Hoffnung, dass der Hauptgewinn dieses Mal kommt. Und auch wenn die Chance noch so klein ist, halten die Menschen daran fest. Psychologisch ist es viel schwieriger, damit umzugehen als wenn ein Arzt sagen würde, das wird niemals funktionieren!"
Maria Müller will jetzt die Hilfe einer Leihmutter in Anspruch zu nehmen. Sie hat einen neuen Partner gefunden, der bereit ist, mit ihr diesen Weg zu gehen. Beide sehen es als ihre letzte Chance, doch noch ein eigenes Kind zu bekommen.
"Ich finde, das ist schon ein krassen Weg – das wäre mir früher nie in den Sinn gekommen. Aber bei mir ist der Kinderwunsch einfach so stark, dass ich den Weg gehe. Allein der Gedanke, meinen eigenen Embryo in eine fremde Frau einzusetzen. ist schon schwierig. Damit kann ich mich noch nicht so richtig anfreunden. Aber wenn das der einzige Weg ist und mein Körper den Embryo immer wieder abtötet, dann wird der Weg so sein."
Die Anfang 40-Jährige hat Kontakt zu einer Agentur in der Ukraine aufgenommen. Dort ist die Leihmutterschaft legal, so wie auch in Indien oder in einigen Staaten der USA. In ihrem privaten Umfeld stößt Maria Müllers Plan jedoch auf Unverständnis. Manche werfen ihr vor, egoistisch zu sein und die finanzielle Not anderer Menschen auszunutzen.
"Man stumpft mit diesem Kinderwunsch so ab"
"Ich denke natürlich auch, das sind alles Frauen, die das nicht aus reiner Nächstenliebe machen. Die haben das Geld nötig. Das ist natürlich eine der Voraussetzungen, dass die mindestens ein bis zwei Kinder selber haben und die wollen ihren Kindern was bieten. Ich denke, deswegen werden es die meisten machen. Natürlich hat man dann irgendwann mal einen Anflug von schlechtem Gewissen, aber man stumpft dann mit diesem Kinderwunsch so ab und geht dann Wege, die sich andere nie erträumen lassen würden."
Auch für Frauen ohne funktionierende Gebärmutter gibt es weiterhin nur den Weg, ein eigenes Kind über eine Leihmutter zu bekommen. Die rechtliche Lage ist jedoch unsicher und kompliziert. Die Betroffenen sind auf sich allein gestellt, wenn sie sich an eine Leihmutter-Agentur im Ausland wenden. Vor dem deutschen Gesetz ist diejenige Mutter eines Kindes, die das Baby ausgetragen hat. In dem Fall also die Leihmutter. Viele Paare schrecken auch aus diesem Grund davor zurück, die Hilfe einer Leihmutter in Anspruch zu nehmen. Mathias Bloechle befürwortet daher eine Gesetzesänderung in Deutschland.
"Ich fände es eigentlich sinnvoll, wenn man unter definierten Bedingungen, also aus medizinischen Gründen, die Leihmutterschaft hier auch zulassen würde. Das betrifft ja auch nicht Unmengen von Patienten und ich hielte das für sehr sinnvoll. Vielfach könnte man das auch innerhalb der Familie machen – die Mutter könnte zum Beispiel als Leihmutter auftreten oder die Schwester, sagen wir mal im engen Freundeskreis. Ich finde man muss vielleicht Vorkehrungen treffen, dass hier keine Kommerzialisierung stattfindet und das zu einem Geschäftsmodell sollte es nicht werden. Aber ich finde, man sollte eine grundsätzliche Zulassung der Leihmutterschaft in Deutschland herbeiführen und dann halt diskutieren, wo die Grenzen liegen und das muss man halt definieren."
Theoretisch wäre es auch in Deutschland möglich, Frauen eine gespendete Gebärmutter einzupflanzen, so wie in Schweden. Aber falls das Verfahren je aus dem Experimentierstadium herauskommt, wird es wahrscheinlich auch nur wieder Menschen offenstehen, die das nötige Geld aufbringen können, vermutet der Berliner Reproduktionsmediziner Mathias Bloechle.
"Die Frage ist, inwiefern die Krankenkassen dafür aufkämen. Da würde ich meine Fragezeichen dahinter machen. Und ich denke, wenn man das vernünftig durchrechnet, würde man in einem Bereich zwischen 60.000 und 100.000 Euro landen."
Immunsuppressiva müssen auch während der Schwangerschaft
Ein hoher Preis, zumal die Schwangerschaft mit einer transplantierten Gebärmutter auch für das Ungeborene nicht unproblematisch ist: Damit der Körper das fremde Organ nicht abstößt, muss die Empfängerin starke Medikamente einnehmen. Diese so genannten Immunsuppressiva müssen so lange eingenommen werden, wie die Empfängerin das Organ behält. Also auch während der gesamten Schwangerschaft. Noch ist unklar, ob die Medikamente negative Folgen für das Baby im Mutterleib haben. Auch wenn Mats Brännström, Leiter des schwedischen Transplantationsteams, zuversichtlich ist.
"Wir wissen es nicht. Aber es gibt weltweit 20.000 Patienten, die gesunde Kinder auf die Welt gebracht haben, obwohl sie die gleichen Medikamente einnehmen mussten. Aber hier haben wir natürlich eine neue Situation: Es ist eine schwere Operation, dazu die Medikamente und die Belastung der Schwangerschaft. Wir wussten zwar aus Tierversuchen, dass die Methode sicher ist, aber gleichzeitig ist es vom Tier natürlich noch ein Schritt bis zum Menschen."
Nach der Transplantation haben die Ärzte ein Jahr lang gewartet, bis sie den Frauen einen durch künstliche Befruchtung erzeugten Embryo in das transplantierte Organ einsetzten. Sie wollten sicher gehen, dass das Organ gut funktioniert und die Frauen regelmäßig ihre Menstruation bekommen zum ersten Mal in ihrem Leben. Bevor jetzt das erste Baby weltweit nach einer Gebärmutter Transplantation geboren wurde, gab es einen Fall in Saudi-Arabien, bei dem einer Frau zwar eine Gebärmutter transplantiert wurde, aber das Organ musste nach drei Monaten wieder entfernt werden. 2011 pflanzten Ärzte einer Frau in der Türkei einen gespendeten Uterus ein. Doch bisher erlitt sie nur Fehlgeburten. Erst den Schweden gelang es, mehreren Frauen durch eine Uterus-Transplantation zu einem eigenen Kind zu verhelfen. Aber auch für die dort behandelten Frauen gab es zu keiner Zeit eine Garantie dafür, dass diese aufwändige Prozedur tatsächlich funktionieren würde. Dennoch habe keine von ihnen auch nur einen Moment lang daran gezweifelt, diesen strapaziösen Weg gehen zu wollen, erzählt Liza Johannesson, Gynäkologin am Sahlgrenska Universitätskrankenhaus in Göteborg.
"Wichtig ist für die Frauen, dass sie es versucht haben"
"Die Frauen waren alle sehr motiviert und darauf gefasst, dass das alles sehr anstrengend für sie werden wird, sowohl physisch als auch psychisch. Bei zwei der Frauen mussten wir die Gebärmutter leider wieder entfernen. Aber selbst die beiden haben gesagt: Ich bin trotzdem froh, dass ich dabei war und es wenigstens probiert habe."
Auch wenn viele Paare trotz belastender Behandlung einsehen müssten, dass sie in ihrem Leben niemals eigene Kinder haben werden: Bisher hat auch Mathias Bloechle es nicht erlebt, dass eines der Paare diesen Schritt bereut habe.
"Wichtig ist für die Frauen, dass sie es versucht haben. Dass sie nicht da sitzen und sagen: Ach hätte ich es mal versucht, vielleicht wäre ich doch Mutter geworden. Das nagt dann an denen. Wenn sie es aber wenigstens versucht haben, dann können sie auch ihren Frieden damit finden: Ja, Ich habe es versucht, aber es sollte nicht sein. Aber ich muss mir nicht vorwerfen, dass ich es nicht versucht habe.
Eigentlich hätte ich gerne zwei, drei Kinder gehabt. Das war immer mein Wunsch. Mittlerweile muss ich froh sein, wenn ich überhaupt mal eins habe. Aber noch ist nicht aufgegeben.
Man lenkt sich eigentlich mit anderen Dingen ab. Wir haben uns ein Haus gekauft, renovieren das, beschäftigen uns mit dem Garten, legen den an. Ich arbeite viel. Man flüchtet sich einfach in andere Dinge dann.