"Für die Reichen sind wir sogar ein Niedrigsteuerland"

Thomas Oppermann im Gespräch mit Marcus Pindur · 10.01.2011
Die SPD will die Reichen und Besserverdienenden stärker besteuern und die daraus resultierenden Einnahmen für Bildung, eine bessere Ausstattung der Kommunen und die Entlastung kleiner Einkommen nutzen.
Marcus Pindur: Viele hielten es eben nicht für eine Überraschung: Gesine Lötzsch, die Linken-Vorsitzende, schwadronierte sehnsuchtsvoll vor Sympathisanten über, Zitat, "Wege zum Kommunismus". Egal, ob das jetzt eine taktische Verneigung vor den immer noch zahlreichen Linksextremen in den eigenen Reihen war oder das tiefste innere Wollen und Wünschen von Gesine Lötzsch offenbart, ihre Bemerkung stieß fast überall auf Befremden. SPD-Chef Gabriel zögerte nicht lange und dekretierte, mit der Linken könne es keine Koalition und keine Kooperation auf Bundesebene geben. Wir sind jetzt verbunden mit Thomas Oppermann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bundestag, guten Morgen, Herr Oppermann!

Thomas Oppermann: Guten Morgen, Herr Pindur!

Pindur: In Hessen hätte die SPD um ein Haar mit den Linken kooperiert, in NRW tut sie es gezwungenermaßen durch ein Tolerierungsmodell, im Osten ist es politisches Tagesgeschäft. Meinen Sie, die Wähler nehmen der SPD ab, dass sie auf Bundesebene keine Kooperation mit den Linken eingeht?

Oppermann: Ja jedenfalls mit den Linken, die es für richtig halten, im Augenblick in Deutschland eine Debatte über die Renaissance des Kommunismus anzuzetteln, kann ich mir nicht vorstellen, dass die SPD irgend ein Interesse haben könnte, mit einer solchen Partei zusammenzuarbeiten. Das ist so weit weg von Gut und Böse und von den konkreten politischen Fragen, die uns bedrängen, dass ich es fast schon für sektiererisch halte eine solche Diskussion im Augenblick zu führen. Die Menschen haben doch in Deutschland klar entschieden, sie wollen eine freiheitliche Gesellschaft, sie wollen eine soziale Demokratie, niemand will die Rückkehr einer kommunistischen Herrschaft. Wer darüber diskutiert, bringt sich doch selber ins Abseits.

Pindur: Nicht nur im Bezug auf die Linke muss die SPD schauen, wie sie sich positioniert. Auffällig ist ja, dass die Sozialdemokraten trotz der teilweise desolaten Lage der Bundesregierung nicht so richtig in den Umfragen davon profitieren konnten. Heute gehen die SPD-Parteigremien in eine Klausurtagung, was steht denn da zur Debatte oder muss zur Debatte stehen, um sich stärker zu profilieren?

Oppermann: Wir haben uns natürlich im ersten Jahr nach der Bundestagswahl erst mal damit beschäftigen müssen, die Partei beieinanderzuhalten, sie zu stabilisieren, unseren Mitgliedern und unseren Abgeordneten auch wieder Mut zu machen. Das ist gelungen, die SPD steht heute wieder deutlich besser da. Aber jetzt geht es natürlich darum, programmatisch uns für die Zukunft aufzustellen, insbesondere für die nächste Bundestagswahl. Und dem dient auch das Treffen in Potsdam, da werden wir über neuen Fortschritt und mehr Demokratie diskutieren, die SPD will sich präsentieren als eine Partei, die den Fortschritt für notwendig hält um den Wohlstand und die Lebensqualität in Deutschland zu erhalten, wir wollen technologischen, wir wollen kulturellen, aber auch sozialen Fortschritt.

Nur Fortschritt haben die Menschen oft empfunden als Herstellung von Wettbewerbsfähigkeit, wir wollen das so diskutieren, dass die Menschen sehen: Fortschritt, das muss sich auch niederschlagen für sie als individueller Fortschritt in ihrer konkreten Lebenssituation. Und so wollen wir diesen Fortschrittsbegriff für uns nutzen, um die Position der SPD bei Wirtschaft und Arbeit, bei Bildung und Integration und bei Gesundheit wieder nach vorne zu bringen.

Pindur: Sie wollen kleine und mittlere Einkommen entlasten, steuerlich entlasten. Die Parteilinke hat sich dazu schon zu Wort gemeldet und gesagt, nicht mit uns, wir wollen das lieber in Bildung investieren. Bahnt sich da ein neuer Konflikt an?

Oppermann: Nein, das ist kein Konflikt. Aber wenn wir darüber debattieren, ist das sicherlich eine konstruktive Debatte. Ich glaube, wir müssen drei Dinge finanzpolitisch auf jeden Fall voreinander bringen, wir müssen die Kommunen in Deutschland finanziell hinreichend ausstatten, wir müssen den enormen Bedarf für Bildung finanzieren – nach der OECD-Berechnung ist ja Deutschland mit 20 Milliarden Euro im Bildungssystem unterfinanziert, während andere Länder die Ganztagsschule als Regelschule haben, ist das bei uns eher die Ausnahme –, und drittens müssen wir die unteren Einkommen entlasten.

Ich glaube, das ist auch eine Frage der Gerechtigkeit. Die Leute, die zwischen 800 und 3000 Euro verdienen, müssen teilweise gar keine Steuern bezahlen, aber sie werden alle mit rund 20 Prozent Sozialabgaben zur Kasse gebeten. Für jemanden, der 1500 Euro verdient und vermutlich keine Steuern zahlt, bedeutet das, dass er schon mit 300 Euro bei den Sozialabgaben dabei ist. Das ist ein harter Einschnitt, eine harte Belastung für diese Einkommensgruppe, und an ihr ist ja der Aufschwung bisher auch vorbeigegangen und die haben in der Krise am meisten leiden müssen. Deshalb ist es richtig, dass wir jetzt diese Gruppe für eine mögliche, moderate steuerliche Entlastung beziehungsweise durch Zahlung von Steuerzuschüssen, damit sie von ihren Sozialabgaben entlastet werden, ins Visier nehmen.

Pindur: Versprechen Sie da angesichts der momentanen Kassenlage nicht ein wenig zu viel? Denn Sie können ja nicht beides machen, gleichzeitig Milliarden in die Bildungsinfrastruktur stecken und dann noch durch steuerliche Zuschüsse die unteren und mittleren Einkommen entlasten?

Oppermann: Wir dürfen in der Tat nur das versprechen, was wir auch halten können. Wir machen aber auch Vorschläge, wie der Staat mehr Geld einnehmen kann, wir halten unser Steuersystem für ungerecht, wie es zurzeit ist. Die Spitzeneinkommen werden zu schwach besteuert und die Sozialabgabenlast für die unteren Einkommen ist zu hoch. Dabei hat ja Deutschland kein hohes Steuerniveau, für die Reichen sind wir sogar ein Niedrigsteuerland, der Durchschnittssteuersatz in Deutschland liegt bei 23 Prozent, der OECD-Durchschnitt liegt bei 26,7 Prozent. Also wir brauchen hier mehr Gerechtigkeit und wollen deshalb den Spitzensteuersatz auf 49 Prozent anheben.

Ich glaube, das ist wirtschaftlich richtig, aber auch ein Gebot der Gerechtigkeit. Dann wollen wir das Vermögen natürlich stärker besteuern. Und nicht zuletzt tritt die SPD nach wie vor für die Finanztransaktion ein, wir müssen die Spekulation und die Zockerei auf den Finanzmärkten dämpfen. Also wir reden auch über zusätzliche Einnahmen und dann können wir auch darüber reden, welche Ausgabenprioritäten da sind. Und das ist bei uns ganz klar, wir wollen die Kommunen finanziell ordentlich ausstatten, damit die Menschen unten nicht mit höheren Gebühren all das refinanzieren müssen, was oben an Steuerentlastungen kommt, wir wollen die Bildung finanzieren und wir wollen die unteren Einkommen entlasten.

Pindur: Herr Oppermann, vielen Dank für das Gespräch!

Oppermann: Danke auch!

Pindur: Thomas Oppermann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bundestag.