Frühjahrsgutachten

Von Jörg Münchenberg |
Überraschend kommt die heutige Prognose nicht: Fast alle Wirtschaftsexperten haben ihre Wachstumsannahmen längst deutlich nach unten korrigiert. Ähnlich auch die Einschätzung etwa beim Internationalen Währungsfonds oder auch der OECD. Nach einem kurzen konjunkturellen Höhenflug geht der Wirtschaft schon wieder die Puste aus. Spannend bleibt allein die Frage, ob es sich derzeit tatsächlich nur um eine Wachstumsdelle handelt oder aber Deutschland in der Stagnation gefangen bleiben wird.
Die Chancen, dass es nicht so kommen muss, stünden gar nicht mal so schlecht, versuchten heute die Wirtschaftsforschungsinstitute Mut zu machen. Doch allein der deutliche Schnitt bei der eigenen Prognose mahnt eher zur Vorsicht. Statt um 1,5 soll die Wirtschaft jetzt nur noch um 0,7 Prozent zulegen. Mehr als eine Halbierung also, und allein dies macht deutlich, dass die zahllosen Vorhersagen der Konjunkturauguren längst mit spitzen Fingern angefasst werden müssen.

Zumal die realen Risiken beträchtlich sind. Glaubt man einigen Gutachten, dann könnte sich der Ölpreis in absehbarer Zeit glatt verdoppeln - mit fatalen Folgen für die ohnehin schwächelnde Binnennachfrage sowie die Erträge der Unternehmen. Doch selbst, wenn sich der Ölpreis auf dem derzeit hohen Niveau einpendelt: die Perspektiven sind alles andere als rosig.

Denn auch am Arbeitsmarkt ist keine Besserung in Sicht, trotz einschneidender Reformen, trotz unbezahlter Mehrarbeit und moderater Lohnpolitik. Zumal die Institute zu Recht auf eine gefährliche Entwicklung verwiesen haben: Zuwächse gibt es allein noch bei Minijobs und Ich-AGs zu verzeichnen. Eine Folge: die Einkommen gehen eher noch zurück, dies wiederum wirkt sich zusätzlich belastend auf die schwache Binnenkonjunktur aus.

Die Konsequenzen liegen deshalb auf der Hand: ein ‚Weiter so’ kann es nicht geben. Oder, um es in der Sprache der Institute zu formulieren: Deutschland leidet nicht unter einer Konjunktur-, sondern einer Wachstumsschwäche. Und die Bundesregierung kann bislang nur wenig vorweisen, dass sie versucht hat, mit diesem Problem fertig zu werden.

Dies ist bitter, war doch gerade Hartz IV ein Kraftakt, der fast noch am Widerstand der Gewerkschaften, aber auch am Populismus der Union gescheitert wäre. Jetzt aber hofft die Regierung vergeblich auf die Ernte dieser Saat - stattdessen heißt es lapidar, ein Gesamtkonzept muss her, nicht das Herumdoktern an Einzelproblemen. Die große Reform also. Doch schon jetzt streiten sich Regierung wie Opposition wie die Kesselflicker allein um die Umsetzung des Jobgipfels - dies macht wenig Hoffnung auf weitergehende Maßnahmen.

Dabei haben die Institute in vielen Punkten recht: die Staatsquote hierzulande ist eindeutig zu hoch, gleiches gilt für die Subventionen. Auch über das komplizierte deutsche Steuerrecht wird kontinuierlich auf höchstem Niveau gejammert, ohne dass sich die politischen Kontrahenten auch nur ansatzweise aufeinander zu bewegt hätten.

Und so bleibt es vorerst dabei: zumindest bis zu den Bundestagswahlen werden Regierung wie Opposition zwar viel über Reformen reden, aber nicht entsprechend handeln. Auch eine Prognose übrigens, die aber weitaus sicherer sein dürfte als die heutigen Wachstumsannahmen der Wirtschaftsforschungsinstitute.