Martin Hyun

"Integration ist zu einer Comedy-Show verkommen"

Der Integrationskritiker und Gründer der Initiative Hockey is Diversity Martin Hyun (m.), hier mit den Sportlern Danijel Kovacic (l.) und Peter Goldbach auf dem Eis in einem Stadion in Krefeld. (aufgenommen 2011)
Der Integrationskritiker und Gründer der Initiative Hockey is Diversity Martin Hyun (m.) spielte früher Eishockey bei den Krefeld Pinguinen. © picture alliance / dpa / Simone Hyun
Von Kemal Hür · 25.03.2015
Mehrere internationale Hochschulabschlüsse, hunderte Bewerbungen und trotzdem keine feste Stelle, so erging es dem Deutsch-Koreaner Martin Hyun. Nun hat er einen Traumjob bekommen - in der Heimat seiner Eltern.
Martin Hyun in einer Schule im Interview:"Eine neue Serie von Schooltalks mit…? – Martin Hyun." – "Martin Hyun, was machst du denn?" – "Ich bin Autor, ich bin Politikwissenschaftler. Und ich hab jetzt vor kurzem eine neue Stelle bekommen als Technischer Direktor für die winterolympischen Spiele 2018 in Pyeongchang für den Bereich Eishockey. Ich hab ja auch eine Eishockey-Vergangenheit; deswegen."
In einer Schule im Wedding wurde ein Klassenraum zu einem kleinen Amateur-Fernsehstudio umgebaut. Auf der Bühne interviewt ein junger Mann mit weißem Hemd und roter Fliege Martin Hyun. Etwa 30 Schüler schauen und hören zu. In dieser Gesprächsreihe, die "Schooltalks" genannt wird, sollen Schüler interessante Menschen und Berufe kennenlernen. Martin Hyun ist ein solcher Mensch. Er ist der erste koreanisch-stämmige Spieler in der Deutschen Eishockey-Liga. Seine Sportkarriere hat er zwar schon lange hinter sich. Aber er hat nun einen Traumjob bekommen, der ohne seine sportliche Vergangenheit nicht möglich gewesen wäre: Technischer Direktor der Eishockey-Spiele während der Olympischen Winterspiele 2018 in Korea. Die Schüler sind beeindruckt und verabschieden ihren Gast mit einem Applaus.
Martin Hyun hat wenig Zeit vor seinem Umzug nach Korea. Er erzählt uns seine Geschichte in einem Café in der Nähe der Schule.
Als er erfuhr, dass er die Stelle als Direktor bekommen würde, rief der 36-Jährige als erstes seine Schwester an, die als Ärztin in Bochum arbeitet. Und sein Blick verrät, er kann es immer noch nicht so recht glauben.
"Wir beide mussten einfach nur weinen. Weil der Kreis hat sich da geschlossen. Meine Eltern sind damals mit wenigen Koffern nach Deutschland gekommen und haben unter Tage gearbeitet. Meine Mutter hat als Krankenschwester geschuftet. Dass ich nach Korea fliegen kann als Technischer Leiter mit einem Anzug an, ganz anders wie meine Eltern damals. Das war für mich einfach überwältigend."
Den Anzug erwähnt Hyun nicht zufällig. Als Martin den ersten Profivertrag bei den Krefeld Pinguinen bekam, sagte sein Vater, er solle endlich in Anzug und mit einem Aktenkoffer einer seriösen Arbeit nachgehen. Martin, 1 Meter 80 groß und kräftig gebaut, wird jetzt tatsächlich oft mit Anzug und Aktenkoffer unterwegs sein. Er ist froh, diese Arbeit bekommen zu haben, gleichzeitig aber auch tief enttäuscht. Enttäuscht von seiner Heimat Deutschland, die ihm nie eine Chance gegeben habe, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen und ihn nie als vollwertigen Deutschen anerkannt habe, sagt er.
"Dieses Land hat es mir nie leicht gemacht"
"Dieses Land hat es mir nie leicht gemacht, in keiner Sekunde. Deswegen bin ich Korea, dem Land meiner Eltern, unglaublich dankbar für diese einmalige Chance, auf die ich so lange gehofft und gewartet habe in Deutschland, dass ich die in Korea bekomme. Das ist das Unglaubliche daran."
Martin Hyun ist ein ruhiger Mann. Er spricht langsam, hat einen tiefen, nachdenklichen Blick.
Er studierte Internationale Beziehungen in England, später in den USA und in Brüssel Politikwissenschaft und International Business. Er steht kurz vor Abschluss seiner Dissertation. Er war Adenauer-Stipendiat. Aber – und während er das erzählt, erlischt das Lächeln in seinen Augen – er bekam nie eine Anstellung, die seiner Qualifikation entsprochen hätte. Er bewarb sich Jahre lang bei Stiftungen, politischen Organisationen und Verbänden und wurde gar nicht erst zu Vorstellungsgesprächen eingeladen.
"Das war eine Zeit voller Ängste, voller Sorgen, wie es hier weitergeht in diesem Land als sozusagen hochqualifizierter Mensch mit Migrationshintergrund. Wie geht es weiter in diesem Land? Was mache ich? Wie komme ich weiter?"
Er nahm befristete Tätigkeiten im sozialen Bereich an, für die er überqualifiziert war. Und er widmete sich dem Schreiben. Zunächst schrieb er ein Buch über die Geschichte koreanischer Einwanderer, in dem er auch die Migrationsgeschichte seiner Eltern verarbeitete. In seinem zweiten Buch "Ohne Fleiß kein Reis" erzählt er humorvolle persönliche Geschichten über Integration. Die Integrationsdebatte findet er mittelalterlich, sagt er.
"Ich glaube, Integration ist zu einer kleinen Comedy-Show verkommen in Deutschland. Ja, und für mich war einfach dieser humoristische Ansatz, weil ich nur vieles so ertragen kann."
Vor fünf Jahren gründete er die Initiative Hockey is Diversity. Dieser Zusammenschluss von Eishockeyspielern mit Migrationshintergrund macht mit verschiedenen Projekten darauf aufmerksam, dass im Sport schon lange Menschen aus verschiedenen Nationen in einer Mannschaft sind.
"Viele Fans, die skandieren ja für einen beliebten Spieler, der einen ausländisch klingenden Namen hat, Boateng oder Mesut Özil. Warum können sie das nicht genauso euphorisch machen außerhalb des Fußballstadions, außerhalb des Eisstadions?"