Frühe Christen

Heiligenbilder unter der Erde

Ein Eingang zu den Katakomben in Rom
Ein Eingang zu den Katakomben in Rom © dpa / picture alliance / Bernhart
Von Thomas Migge · 10.05.2014
Einst Grabanlagen der Reichen, wurden die Katakomben in Rom zu ersten Keimzellen der christlichen Kirche. Eine der interessantesten ist nach einer gründlichen Restaurierung jetzt wieder für die Öffentlichkeit zugänglich.
"Über diese Straße wurde Rom mit Lebensmitteln versorgt. Die Casilina verlief von Rom aus nach Capua. Sie war eine der wichtigsten Straßen Roms. Hier an dieser Stelle befand sich der Friedhof der Equites singulares. Sie waren hier, bevor die frühen Christen an dieser Stelle ihre Katakombe ins Erdreich gruben."
Die Equites singulares waren eine kaiserliche Garde im römischen Reich, erklärt Caterina di Curzio. Sie ist Althistorikerin und führt Reisegruppen zu Roms Katakomben. Eine davon liegt an der chronisch stark befahrenen Via Casilina.
Diese heutige Straße verläuft fast haargenau auf dem Streckenverlauf der antiken Via Casilina. Bei der Hausnummer 641 erhebt sich eine Kirche, die Papst Clemens XIII. 1765 errichten ließ – ziemlich genau dort, wo die Equites singulares ihren Friedhof hatten. Eine Reitertruppe übrigens, die im Jahr 312 von Kaiser Konstantin dem Großen aufgelöst wurde - hatte sich doch ihr Kommandant erlaubt, Konstantins Gegenspieler Kaiser Maxentius, der im gleichen Jahr an der Milvischen Brücke besiegt wurde, zu unterstützen. Genau dort, wo sich das Kolombarium mit den Urnen der Garde befand, ließ sich Konstantin ein Grabmal errichten.
"Ein enormes Grabmal, mit einem äußeren Umfang von 26 Metern. Die Mauern sind sieben Meter dick. Aber Konstantin verlegte später die Hauptstadt seines Reiches nach Konstantinopel und so brauchte er dieses Grabmal nicht mehr. Später ließ er deshalb hier seine Mutter, die heilige Helena, bestatten."
Die letzte Ruhe für zwei christliche Märtyrer
Die Kilometer langen unterirdischen Gänge, die ab dem dritten Jahrhundert von frühen Christen angelegt wurden, sind mit dem Taxi in knapp 15 Minuten vom historischen Zentrum aus zu erreichen. Große Katakomben, die insgesamt eine unterirdische Fläche von beeindruckenden 18.000 Quadratmetern einnehmen, von denen bisher nur etwa 60 Prozent archäologisch erforscht wurden. Die Katakomben der beiden Heiligen Marcellino und Pietro, sie starben im Jahr 304 in Folge der Christenverfolgung durch Kaiser Diokletian, sind jetzt endlich, nach 20 Jahren Schließung, zugänglich. Sie gehören zu den beeindruckendsten ganz Roms, erklärt Fabrizio Bisconti Archäologe am Päpstlichen Institut für Altertumsforschung in Rom:
"Das ist eine sehr komplexe Katakombe, denn im vierten Jahrhundert wurde sie immer größer. Das erklärt sich mit dem Umstand, dass dort zwei christliche Märtyrer ihre letzte Ruhe fanden, Pietro und Marcellino. Später kamen noch der heilige Tiburzio und Gorgonio hinzu. Also gleich vier Märtyrer! Und die zogen viele frühe Christen an, die sich entschieden, hier ihre letzte Ruhe zu finden."
Über eine Marmortreppe in der Kirche Santi Marcellino e Pietro ad Duas Lauros erreicht der Besucher die Katakombe. Unterirdische Gänge, die in den vergangenen Jahren aufwendig gesäubert und restauriert und mit Lampen ausgestattet wurden. Lampen, die die ganzen Schätze dieser Grabanlage ins richtige Licht rücken.
Fabrizio Bisconti: "Es handelt sich um eine der an frühchristlichen Malereien reichsten Katakomben ganz Roms. Wir haben hier etwa 80 Freskenbilder. Sie befinden sich vor allem in Grabnischen, die wohlhabenden christlichen Familien gehörten."
Zauberhafte Malereien
Malereien, die vor allem biblische Szenen darstellen – in einem, so nennt sie Fachmann Bisconti, eher naiven Malstil, denn, erklärt der Archäologe, man dürfe nicht vergessen, dass die Beleuchtung damals unter der Erde sehr schlecht war und sich deshalb die Maler auf eine wesentliche Formensprache konzentrierten. Und doch: zauberhafte Darstellungen!
Bisconti verweist auf den Umstand, dass sich in dieser Katakombe nicht nur christliche Figuren entdecken lassen:
"Es gibt hier auch einige pagane Elemente, also aus der heidnischen Kunst. Zum Beispiel die Darstellung des Orpheus, des berühmten Sängers und Dichters der griechischen Mythologie. Die christliche Ikonographie übernahm diese Figur. In der christlichen Kunst stand sie für Christus, der mit seinem Musikinstrument, der Leier, die Herzen verzauberte, so wie das Orpheus mit wilden Tieren gelang."
Viele der Malereien zeigen Personengruppen, Dekorationselemente, Blumen und Bäume. Die jüngsten Grabungsarbeiten förderten auch ein erstaunlich gut erhaltenes frühmittelalterliches Bild aus dem 7. Jahrhundert zu Tage – also aus einer Zeit, in der die Katakomben schon längst nicht mehr als Grabstätte benutzt wurden, denn, so Fabrizio Bisconti:
"Als Grabstätte fungierte dieser Ort nur bis ins frühe 5. Jahrhundert hinein. Im Jahr 410 wurde Rom ja durch die Westgoten unter Alarich geplündert, und alles was außerhalb der Stadtmauern lag, galt fortan als absolut unsicher. Man begann also, die Toten in der Stadt zu begraben."
1200 bisher nicht erforschte Gräber entdeckt
Aber das Heiligtum der Helena und der Märtyrer zog auch weiterhin Gläubige an. Nur so erklärt es sich, dass auch noch im 7. Jahrhundert in der Katakombe religiöse Kunst geschaffen wurde.
Bei den Grabungsarbeiten der vergangenen Jahre wurden zirka 1200 bisher nicht erforschte Gräber entdeckt. Man fand auch Graffiti aus dem 16. Jahrhundert. Anscheinend erkundeten damals römische Künstler die unterirdischen Gänge, auf der Suche nach antiken Kunstwerken.
Jetzt ist die Katakombe für Besucher zugänglich. Nach 20-jähriger Schließung. Allein zehn Jahre suchte man nach einem Geldgeber für neue Grabungs- und Restaurierungsarbeiten. Der Vatikan erhielt bei der Erforschung und aufwändigen Restaurierung mit modernsten Lasertechnologien tatkräftige finanzielle Hilfe durch einen Sponsor - aus einem muslimischen Land, erklärt Fabrizio Bisconti:
"Mehr als zwei Drittel der Fresken sind jetzt restauriert. Das war nur möglich mit der Unterstützung aus der ehemaligen Sowjetrepublik Aserbaidschan."
Der vatikanische Kulturminister, Kardinal Gianfranco Ravasi, konnte die Aliyev-Stiftung der Ehefrau des Staatspräsidenten von Aserbaidschan für das kostspielige Restaurierungsprojekt gewinnen. Ob Moslems oder nicht, meint Archäologe Bisconti, wichtig ist nur das Geld, denn sein Institut verfüge über so wenig Finanzmittel für Forschung und Restaurierungsarbeiten, dass jede Hilfe hochwillkommen ist.