"Friendship Park" bei San Diego

Berührungen durch den Zaun

05:06 Minuten
Ein Deportierter spricht auf der mexikanischen Seite in Tijuana durch den amerikanisch-mexikanischen Grenzzaun mit Angehörigen auf amerikanischer Seite. US-Grenzschutzbeamte ermöglichen es den Menschen, sich am Wochenende im "Friendship Park" auf der Seite der Grenze von San Diego mit Familie und Freunden auf der mexikanischen Seite über den Zaun zu treffen. Der Park ist einer der wenigen Orte an der 2.000 Meilen langen Grenze, an dem sich Familien, viele von ihnen durch Deportationen getrennt, treffen dürfen.
Der "Friendship Park" entlang der Grenze ist die einzige Möglichkeit für viele Papierlose in den USA, Verwandte aus Mexiko zu sehen. © Getty Images North America / John Moore
Von Katharina Wilhelm  · 21.09.2019
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Die mexikanisch-amerikanisch Grenze wird von der US-Border Patrol streng bewacht. Doch im "Friendship Park" nahe San Diego können sich Familien treffen, die dazu aufgrund fehlender Papiere sonst keine Chance haben – getrennt durch den Zaun.
Die 21-jährige Elda Carillo lacht – sie hat sich hübsch gemacht für diesen besonderen Tag. Ein blaues Kleid, glitzerndes Augenmake-up. Sie steckt ihre Finger durch das engmaschige Gitter. Sie, Elda, ist auf der US-amerikanischen Seite, ihr Großvater jenseits des Zauns in Mexiko. Sie sehen sich zum ersten Mal nach zehn Jahren wieder.
"Es sind gemischte Gefühle. Ich bin glücklich ihn zu sehen und gleichzeitig traurig über die Umstände. Denn eigentlich würde ich ihn gerne umarmen, doch das dürfen wir nicht. Ich konnte meine Tränen nicht zurückhalten."
Elda, die ihren Großvater zum ersten Mal nach 10 Jahren wiedersieht steht am Grenzzaun. Ihre Finger berühren das Gitter.
Elda, sieht ihren Großvater zum ersten Mal nach 10 Jahren.© Deutschlandradio / Katharina Wilhelm
Elda kann nicht zu ihrem Großvater reisen, weil sie keine gültigen Papiere hat. Sie ist als Minderjährige illegal in die USA eingewandert. Unter der Obama-Regierung konnte sie durch das DACA-Programm eine Art Aufenthaltserlaubnis erwerben. Donald Trump hat diesen Status aufgehoben.
Der "Friendship-Park" entlang der US-amerikanisch-mexikanischen Grenze ist die einzige Möglichkeit für Elda, Verwandte aus Mexiko zu sehen – oder zu berühren. Die US-Grenzschutzbehörde erlaubt einen minimalen Kontakt zwischen beiden Seiten. Durch einen Teilbereich des Grenzzauns kann man einen kleinen Finger stecken, sehen kann man die andere Person aber eher schlecht.

Der Park – ein cooler, fototauglicher Ort?

"Normalerweise gehen wir an eine andere Seite – dort sieht man die andere Person besser. Aber dort dürfen wir uns nicht berühren."
Das erzählt mir Leslie. Die 16-Jährige ist mit ihrer Mutter und ihren vier Geschwistern regelmäßig am Grenzzaun, um ihre Großeltern zu sehen. Auch sie kommen aus Mexiko – auch sie haben einen Aufenthaltsstatus, der es ihnen nicht erlaubt zu reisen.
Die 16-Jährige empfindet den Zaun nicht als per se bedrückend, sondern als coolen Ort, der fototauglich ist. Die Grenze verläuft bis in den blitzblauen Pazifik hinein. Leslie macht Selfies für Instagram, während ihre Mutter mit den Verwandten spricht. "Es ist ein schöner Ort, ich kann den Ozean sehen – hier ist irgendwie ein anderer Vibe."
Eine Familie spricht mit Verwandten am Zaun des sogenannten Friendship-Park bei San Diego an der Grenze zwischen Mexiko und den USA.
Leslie und Ihre Familie am Zaun.© Deutschlandradio / Katharina Wilhelm
Die Grenze zwischen den USA und Mexiko gehört zu den vielleicht derzeit bekanntesten Grenzen der Welt. Hunderttausende versuchen jedes Jahr, diese Grenze zu passieren. US-Präsident Donald Trump will deswegen die Hürde zwischen beiden Ländern weiter ausbauen, eine Mauer bauen. Der Streit um diesen Bau lockt immer mehr Touristen an, erzählt Pedro Rios. Er ist Direktor eines US-Mexikanischen Grenzprogramms.
"Die Grenze ist ein Thema in den Nachrichten in den letzten zwei Jahren, viel mehr als in den Jahren davor. Die Leute wollen sehen, was hier los ist."
Am Wochenende führt seine Organisation die Interessierten an den Zaun. Es seien viele Neugierige dabei. Menschen, die den Zaun befürworten und Menschen, die ihn erschreckend finden.

Der Grenzzaun ist hochsymbolisch

Dass Donald Trump den Grenzzaun zu seinem Lieblingsthema erklärt hat, besorgt ihn.
"Trump war clever, dass er das Thema Migration und unkontrollierte Grenzen zu seinem Thema gemacht hat – vor allem weil er Mexikaner attackiert und sie als Kriminelle bezeichnet. Ich habe Sorge, dass dieses Thema uns weiter spalten wird. Und dass Migranten die hier Asyl suchen, als Sündenböcke herhalten müssen."
Ein Mann lehnt an dem Zaun im sogenannten "Friendship Park" an der mexikanisch-amerikanischen Grenze, aufgenommen im August 2017
Ein Mann lehnt an dem Zaun im sogenannten "Friendship Park" an der mexikanisch-amerikanischen Grenze, aufgenommen im August 2017© imago / ZUMA Press / Sevilay Kelek
Der Grenzzaun ist natürlich hochsymbolisch. Für die einen repräsentiert er die Macht der USA, deren Durchsetzungskraft bei der Einwanderungspolitik. Andere denken an die Auffanglager für Migranten, in denen schlimme Bedingungen herrschen – auch für Kinder. Für einige andere symbolisiert er wohl auch ein Stück Hoffnung. Wer es bis hierhin schafft, und noch ein Stück weiter – der hofft darauf, einen Asylantrag in den USA stellen zu können.
So wie Henry Laso, der auf der mexikanischen Seite steht. Er ist aus Kuba geflohen erklärt er mir, seine Freundin Ellie, die bei mir auf der US-Seite steht, übersetzt: "Er war über ein Jahr im Gefängnis, in seiner Zelle konnte er nicht mal seine Hände sehen. Und das, weil er ein Lied über die Freiheit Kubas gesungen hat – es heißt ‚Der falsche König‘. In Kuba darf er nicht mehr auftreten und sie bedrohen ihn dort."
Henry Laso steht auf der mexikanischen Seite. Er ist aus Kuba geflohen erklärt: "Er war über ein Jahr im Gefängnis, in seiner Zelle konnte er nicht mal seine Hände sehen. Und das, weil er ein Lied über die Freiheit Kubas gesungen hat –es heißt ‚Der falsche König‘. In Kuba darf er nicht mehr auftreten und sie bedrohen ihn dort."
Der Kubaner Henry Laso steht auf der mexikanischen Seite.© Deutschlandradio / Katharina Wilhelm
Durch den Zaun zeigt er mir sein Musikvideo, das er auf Youtube hochgeladen hat – das Video ist mit Bildern von Fidel Castro gespickt.
Die Musikrichtung heißt Reggaetong, eigentlich geht es in diesen Liedern eher um Liebe, Sex, Frauen. Henry wollte lieber über die bedrückenden Verhältnisse in Kuba singen. Nun ist er hier und hofft auf Asyl in den USA als politisch Verfolgter. Ende September ist sein nächster Gerichtstermin in San Diego. Er hofft, dass er dann permanent auf der anderen Seite des Zauns bleiben darf.
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