Friedenspreis für Orhan Pamuk

Von Dirk Fuhrig · 24.10.2005
Der türkische Schriftsteller Orhan Pamuk ist in der Frankfurter Paulskirche mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden. In seiner Laudatio hob der Intendant der Berliner Festspiele, Joachim Sartorius, auch das politische Engagement des Autors hervor.
Orhan Pamuk ist ein großer Romancier. Vor allem davon - nicht von Politik - sprach der türkische Autor am Beginn seiner Dankesrede für den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels: vom Romaneschreiben. Wie der Zufall es will, spielt ein Teil seines bislang letzten auf Deutsch erhältlichen Romans in der Paulskirchen-Stadt Frankfurt am Main. Dort hat er für das Buch recherchiert, sein Protagonist heißt "Ka" in Anlehnung an Franz Kafka:
Pamuk: " … Und so kam ich vor fünf Jahren, im Jahre 2000, nach Frankfurt. Wir gingen vom Hauptbahnhof aus durch die Kaiserstraße, an den Sexshops vorbei, dann durch die Münchener Straße mit ihren türkischen Lebensmittelgeschäften, Dönerbuden und Friseurläden, bis hin zur Hauptwache. "
Ein langer Exkurs über das Wesen und den Zauber des Romans an diesem Morgen in Frankfurt. Mit Kafka und Flaubert, Dostojewski und Thomas Mann ging Orhan Pamuk auf eine Reise durch die Literatur. Es war klar, dass der durch seine Äußerungen zur türkischen Geschichte in seinem Heimatland angefeindete Autor die Erwartungen seiner Zuhörer zu unterlaufen versuchte. Pamuk hielt keine offensive Brandrede gegen die reaktionären Kräfte in der Türkei, die ihn mit einem Prozess wegen Beleidigung des Türkentums mundtot machen wollen. Vielmehr versuchte er, die Kraft der Literatur für das Begreifen von "Fremdheit" und "Andersartigkeit" zu beschwören.
Im Vermögen, sich in andere Menschen und Lebensumstände hineinzuversetzen, steckt für ihn die einem Schriftsteller angemessene Art von Politik.

Und damit war Orhan Pamuk dann doch bei seinem gesellschaftlichen Engagement angelangt, das bei seiner Wahl für den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels natürlich eine gewichtige Rolle gespielt hat.
Joachim Sartorius, der die Laudatio hielt, wies auf die Unerschrockenheit des türkischen Intellektuellen hin.
Sartorius: " … Als erster Autor in der muslimischen Welt hat Orhan Pamuk die Fatwah gegen Salman Rushdie verurteilt und sich zu Yaşar Kemal bekannt, als dieser 1995 unter Anklage gestellt wurde. … Glauben Sie mir, diese Äußerungen bedeuten Mut. Die prekäre Lage der Kurden ist nach wie vor kein Thema in der offiziellen Türkei. … Indem Orhan Pamuk unerschrocken seine Stimme erhebt und Aufrichtigkeit einklagt, versucht er, in seinem Land ein Nachdenken zu erzwingen und die Regierenden umzustimmen. "