Freund oder Feind?

Warum Eliten nicht verzichtbar sind

Unterstützer der Partei Alternative für Deutschland in Thüringen halten bei einer Demonstration der AfD in Erfurt Slogans auf Schildern in die Höhe.
Vergleichbare Entwicklung in USA und altem Europa: Unterstützer der Partei bei einer Demonstration der AfD in Erfurt © picture alliance / dpa / Michael Kappeler
Von Uwe Bork · 07.04.2017
Le Pen, Trump, Höcke oder Gauland gegen die Elite: Die Populisten Europas und der USA wenden sich in der Regel gegen einen gemeinsamen Feind, meint der Journalist Uwe Bork. Heißt das nun, dass die Eliten in unserer Gesellschaft ausgedient haben?
Aus und vorbei. Wenn demnächst Marine Le Pen im Élysée-Palast einziehen sollte, dürfte sie das alte Europa zum alten Eisen werfen. Seine wirtschaftlichen und humanistischen Ziele, für die einst Politiker wie Konrad Adenauer oder Robert Schuman ihre guten Namen hergaben, gelten ihr nichts. Oder nur so viel wie ein ungeliebtes Erbe alter Männer, die auf dem falschen Weg waren.
Auch jenseits des Atlantiks versucht eine Art demokratisch gewählter Sonnenkönig ein altes und zumindest im Ansatz sozialeres Amerika zu zerschlagen. Blendwerk einer herrschenden Clique sei das doch nur gewesen, meint der neue Mann im Weißen Haus und wettert: "Zu lange hat eine kleine Gruppe in der Hauptstadt unseres Landes von der Regierung profitiert, und das Volk hat die Kosten getragen."

Anmaßende Elite gegen machtloses Volk?

So sehen sie halt die Welt, diejenigen, für die sich mittlerweile die Bezeichnung "Populisten" eingebürgert hat. Die selbstgerechten – und sich selbst bereichernden – Eliten, das sind die Feinde, die sich Madame Le Pen, Mr. Trump und Herren wie Björn Höcke oder Alexander Gauland erst aufgebaut haben, um sie unter dem Jubel ihrer Anhängerschaft dann mit großem Wurf wieder wegzukegeln. Sie treten als Volkstribunen einer neuen Bewegung auf, die diejenigen stürzen will, die bisher die berühmten Schalthebel der Macht in ihren Händen hielten.
Anmaßende Elite gegen machtloses Volk, das ist das Szenario, das Stimmen bringen soll. Dass das in den USA funktionieren könnte, das befürchtete der ehemalige Arbeitsminister Bill Clintons Robert Reich bereits Anfang des Jahrzehnts:
"Amerikas jahrzehntelanger Rutsch in Richtung wachsender Ungleichheit ist eine Einladung an Demagogen, mit irreführenden Argumenten Immigranten, Arme, andere Nationen, 'Sozialisten' oder 'Intellektuelle' für die wachsende Frustration der Mittelschichten verantwortlich zu machen."
Und er fügte nicht minder hellsichtig hinzu:
"Die entscheidende Bruchstelle im amerikanischen politischen System ist nicht mehr die zwischen Demokraten und Republikanern oder Liberalen und Konservativen, sondern die zwischen dem 'Establishment' und einer immer wütender werdenden 'take back America from them'-Volksbewegung."

Vergleichbare Entwicklung in USA und altem Europa

Auch für das alte Europa gilt Ähnliches. Auch hier sehen sich viele Wählerinnen und Wähler nicht mehr durch "die da oben" vertreten, fühlen sich verraten und verkauft von "Systemparteien" und im schlechtesten goebbelsschen Sinne 'Plutokraten'. Zu einer Elite zu gehören, ist plötzlich nicht mehr Ausweis besonderer Leistung, sondern schwer zu tilgendes Stigma korrumpierter Macht.
Heißt das nun aber, dass die Eliten in unserer Gesellschaft ausgedient haben? Dass wir auf sie verzichten können wie auf einen Ausweis adliger Abstammung? Ich meine nicht. Eher im Gegenteil.
Ganze Gesellschaften drohen derzeit weltweit in ihre Einzelteile zu zerfallen. In dieser Situation auf Eliten zu hören, das könnte uns durchaus helfen, diesem zerstörerischen Trend entgegenzuwirken, das Gemeinsame wieder mehr zu betonen als das Trennende. Diese Eliten – man könnte auch ganz altmodisch von Vorbildern sprechen – diese Eliten also dürften ihren Einfluss allerdings nicht aus einem Reichtum beziehen, der ohnehin - häufig genug und Marx sei's geklagt – leistungslos erworben wurde.
Was wir brauchen, sind vielmehr Eliten des Denkens, Eliten des staatsbürgerlichen Engagements und Eliten des Gemeinsinns. Nicht das Geld soll sprechen, sondern der Verstand - und meinetwegen manchmal auch das Herz.
So beraten, würde unsere Demokratie nur stärker werden. Gleich zu Anfang könnten wir beispielsweise auf den Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu hören. Der empfiehlt nämlich, nicht lauter zu sprechen, sondern lieber weiser zu argumentieren.

Uwe Bork, geboren 1951 im niedersächsischen Verden (Aller), studierte an der Universität Göttingen Soziologie, Wirtschafts- und Sozialpolitik, Verfassungsgeschichte, Pädagogik und Publizistik. Bork arbeitete als freier Journalist für verschiedene Zeitungen, Zeitschriften und ARD-Anstalten. Seit 1998 leitet er die Stuttgarter Fernsehredaktion 'Religion, Kirche und Gesellschaft' des SWR. Für seine Arbeiten wurde er mit dem Caritas-Journalistenpreis sowie zweimal mit dem Deutschen Journalistenpreis Entwicklungspolitik ausgezeichnet.

Der Journalist Uwe Bork
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