Freiluftkino

Filmfest in Locarno beginnt

In Locarno stehen Stühle für das Freiluftkino
Die Filmfestspiele von Locarno finden vor allem draußen statt. © picture alliance / dpa
Von Anke Leweke · 06.08.2014
Neben Venedig und Cannes gehört Locarno zu den ältesten Filmfestivals der Welt. Seit 1946 pilgert die Kinowelt im August ins Tessin. In diesem Jahr haben Juliette Binoche, Roman Polanski und Luc Besson ihr Kommen angekündigt.
Locarno, das ist zunächst einmal das ultimative Freiluft-Kinogefühl. Zusammen mit 7000 anderen Filmbegeisterten pilgert man allabendlich auf die Piazza Grande. Andächtig sitzen dann Festivalprofis, Birkenstocktouristen und Tessiner Rentnerinnen mit selbstgehäkelten Stolen vor der 24 mal 14 Meter großen Riesenleinwand. Schon die Kulisse ist beindruckend. Links der Lago Maggiore, im Hintergrund die Schweizer Alpen. Das Spektakel kann beginnen.
Los geht's mit dem Thriller "Lucy"
Eröffnet werden die Filmfestspiele mit Luc Bessons Thriller "Lucy". Die Handlung spielt in der nahen Zukunft, und die von Scarlett Johansson gespielte Titelheldin sieht sich mit ungeahnten Fähigkeiten konfrontiert.
"Professor Norman. Mein Name ist Lucy. Ich habe ihre Forschungsarbeiten über das menschliche Gehirn gelesen. Es gibt ein paar Lücken, aber sie sind auf der richtigen Spur."
"Danke."
"Ich kann 28 Prozent meines Gehirns nutzen."
"Seit wann kannst du Chinesisch?"
"Seit etwa eine Stunde."
Auf der Piazza Grande will man die Kinohits von morgen zeigen, das große Publikum erreichen. Gleich zwei deutsche Filme laufen hier: In einer Mitternachtsvorführung "Die Einsamkeit des Killers vor dem Schuss" von Florian Mischa Böder mit Benno Fürmann in der Hauptrolle. Und Christian Züberts Roadmovie "Hin und weg" um eine Freundesclique, die mit dem Rad durch Belgien fährt und die zu Beginn erfahren muss, dass Hannes nicht mehr lange zu leben hat. Gespielt wird der schwerkranke junge Mann von Florian David Fitz, der zunächst Angst hatte, sich auf das Thema einzulassen.
"Aber das Buch hat mich so berührt. Ich habe es zweimal gelesen und ich war am Ende so gerührt, dass ich mir gesagt habe, dass man es einfach machen sollte."
Wettbewerb als Entdeckungsreise
Florian Mischa Böder und Christian Zübert - zwei junge Filmemacher, die vielleicht von Locarno aus ihren Weg machen werden. Denn das Festival hat offenbar ein Talent, deutschen Regisseuren den entscheidenden Schub zu geben. Hans Christian Schmid, Fatih Akin und auch Tom Tykwer feierten am Lago Maggiore ihre ersten internationalen Erfolge. Und immer wieder wird der Wettbewerb um den Goldenen Leoparden zur Entdeckungsreise. Das ist kein Zufall, sondern durchaus kuratorische Strategie. Das Festival ist bekannt für seine Neugier und Offenheit. Hier legt man Wert auf politische Statements, Exkursionen in unbekannte Filmländer und formale Experimente.
Gleich mehrere Filme spiegeln in diesem Jahr die Auswirkung der Wirtschaftskrise auf das private miteinander, es geht um die großen Flüchtlingsprobleme unserer Zeit und um ausbeuterische Arbeitsverhältnisse - das Kino kann zum Fenster der Welt werden. Aber leisten nicht auch andere interessante Festivals genau dies? Was also ist das ganz Besondere an Locarno?
Armin Müller-Stahl erhält Preis für sein Lebenswerk
Die Mischung, könnte man sagen. Denn die professionellen Festivalbesucher bleiben hier nicht unter sich. Als Journalist befreit man sich vom allzu seriellen, abhakenden Filmeschauen, springt zwischen zwei Vorstellungen in den See, während sich die Tessin-Touristen wiederum vom Freizeitstress emanzipieren, mit Kind und Kegel legen sie Kinopausen vom Tretbootfahren und vom Bergwandern ein.
Auch Kinogeschichte lässt sich in Locarno nachholen, das Festival ist bekannt für seine sorgfältig zusammengestellten Retrospektiven. Hier würdigte man in den letzten Jahren prominente Filmkünstler wie George Cukor, Orson Welles oder Otto Preminger. In diesem Jahr steht das legendäre italienische Filmstudio Titanus im Mittelpunkt. Seit den Anfängen des Kinos versuchten die Betreiber, die Kluft zwischen Autoren - und Unterhaltungsfilmen zu überwinden. Luchino Visconti und Federico Fellini drehten für das Studio, aber eben auch der italienische Horrorregisseur Dario Argento.
Und noch eine erfreuliche Nachricht: Der Schauspieler Armin Müller Stahl, der Mann mit der heiseren Stimme, der im deutschen Kino und Fernsehen, in Hollywood und im unabhängigen amerikanischen Kino zuhause ist, wird in Locarno für sein Lebenswerk geehrt. Man kann sich also auf die kommenden zehn Tage freuen, auf ein breit aufgestelltes Programm, auf Kino von einst bis jetzt, das den Alpen und dem unverschämt blauen Lago Maggiore hoffentlich wieder die Show stehlen wird.
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