Freiheit für Badawi

Ehefrau des saudischen Bloggers startet Initiative

Ensaf Haidar, die Frau des inhaftierten saudische Bloggers Raif Badawi
Ensaf Haidar, Frau des inhaftierten Bloggers Raif Badawi, am 23.05.2015 auf der Jahrestagung der deutschen Sektion von Amnesty International in Dresden. © picture alliance / dpa / Foto: Arno Burgi
Von Michael Meyer · 11.09.2015
Weil der saudi-arabische Blogger Raif Badawi kritisch über die Politik und Religion in seinem Land schrieb, wurde er 2014 zu zehn Jahren Haft und 1000 Stockhiebe verurteilt. Seine Frau, Ensaf Haidar, kämpft für seine Freilassung und hat dafür eine Stiftung mitgegründet.
Ensaf Haidar ist eine dunkelhaarige, kleine Frau, keine 1,60 m groß. Freundlich im Auftreten, aber streng in der Sache – kaum auszudenken, wie stark sie in den letzten Jahren gewesen sein muss. In Europa nahm sie dieser Tage gleich mehrere Preise entgegen, unter anderem den "BOB", Best-of-Blogs-Preis der Deutschen Welle. Bei der neuen Stiftung, die den Namen ihres Mannes Raif Badawi trägt, sind unter anderem die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung und die deutsche Sektion des Schriftstellerverbands PEN mit dabei. Ensaf Haidar:
"Das Ziel ist, dass diese Stiftung sich für Meinungs- und Pressfreiheit einsetzt. Und wir hoffen natürlich auch, dass sie hilft, dem Anliegen meines Mannes mehr Öffentlichkeit zu verschaffen. Er ist ja zu einer Haftstrafe und Peitschenhieben verurteilt worden, weil er frei seine Meinung äußern wollte. Wir hoffen, dass diese neue Stiftung sich nicht nur für meinen Mann einsetzt, sondern insgesamt mehr Meinungs- und Pressefreiheit durchsetzen kann."
Haidar lebt heute mit ihren drei Kindern im Exil, in Quebec in Kanada, und hat mehrmals pro Woche telefonisch Kontakt mit ihrem Mann:
"Der letzte Kontakt war vor paar Tagen. Mein Mann ist aber niemand, der gern über seinen Gesundheitszustand spricht oder über die Situation im Gefängnis. Aber mir scheint, dass es ihm insgesamt eher schlecht geht."
Haidar hat Berlin als Ort der Pressekonferenz bewusst gewählt. Viele Deutsche würden ihr sehr helfen, sagt sie, mehr als 1,2 Millionen Unterstützer etwa haben eine Onlinepetition unterschrieben. Sie fühle sich und ihr Anliegen von der deutschen Bundesregierung gut vertreten, auch wenn sie sich noch mehr Initiative wünsche:
"Die Bundesregierung hat sich von Anfang an für meinen Mann stark gemacht und wir hoffen, dass die deutsche Regierung das auch weiterhin tut, und noch mehr tut, etwa dass sie Raif Badawi Asyl in Deutschland anbietet."
Hoffnung auf deutsche Staatsbürgerschaft
Und eines Tages vielleicht sogar die deutsche Staatsbürgerschaft, so ihre Hoffnung. Doch soweit ist es noch nicht. Über den Fall Raif Badawi hinaus steht es natürlich sehr schlecht um die Pressefreiheit in Saudi-Arabien, erläutert Christoph Dreyer, Pressesprecher bei "Reporter ohne Grenzen". Eine Vertreterin des Verbands sitzt im Beirat der neuen Stiftung. Das Internet war eines der letzten einigermaßen freien Refugien in dem Ölstaat, aber auch das werde inzwischen kontrolliert und zensiert. Tabuthemen gebe es dabei reichlich, analysiert Dreyer:
"Religiöse Kritik ist ein Tabuthema, die wird allerdings auch sehr weit ausgelegt. Wenn einem Blasphemie zur Last gelegt wird, Apostasie, Abfall vom Glauben, dann wird es gefährlich, weil man im schlimmsten Fall mit der Todesstrafe rechnen muss. Tabu ist letztlich auch Kritik an bestimmten Themen der Außenpolitik, Nahost-Politik, das Verhältnis zu Israel, das sollte man lieber nicht zu offensiv zur Rede stellen, alles was die Diskriminierung der schiitische Minderheit geht, ist ein völliges Tabuthema. Auch Kritik an der Diskriminierung der Frauen, das sind all solche Dinge, die sehr ungern gehört werden."
Immer wieder werden Journalisten und Blogger willkürlich verhaftet und festgesetzt. Der jüngste Fall betrifft den 33-jährigen Alaa Brinji, der seit 16 Monaten ohne Anklage oder Prozess im Gefängnis ist. Brinji hatte auf facebook eine Fatwa, ein religiöses Urteil, gegen einen angeblich Ungläubigen kritisiert.
Nichtsdestotrotz sind soziale Medien wie facebook, twitter und instagram in Saudi-Arabien erreichbar, nicht immer, aber meistens. Im Zweifel liest immer ein Zensor mit. Raif Badawi wurde sein Blog zum Verhängnis. Seine Frau Ensaf Haidar hofft, dass der oberste Gerichtshof Saudi-Arabiens das zuletzt noch einmal verschärfte Urteil revidiert:
"Bisher haben wir gar keine weiteren Informationen darüber, außer die, dass der Oberste Gerichtshof dieses Urteil noch einmal überprüfen möchte. Wir hoffen natürlich, dass sich das zum Guten wendet. Solche Dinge unterliegen in Saudi-Arabien strenger Geheimhaltung und werden auch nicht transparent gemacht, wir hoffen aber das Beste."
Wie stark sich die Saudis durch internationale Kritik, oder eine Stiftung dieser Art beeinflussen lassen, ist schwer zu beurteilen. Selbst wenn Badawi freikommen sollte, stellt sich die Frage nach anderen, weniger prominenten Inhaftierten.
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