Freie Theaterszene und Corona

Traumatische Zäsur und existenzielle Nöte

05:55 Minuten
Das während der Pandemie geschlossen Theaterhaus Stuttgart am Abend. Bis bald und gesund bleiben steht auf dem heruntergelassenen Eingangstor.
Freie Spielstätten wie das Stuttgarter Theaterhaus waren während der Pandemie in großer Not. © imago / Arnulf Hettrich
André Mumot im Gespräch mit Britta Bürger · 14.09.2021
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Besonders die freien Theater hatten unter den Pandemiebeschränkungen zu leiden. Über die Folgen für die Szene und wie es in Zukunft weitergehen soll, wird zurzeit im Berliner Radialsystem debattiert.
Für die freien Theater war die Pandemie eine traumatische Erfahrung. Das wurde bei einer Podiumsdiskussion deutlich, bei der es um die Folgen der Coronapandemie für die freie Theaterszene, aber auch um Zukunftsaussichten ging.
Performerin und Kulturwissenschaftlerin Sibylle Peters habe gesagt, dass die Zäsur die Szene nicht nur finanziell, sondern mitten in das Herz der Kunstform getroffen habe, berichtet Theaterkritiker André Mumot.

Existenzielle Bedrohung

Insgesamt hätten sich an dem Abend die Gefühle von Frust und Erleichterung, nochmal davongekommen zu sein, die Waage gehalten. Stefan Kaegi von Rimini-Protokoll habe gesagt, dass Theatern die Türen zu kategorisch geschlossen wurden. "Da wurde beklagt, dass nicht irgendwelche anderen Alternativen gefunden wurden."
Fabian Lettow vom Kainkollektiv habe auf die Situation von Kunstschaffenden in weit entfernten Ländern hingeweisen, mit denen man zusammengearbeitet habe.
"Die haben überhaupt keine Förderung bekommen. Für sie war das eine existenzielle Bedrohung, da ging es wirklich um Leben und Tod, nicht nur was die Krankheit anbelangt, sondern weil man überhaupt keine Möglichkeit hatte, Geld zu verdienen", sagt Mumot.
Bei der Diskussion hätten Kunst- und Kulturschaffende deutlich gemacht, dass man sich weiter den engen Austausch mit Vertretern der Kulturpolitik wünsche und von ihnen vestanden werden wolle.
"Umgekehrt haben Politikerinnen und Politiker gesagt, dass sie erst durch die Krise begriffen hätten, was Soloselbständige eigentlich sind und was sie für Probleme haben."

Klassische Förderstrukturen überdenken

Debattiert worden sei auch das klassische Prinzip der Projektförderung und dass man es eventuell überdenken müsse, dass es vielleicht sinnvoll wäre, langfristige Förderungen zu ermöglichen auch ohne zwangsläufig Ergebnisse zu erwarten, sagt Mumot. Das sei aber sehr kontrovers diskutiert worden.
Die Vertreter der Politik hätten einhellig gesagt, dass man grundsätzlich Förderungen auch über die Coronakrise hinaus aufrechterhalten wolle ohne allzu konkret zu werden.
Veronica Kaup-Hasler, Wiener Stadträtin für Kultur und Wissenschaft sei da eine Ausnahme gewesen. Sie habe vorgeschlagen, sich das benötigte Geld von den Steuerflüchtlingen und von den Profiteuren der Krise zu holen.

Beim dritten Bundesforum des Bundesverbandes Freie Darstellende Künste und des Fonds Darstellende Künste diskutieren Künstlerinnen und Künstler mit Vertretern aus Wissenschaft, Verwaltung und Kulturpolitik über die Folgen der Coronapandemie für die freie Szene, über Potentiale und Innovationen durch die bereitgestellten Hilfsmittel, sowie über mögliche Erkenntnisse für die Zukunft.

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bis 16. September
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