Freie Fahrt in den Ökokapitalismus

27.05.2013
Über Klimawandel und knappen Ressourcen wird viel diskutiert, aber statt düstere Zukunftsszenarien zu zeichnen, plädiert der Grünen-Politiker Ralf Fücks für eine Verbindung von Ökologie und Ökonomie. In seinem Buch liefert er Denkansätze, aber auch konkrete Beispiele für seine grüne Revolution.
Überbevölkerung, Umweltverschmutzung, Ressourcenknappheit, Finanzkrise, Klimawandel: Die Probleme dieser Welt sind unübersehbar. Statt aber in Zukunftspessimismus zu verfallen, sieht Ralf Fücks - langjähriges Mitglied bei den Grünen und Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung - in ihnen eine Chance, die Welt neu zu gestalten. In seinem Buch "Intelligent wachsen. Die grüne Revolution" beschreibt er, wie sich Ökologie und Ökonomie sinnvoll und profitabel miteinander verbinden lassen.

Damit wendet er sich klar gegen die - von ihm als "naiv" bezeichnete - Technologiefeindlichkeit vieler Umweltschützer. Den Glauben, nur im Verzicht auf Wachstum und Wohlstand liege die Rettung der Natur, hält er für überholt. Denn das berechtigte Streben der Armen nach Wohlstand und einem guten Leben mit allen Annehmlichkeiten, die den Europäern seit Jahrzehnten zur Verfügung stehen, lasse sich eben nicht durch bloße Mahnungen bremsen, so Ralf Fücks.

Sein Realismus tut dem Buch gut. Der Autor zeigt zwar, dass eine reine "Weiter so"-Politik in die Katastrophe führen wird. Aber er beweist auch, dass der weit verbreitete Ökopessimismus diese Katastrophe genauso wenig verhindern wird, wie der Ruf nach Einschränkungen und Nullwachstum. Stattdessen fordert er zu einer grünen industriellen Revolution auf, deren Ziel es ist, Ressourcen nicht einfach immer weiter linear zu verbrauchen, sondern Kreisläufe zu schaffen, in denen die Abfälle der Produktion wieder zu Rohstoffen werden.

Die effizientere Nutzung von Rohstoffen und Energie sowie der ökologische Umbau der Industriegesellschaft kommen seiner Ansicht nach einem gewaltigen Investitionsprogramm gleich. So liegt allein der geschätzte Investitionsbedarf für die Realisierung der Energiewende in Deutschland bei 300 Milliarden Euro in den nächsten 20 Jahren.

Papier aus Pflanzenfasern, Champignons auf Kaffeesatzbasis
Ralf Fücks appelliert in seinem Buch zu mehr Mut in Hinsicht auf neue technische Ideen und Produktionsweisen. Er setzt sich für einen kompletten Ersatz der fossilen durch erneuerbare Energieträger ein und wirbt dafür, die Natur als Vorbild für Verfahrensweisen und Stoffkreisläufe zu nehmen. Sei es Kaffeesatz, auf dem Champignons gezüchtet werden können oder die Produktion von Papier aus den Pflanzenfasern, die beim Anbau und der Verarbeitung von Reis, Kokosnüssen und Bambus als Abfall anfallen – der Autor liefert nicht nur Denkansätze, sondern konkrete Beispiele für seine grüne Revolution.

Und das macht den Charme dieses sehr optimistischen Buches aus. Es geht um die Zukunft der Landwirtschaft, um umweltverträgliche Städte, ökologisches Bauen und die Schaffung eines Ökokapitalismus. Fücks will kein naives Paradies erschaffen, aus dem sich Menschen fern halten sollen. Stattdessen zeigt er deutlich, dass der Einfluss des Menschen auf die Natur schon so groß ist, dass er sich als Mitproduzent der Natur verstehen muss, "der bewusst in die natürliche Evolution eingreift, ohne sie aus der Bahn zu werfen". Es ist ein Buch, das Lust macht, sich zu engagieren, eben weil es nicht zum Verzicht aufruft, sondern zur Erschaffung einer neuen Welt.

Besprochen von Monika Seynsche

Ralf Fücks: Intelligent wachsen. Die grüne Revolution
Hanser Verlag, München 2013
362 Seiten, 22,90 Euro