Freiberufliche Musiker und das Coronavirus

Keine Konzerte, keine Einnahmen, keine Zukunft

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Zuschauerraum der Komischen Oper in Berlin.
Keine Konzerte bedeuten für Freiberufler schlicht keine Einnahmen mehr. Dauert dieser Zustand zu lange, kann er schnell existenzbedrohend werden. © picture alliance/dpa/Tim Brakemeier
Von Vivien Leue · 18.03.2020
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Kulturschaffende werden von der Coronapandemie wirtschaftlich besonders schwer getroffen. Wegen der schlechten Bezahlung in der Branche konnten viele keine Rücklagen bilden. Interessenvertreter fordern jetzt finanzielle Unterstützung vom Bund.
Sonntagabend in der Kölner Philharmonie. Das Ensemble spielt die Johannespassion, voller Hingabe – aber ohne einen einzigen Zuschauer im Saal. Die sitzen in Zeiten von Corona und "Social Distancing" stattdessen vor dem Bildschirm zuhause – das Konzert wird im Internet gestreamt.
"Wir sind durchaus froh, dass wir trotz des um sich greifenden Coronavirus dieses Geisterkonzert in ihr Wohnzimmer bringen können", erklärt der Intendant der Kölner Philharmonie, Louwrens Langevoort, zu Beginn des Konzerts - und ruft dazu auf, die Karten, die für das Konzert gekauft wurden, nicht zurückzugeben, "damit sie damit eine Spende machen können, an die vielen Künstler, aber auch Ensembles und Institutionen, die durch den Wegfall an Einkommen gefährdet sind".
Deutschlandweit stehen viele Musiker und Musikerinnen und andere Kulturschaffende aktuell vor dem Nichts. Abgesagte Termine und keine neuen in Sicht – die Lage ist dramatisch, heißt es von den Verbänden.

Grundeinkommen von tausend Euro

Der Generalsekretär des Deutschen Musikrates, Christian Höppner, erklärt am Telefon, dass viele freie Musiker und Musikerinnen mit einem durchschnittlichen Jahresbruttoeinkommen von 13.000 Euro ohnehin am Rande des Existenzminimums leben:
"Rücklagen sind bei diesem Jahreseinkommen, was ja wirklich einer Kulturnation und der viertstärksten Industrienation unwürdig ist, nicht zu erwarten."
Er fordert von der Bundesregierung: "Für sechs Monate á tausend Euro ein befristetes Grundeinkommen den freiberuflichen Künstlerinnen und Musikern und Musikerinnen zur Verfügung zu stellen, die jetzt in der Situation sind, dass sie von heute auf morgen überhaupt keine Einnahmen mehr haben."
Der Deutsche Kulturrat fordert einen Nothilfefonds für freischaffende Künstler, der durch Bund und Länder getragen werden soll. Bis der allerdings beschlossen und eingerichtet ist, vergehen – so die Befürchtung vieler –noch Wochen.
Die Deutsche Orchester-Stiftung hat deshalb spontan eine Spendenkampagne ins Leben gerufen. Dabei sind schon rund 15.000 Euro zusammengekommen.

"Das Lumpenpack" sammelt erfolgreich Spenden

Wie schnell das mit dem Spendensammeln gehen kann, hat das deutsche Pop-Duo "Das Lumpenpack" gezeigt. Am Montag gaben sie ein Geisterkonzert im Kölner Gloria-Theater – live gestreamt ins Internet.
Innerhalb von nur 72 Stunden hatten Max Kennel und Jonas Frömming den Gig auf die Beine gestellt – und per Crowdfunding zu Spenden aufgerufen. Schon am Morgen des Konzerts waren mehr als 80.000 Euro zusammengekommen, mittlerweile sind es mehr als 135.000 Euro.
"Es ist uns ein großes Anliegen, nochmal darauf aufmerksam zu machen, dass die Kohle, die durch das Crowdfunding reingekommen ist und nicht für das Konzert gebraucht wurde, selbstverständlich nicht an uns geht. Denn ohne Witz: Uns geht’s gut."
Lediglich 10.000 Euro bräuchten sie für die Organisation des Konzerts, sagt Jonas Frömming.
"Das Ding ist, wahnsinnig vielen Menschen in der Kulturbranche geht es einfach nicht gut, sie hatten nicht die Möglichkeit, sich schon ein Polster zur Seite zu legen. Das sind vor allem die Leute, die man nicht sieht. Das sind Lichttechniker, Tontechniker."
Ihnen und anderen freien Kulturschaffenden soll das Geld zu Gute kommen – damit sie es über diese schwere Zeit schaffen. Dass es danach auch wieder aufwärts geht, davon ist die Branche überzeugt.

Die Branche arbeitet an der Zeit nach dem Virus

In den Konzerthäusern NRWs wird schon jetzt eifrig an der Nach-Corona-Phase gearbeitet, und der Generalsekretär des Deutschen Musikrats, Christian Höppner, spürt diese Zuversicht auch bei den Musikern:
"Das, was sie tun, wird in Zukunft noch viel mehr Bedeutung haben für das Zusammenleben. Dass also dieser Shutdown im Moment, diese künstliche Verpuppung ins Privatreich, ohne kulturelle Erfahrungen und Erlebnisse, dass das einen neuen Hunger erzeugen wird nach Livebegegnungen, das ist eigentlich die frohe Botschaft."
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