Freakshow illusionslos gewordener Beatlesfans

Vorgestellt von Peter Urban-Halle · 27.06.2005
In Lars Saabye Christensens schräg-schönem Roman "Yesterday" erkannte die Hauptfigur, dass alle Kunst nur Lug und Trug sei, mit Ausnahme der Musik. Gemeinsam mit ein paar Freunden wollte der in Oslo lebende Kim wie die "Beatles" sein. Im neuen Buch, der Fortsetzung von "Yesterday", ist der Traum ausgeträumt.
In diesen noch wunderbar unpolitischen Aus- und Aufbruchsjahren ab 1965 wollten sie wie die Beatles sein und träumten ohne die geringsten musikalischen Fertigkeiten, von Instrumenten gar nicht zu reden, davon, eine Band zu gründen. Im neuen Buch, der Fortsetzung von "Yesterday" (die in Norwegen schon 1990 erschien) ist der Traum ausgeträumt - aber wer träumt schon noch davon, wie Abba zu spielen?

Jetzt stecken wir in den tiefen 70er Jahren, in denen jeder der Freunde sein Waterloo erlebt. "Waterloo" ist eine Freakshow illusionslos gewordener Beatlesfans. Kim kehrt aus Italien zurück, fast reumütig, mit einem einbandagierten Geschlechtsteil. Den Grund dafür erfahren wir nach und nach. Seb ist jetzt Lyriker und verkauft seine misslungenen Gedichte auf der Straße, was die Polizei nicht gern sieht, weil er keinen Gewerbeschein hat. Gunnar ist unter die Proletarier gegangen und kommunistischer Drucker geworden, Ola läuft als wandelnder Kühlschrank Reklame. Und dann ist da noch Vivi, kein wandelnder Kühlschrank, sondern eine wandelnde Liebesgeschichte, geheimnisvoll und verlockend, die Kim immer wieder entgleitet, und doch ist sie wahrscheinlich der einzige Traum, der in diesem Buch über die 70er Jahre weitergeträumt werden darf. Die beiden werden sich bestimmt wiedersehen. Bestimmt.

Der Norweger Lars Saabye Christensen, geboren 1953 in Oslo, wurde bei uns durch den glänzenden Roman "Der Alleinunterhalter" bekannt, dann folgten die Erzählungen "Der eifersüchtige Friseur und andere Helden", die in Thema und Stil an Burkhard Spinnen erinnern. Durch "Yesterday" (und den mächtigen Roman "Der Halbbruder", für den er den Nordischen Literaturpreis erhielt) wurde aus dem Geheimtip so etwas wie ein Star. "Waterloo" knüpft daran an. Der lakonische Witz und der Humor bewahrt seine "Helden" vor dem Untergang. Utopien sind nicht mehr zu erwarten, aber in der Depression versinken, das wollen sie auch nicht.

Lars Saabye Christensen: Waterloo
Roman
Aus dem Norwegischen von Christel Hildebrandt

btb Verlag, München 2005
350 Seiten. 9 Euro