Frauenschicksale

Rezensiert von Hannelore Heider · 06.09.2006
In "Friends with Money" spielt Jennifer Aniston eine Frau, die ihren Job als Lehrerin aufgibt, um als Putzfrau zu arbeiten. Das können ihre reichen, aber nicht immer glücklichen Freunde kaum nachvollziehen. Der indisch-kanadische Film "Water" erzählt die Geschichte eines jung verheirateten Mädchens, das nach dem Tod ihres Mannes in ein Gefängnis für Witwen kommt.
"Friends with Money"

USA 2006, Regie: Nicole Holofcener, Darsteller: Jennifer Aniston, Joan Cusack, Catherine Keener u.a., ohne Alterbeschränkung

Regisseurin Nicole Holofcener hat selbst mehrere Folgen für die berühmte Fernsehserie "Friends" geschrieben, mit der Jennifer Aniston ihre Karriere begann. Die Grundidee hat die Regisseurin nun mit deutlich älteren Helden und wohl auch für ein erwachseneres Publikum auf die große Kinoleinwand gehievt. Wobei vor allem die herausragende Darstellerinnenriege das Interesse weckt.

Außer Jennifer Aniston, die den Part des "Aschenputtels" übernommen hat, spielen gestandene Charakterdarstellerinnen drei Freundinnen, die inzwischen mit Ehemännern und Kindern, Karriere oder/und Geld gesegnet sind. Nur Oliva (Jennifer Aniston) hat ihren Beruf als Lehrerin aufgegeben, um als Putze die Wohnungen fremder Leute und das auch noch für wenig Geld sauber zu machen.

Die Entscheidung geschah freiwillig, mit den Folgen für ihren Stolz und ihre Selbstachtung hat Olivia fürderhin zu kämpfen. Genau das hält die eher episodisch und inhaltlich kaum zwingend verbundene Erzählung über das Leben der vier Frauen zusammen. Denn wie in der Serie trifft man sich ab und zu, palavert eher als man sich wirklich austauscht über das Leben, und zieht dann, wenn die Paare wieder allein sind, über das Erlebte her.

Dazwischen erleben wir Olivia immer wieder mit ihren Freundinnen, deren Leben natürlich auch nicht so konfliktlos abläuft, wie es auf den ersten Blick aussieht. Francis McDorman ist zu einer unattraktiven hysterischen Zicke geworden, Catherine Keener schreibt mit ihrem Mann gemeinsam zwar noch Drehbücher, aber über einen aufreibenden Hausneubau zerstreiten sie sich endgültig. Nur die von Joan Cusack gespielte Frau scheint in einer wohl situierten Ehe mit viel Geld glücklich zu sein.

Trotzdem: Der Titel suggeriert ja, dass das materielle Lebensniveau wichtig ist für das Gedeihen oder Scheitern ihrer Freundschaft sei. Doch die angedeuteten Konflikte werden nie zu einem dramatischen Knoten geschürzt, stattdessen gibt es ein, wenn auch überraschendes, Happy End.

Bleiben die tollen Charakterdarstellerinnen, die endlich einmal, auch äußerlich, als schöne reife Frauen agieren dürfen und ihre offensichtliche Lust an den pointiert geschriebenen Dialogen.

"Water"

Kanada / Indien 2005, Regie: Deepa Mehta - Darsteller: Seema Biswas, Lisa Ray, John Abraham, FSK: ab 12 Jahre

Die indisch-kanadische Regisseurin Deepa Mehta schließt mit diesem Film einen Zyklus ab, den sie mit "Fire" und "Earth" begonnen hat. "Filme aus dem Herzen", wie sie sagt, in denen sie die vielfältigen Ungerechtigkeiten und tiefen Konflikte der indischen Gesellschaft nach der von ihr als Kind tragisch erlebten Teilung des ehemals multireligiösen Landes erlebt hat.

"Water" spielt im Jahre 1938, wo die Verbannung der verwitweten Frauen in Ashrams Gefängnisse für die "Unberührbaren" noch gesetzlich verankert war. Nach 2000 Jahre alten hinduistischen Gesetzen waren sie am Tod ihrer Männer schuldig und hatten fürderhin in absoluter Armut, weggesperrt von anderen Menschen zu leben.

Selbst ihre Waschung in den angeblich heiligen Wassern des Ganges hatte so zu erfolgen, dass kein Schatten auf eine andere Frau fiele. Besonders hart trifft das Schicksal die 8-jährige Chuyia, die nicht einmal weiß, dass sie verheiratet wurde.

Ihr Schicksal bestimmt den ersten Teil des Filmes. Im Ashram freundet sie sich mit der "Unberührbaren unter den Unberührbaren" an, einer jungen Frau, deren Haare im Unterschied zu den anderen Eingekerkerten nicht geschoren wurden, weil sie als Prostituierte den Unterhalt für die Frauen im Ashram verdienen muss.

Nacht für Nacht wird die Kalyani zu reichen Freiern gefahren, während sie tagsüber nicht einmal mit Männern reden darf. Chuyia und Kalyani erleben zarte Momente gestohlenen Glücks, bis eine tragisch endende Liebesgeschichte, in der sich auch das mit Ghandi anbrechende neue Indien ankündigt, das kleine Mädchen an Stelle von Kalyani setzt.

Die dritte Frau, deren Schicksal wir näher kennenlernen, ist die strenggläubige Shakuntala, die gute Fee der Geknechteten, die ständig mit inneren Zweifeln ringt.

Denn keine Frage, obwohl der Film nicht als flammende Anklage inszeniert ist und mit seinen warmen Tönen und zauberhaften Lichtspielen auch viel Poesie enthält, rührt er doch an ein noch gültiges Tabu. Über die für europäische Augen melodramatische Inszenierung besonders der Liebesgeschichte hinweg, schockiert er die Zuschauer.

Indien selbst hat schon der Beginn der Dreharbeiten des Filmprojektes wütende Proteste hinduistischer Nationalisten ausgelöst. Die Regisseurin wurde mit dem Tode bedroht und konnte ihren Film erst Jahre später in Sri Lanka beenden.
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